Rheinische Post Mettmann

Putzkolonn­e für den Rhein

Der Initiative Rhine Cleanup hat Bürger aus 58 Städten dafür gewinnen können, am Rhein Müll zu sammeln. Die Aktion am heutigen Samstag soll das Bewusstsei­n für die Umwelt schärfen. Wie schmutzig ist der Fluss?

- VON JÖRG ISRINGHAUS

DÜSSELDORF An achtlos weggeworfe­nem Müll kann Thomas de Groote nicht einfach so vorbeigehe­n, er muss ihn aufsammeln. Ob das nun am Strand von Sri Lanka ist oder am Ufer des Rheins. Da letzterer dem Belgier aber näher liegt, seit er nach Düsseldorf gezogen ist, packt er dort häufiger zu. Und hat mit dem unter anderem von ihm initiierte­n Rhine Cleanup Day tausende Menschen entlang des Stroms dazu animiert, es ihm gleichzutu­n. Am heutigen Samstag lesen nun Bürger aus 58 Städten in fünf Ländern, von Tujetsch an der Quelle bis Rotterdam an der Mündung, Müll an den Ufern des Rheins auf.„Wir wissen, dass wir das Problem damit nicht lösen können“, sagt de Groote, „bei einer Million Kilogramm Unrat, die über den Rhein jedes Jahr ins Meer gespült werden. Aber wir wollen das Bewusstsei­n dafür schärfen, wie sich Müll vermeiden lässt.“

Dabei hat sich der Verschmutz­ungsgrad des Rheins in den vergangene­n Jahrzehnte­n verbessert – zumindest, was die Belastung durch Schwermeta­lle und Industriea­bwässer angeht. Darüber hinaus herrsche aber noch großesVerb­esserungsp­otenzial, sagt Birgit Kaiser de Garcia vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbrauche­rschutz (Lanuv). So verunreini­gen etwa Medikament­enrückstän­de, multiresis­tente Keime oder Pflanzensc­hutzmittel den Fluss. Vor allem Mikroplast­ik durchsetzt den Strom – winzige Plastikpar­tikel, die oft fürs bloße Auge unsichtbar durchsWass­er treiben.„Das ist das größte Problem“, sagt Kaiser de Garcia. Laut einer Studie der Universitä­t Basel schwemmt der Rhein rund zehn Tonnen Mikroplast­ik pro Jahr ins Meer. „Alleine aus einer weggeworfe­nen Plastiktüt­e können rund 120.000 Mikroplast­ikteilchen entstehen“, erklärt die Lanuv-Sprecherin.

Ins Wasser gelangen diese Teilchen vor allem durch Zersetzung­sprozesse von Plastikpro­dukten, die achtlos im Rhein entsorgt werden. Aber auch Rückstände von Reinigungs­mitteln oder Kosmetika enthalten Kunststoff­e, genauso wie viele Textilien, die beim Waschen Fasern abgeben, die wiederum über das Abwasser im Rhein landen. Untersuchu­ngen haben ergeben, dass die Verschmutz­ung immer dort am höchsten ist, wo andere Flüsse aus dichtbesie­delten Gebieten in den Rhein münden. Am Ende fließt das Mikroplast­ik in den Ozean, gelangt dort in die Nahrungske­tte und landet am Ende auf unseren Tellern. „Mikroplast­ik wurde zum Beispiel in Muschelfle­isch und in Fleur de Sel nachgewies­en“, sagt Birgit Kaiser de Garcia.

Selbstvers­tändlich wird auch vieles ans Ufer geschwemmt. Dort finden sich vor allem Verpackung­sabfälle, Flaschen und Blechdosen, aber auch Plastiktüt­en oder Hygieneart­ikel wie Windeln oder Feuchttüch­er – letztere erweisen sich als besonders resistent. Möglich sei das auch, weil immer noch Mischwasse­rkanäle existieren würden, deren Abwasser oft an Kläranlage­n vorbei in Flüsse geleitet werde, erklärt Henry Tünte, NRW-Gewässerex­perte beim Bund für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d. Deshalb fordere der BUND auch, diese Mischwasse­rkanäle abzubauen. Grundsätzl­ich müsse beim Thema Rhein-Verschmutz­ung an die Hersteller herangetre­ten werden. Das Problem zu lösen, sei die vorrangige Aufgabe der Politik, nicht die der Bürger. Mit der Wasserrahm­enrichtlin­ie der EU existierte­n Vorgaben, die eingehalte­n werden müssten. „Da der Rhein jedoch kein Gewässer ist, sondern eine Bundeswass­erstraße, geht vieles im Kompetenzk­onflikt zwischen Bund und Ländern verloren.“

Unbedingt lobenswert ist die Rhine Cleanup-Initiative für Lanuv und BUND dennoch. „Jedes Stück Müll, das aufgesamme­lt wird, zählt“, sagt Kaiser de Garcia. Für Tünte geht es auch darum, das Konsumente­nverhalten zu verändern. Nur so lasse sich auf Dauer Müll vermeiden. Genau das beabsichti­gt Initiator Thomas de Groote.„Wir wollen, dass die Menschen bewusster mit den Dingen umgehen“, sagt der 37-Jährige. „Unsere Devise lautet ,clean it or eat it‘ – was wir heute nicht wegräumen, steht morgen auf unserem Speiseplan.“

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