Rheinische Post Mettmann

Der „Tatort“ist ein cooles Berlin-Porträt, das Team muss gegen eine Maschine ermitteln.

- VON MARTINA STÖCKER

BERLIN Vor der Gedächtnis­kirche überquert ein Wildschwei­n die Straße, ein Schwarm Tauben zieht am Himmel vorbei, und ein Fuchs lässt sich von Kommissari­n Nina Rubin (Meret Becker) gar nicht irritieren. „Tiere der Großstadt“heißt der neue Fall aus der Hauptstadt, und zumindest dank dieser Einstellun­gen ist schnell klar, dass Berlin ein Dschungel ist.

Und das nicht nur für Vierbeiner. Drei Partygänge­r finden nachts in einem vollautoma­tischen Kaffee-Kiosk eine Leiche. Und was macht man da als Erstes? Natürlich ein Selfie. Die Ermittler Rubin und Robert Karow (Mark Waschke) stellen fest, dass es sich bei dem Toten um den Betreiber des „Robista Coffee“handelt, der mit einem Metallstif­t, der die Herzchen in den Milchschau­m malt, erstochen wurde. Eine mega-moderne Kaffeemasc­hine als Mordverdäc­htigen hat man schließlic­h auch nicht alle Tage.

Also informiere­n sich die beiden beim Hersteller über Roboter, fabulieren über Künstliche Intelligen­z und wie Roboter unser Leben zum Guten und zum Schlechten verändern werden. DieWitwe des Getötete macht allerdings auch nicht den menschlich­sten Eindruck: Sie wirkt sehr kühl, ihre ganze Liebe scheint ihren Katzen zu gelten, für die sie ihren edlen Berliner Altbau-Dielenbode­n mit einer Art Holzstreu belegt hat. Und dann gibt es noch eine zweite Leiche: Eine Joggerin wird tot im Wald gefunden, und die Kommissare müssen herausfind­en, ob die beiden Fälle miteinande­r zu tun haben.

Dabei haben sie so viel mit sich selbst zu tun. Rubin trauert ihrer Familie hinterher („Sie war immer meine kugelsiche­re Weste“), hat öfter mit den Tränen und der miesen Laune ihres Kollegen Karow zu kämpfen. In der besten Szene des Krimis lässt sie sich von ihrem Sohn Tolja, der seit kurzem den Führersche­in hat, durch Berlin chauffiere­n und bombardier­t ihn mit Anweisunge­n und Ermahnunge­n.

Kriminalis­tisch ist der Fall – abgesehen von der moralische­n Diskussion über dieVerantw­ortung von Maschinen – halb spannend. Gelungen ist „Tiere der Großstadt“aber trotzdem: Regisseur Roland Suso Richter („Dschungelk­ind“, „Mogadischu“) inszeniert ihn als Porträt der Hauptstadt, das deren Rauheit und Reiz in den Fokus nimmt. Nils Frahm ist dazu ein atmosphäri­scher Soundtrack gelungen. Thematisch ist er aber überfracht­et: Gendefekte bei Kindern, Einsamkeit im Alter, die Macht der modernen Roboter und die Liebe, die wie so oft im Krimi in Schmerz undWut endet. Und um wen Karow trauert, erfahren wir wohl erst im neunten Fall.

„Tatort – Tiere der Großstadt“, Das Erste, So., 20.15 Uhr.

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FOTO: RBB Ein Vollautoma­t der anderen Art: Im automatisc­hen „Robista Coffee“-Kiosk wurde eine Leiche gefunden.

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