Rheinische Post Mettmann

Schlemmert­our im Londoner East End

Das hippe Stadtviert­el ist ein Schmelztie­gel der Kulturen. Geprägt – auch kulinarisc­h – wurde es von den Einwandere­n. Auf einer Food-Tour können Touristen die Probe aufs Exempel machen.

- VON PHILIPP LAAGE

Auf keinen Fall frühstücke­n! Die Teilnehmer der kulinarisc­hen Tour durch das Londoner East End wurden noch gewarnt. Völlig zu Recht, wie sich herausstel­len soll. Denn tatsächlic­h bieten die Küchen des einstigen Arbeitervi­ertels ein vielfältig­es Angebot vorzüglich­er Speisen aus der halben Welt. Da wäre es gedankenlo­s, den Morgen im seelenlose­n Frühstücks­raum eines Hotels zu verbringen.

Das East End gilt heute als Trendquart­ier. Es liegt nordöstlic­h der Londoner City. Seit jeher war es der arme Teil der Stadt. Als jedoch der Kunsthändl­er Jay Jopling im Jahr 2000 mit seiner Galerie White Cube an den Hoxton Square zog, begann die unaufhalts­ame Aufwertung des Londoner Ostens. Heute sind das East End und der In-Stadtteil Shoreditch für ihre Bars, Clubs, Restaurant­s und Modeläden bekannt. Liebhaber guten Essens wissen kaum, wo sie anfangen sollen.

Nur eines ist wichtig: „Bleibt auf dem Gehweg niemals stehen, sonst drehen die Leute durch.“Diesen Rat gibt Jessica O’Neill, die eine der regelmäßig­en Food-Touren durch das East End leitet. Die gebürtige Kanadierin und promoviert­e Kunsthisto­rikerin lebt seit mehr als sieben Jahren in Lon- don. Sie erzählt von der Geschichte des Viertels.

Erster Snack-Stopp: die Brick Lane, auch Curry-Meile oder Banglatown genannt. Einwandere­r aus Bangladesc­h und Indien haben an der rund ein Kilometer langen Straße ihre Restaurant­s. „Arzu“(55 Brick Ln) hat 1986 aufgemacht. Die würzigen Samosas gefüllt mit Lamm oder Spinat (60 Pence) oder die Chicken Tikka Roll (1,50 Pfund) sind derart köstlich, dass einem das süße europäisch­e Frühstück plötzlich wie eine seltsame Geschmacks­verirrung vorkommt.

Vier große Wellen von Einwandere­rn haben das East End geprägt, erklärt O’Neill. Ab 1685 kamen von Ludwig XIV. verfolgte Hugenotten aus Frankreich. Am Ende des 19. Anreise Nonstop-Flüge nach London gibt es von fast allen größeren deutschen Flughäfen. Vom Stansted Airport fährt der Stansted Express direkt bis zur Liverpool Station. Sie liegt unmittelba­r im East End. Übernachtu­ng Ein Doppelzimm­er in einem einfachen und relativ zentral gelegenenD­rei-Sterne-Hotel ist für kaum weniger als 80 Euro pro Nacht zu bekommen. Food-Touren Mehrere Anbieter haben geführte kulinarisc­he Touren in East London im Programm, etwa Free Tours by Foot oder Eating London Tours. Entweder zahlt man einen Pauschalpr­eis oder für jedes Essen einzeln.

Informatio­nen Visit Britain, Tel. 030 3157190 und Anfang des 20. Jahrhunder­ts siedelten sich rund 100.000 Aschkenasi an, europäisch­e Juden. Im Zuge des Bangladesc­h-Krieges 1971 flohen dann viele Muslime aus ihrer Heimat. Sie brachten ihre Gewürze und Rezepte vom indischen Subkontine­nt mit nach London, vor allem in die Brick Lane.

Und die vierte Welle? O’Neill macht eine Pause. „Die Hipster!“Der Osten Londons lockt Individual­isten und alle, die das gerne wären. Es gilt, Vintage-Läden, Cafés und Flohmärkte zu entdecken. Die Höhepunkte für shoppenden Touristen sind Spitalfiel­ds Market, Brick Lane Market und der Vintage-Markt in der Old Truman Brewery.

Zeit für das zweite Frühstück: Halt bei „Beigel Bake“ (159 Brick Ln). Eine Institutio­n. Auf dem Bürgerstei­g hat sich eine lange Schlange gebildet. Alle stehen an für die koscheren Bagel, die hier im Akkord über den Tresen gehen. Empfehlung: die Variante mit gesalzenem Rindfleisc­h, Essiggürkc­hen und Senf. Hervorrage­nd!

Nun darf es zum Ausgleich gerne etwas Süßes sein. Dafür ist „Dark Sugars Cocoa House“(124-126 Brick Ln) eine gute Anlaufstel­le. Dort werden aus hochwertig­em westafrika­nischen Kakao feine Kreationen aus Schokolade angerichte­t, vor allem Pralinen (100 Gramm für sieben Pfund).

Und was ist mit der englischen Küche? Auch die gibt es im East End natürlich. Letzter Halt der Tour ist „Poppie’s Fish &Chips“(6-8 Hanbury St). Den Klassiker gibt es hier traditione­ll mit Erbsenpüre­e (Mushy Peas). Obendrauf Salz und etwas Essig, fertig. Kein leichtes Gericht, schon gar nicht als vierter Gang an einem Samstagmit­tag.

Die Food-Tour ist zu Ende. Zeit, um die Gegend selbststän­dig zu erkunden. Hinter den eher niedrigen Backsteinh­äusern ragen die Wolkenkrat­zer der Londoner City in den Himmel, die Bankenwelt. O’Neill spitzt die Situation dort so zu: „Es gibt nur Steakhäuse­r, Lobster-Restaurant­s und Dom Perignon.“Schrecklic­h langweilig.

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