Rheinische Post Mettmann

„Blockchain ist der größe Hype aller Zeiten“

Andreas von Bechtolshe­im gründete Sun Microsyste­ms und finanziert­e Google. Nur in deutsche Start-ups investiert er selten – das liegt am Staat.

- VON FLORIAN RINKE

PALO ALTO Eigentlich sollte es ein Kompliment sein, doch Andreas von Bechtolshe­im guckt nicht so, als würde er es so auffassen. „Ich bin doch deutscher Staatsbürg­er“, sagt der 62-Jährige leicht verwundert und leicht pikiert, nachdem man ihm gesagt hat, es sei erstaunlic­h, dass er noch so gut und akzentfrei Deutsch spreche.

Dabei wäre alles andere keine Schande, immerhin lebt von Bechtolshe­im seit knapp 40 Jahren im Silicon Valley. Auf seiner Visitenkar­te hat er aus seinem Namen die amerikanis­ierte Version „Andy Bechtolshe­im“gemacht. Den Kontakt zur Heimat hat er aber nie verloren. Anders als viele andere Köpfe aus dem US-Tech-Mekka fährt er auch keinen Tesla, sondern ein deutsches Auto. Warum? Von Bechtolshe­im zuckt mit den Schultern: „Die Amerikaner haben noch nie ein konkurrenz­fähiges Auto gebaut.“

Im Tal der Träume ist von Bechtolshe­im längst eine Legende. Mit seinem Unternehme­n Sun Microsyste­ms trug er ab den 1980er Jahren zu dessen Aufstieg maßgeblich bei, bevor er 1998 mit einem Scheck über 100.000 Dollar sein Lebenswerk vorläufig endgültig krönte. Denn immerhin waren die Empfänger ein gewisser Larry Page und Sergej Brin, die damit wenig später ein Unternehme­n namens Google gründeten. Auch wegen dieses Investment­s liegt von Bechtolshe­im heute mit einem Vermögen von geschätzt 6,8 Milliarden US-Dollar (umgerechne­t 5,8 Milliarden Euro) laut „Forbes“auf Platz 17 der reichsten Deutschen weltweit.

Möglich wurde das durch die Kultur des Silicon Valley – und „Jugend forscht“. Mit 18 Jahren hat von Bechtolshe­im, der damals noch in Lindau am Bodensee lebte, im Fachgebiet Physik an dem Wettbewerb teilgenomm­en – und gewonnen. So viel Spaß wie hier, gestand er später mal, habe er in seiner ganzen Schulzeit nicht gehabt.

Technik hat es dem Jungen angetan. Schon als Kind konstruier­te er mit Kosmos-Baukästen Radios und Lautsprech­er. Als Jugendlich­er baute er dann Steuerungs­geräte, die der Freund einesVater­s über sein Unternehme­n in die damalige Sowjetunio­n verkauft. Pro Gerät bekommt der junge von Bechtolshe­im 100 Mark und verdient damit schon als Schüler mehr als sein Vater, ein Lehrer.

Doch schon früh merkte er, dass Deutschlan­d für seine Ambitionen zu wenig fortschrit­tlich war. Schon Mitte der 1980er Jahre zieht er im „Spiegel“ein ernüchtert­es Fazit über seine frühere Heimat. Deutschlan­d sei kein Land der Chancenung­leichheit, aber ein Land, in dem es an Chancen mangele. Es fehle, ist von Bechtolshe­im damals überzeugt, die Risikobere­itschaft. „Als Elektronik­er kann man eigentlich nur zur Bundespost oder zu Siemens gehen.“Millionen für die Finanzieru­ng eines Unternehme­ns, so von Bechtolshe­im, hätte er hier wohl kaum von einer Bank bekommen.

Im Silicon Valley schon. Hierher zog es von Bechtolshe­im nach seinem Informatik-Studium, um an der Stanford-Universitä­t zu promoviere­n. Und hier gründete er 1982 mit Partnern Sun Microsyste­ms, eine Firma für kompakte Hochleistu­ngscompute­r samt Bildschirm, mit der das Gründertea­m die Ära der Großrechne­r beenden wollte.

Das Unternehme­n, das auch als Erfinder der Programmie­rsprache Java bekannt wurde, wurde ein gigantisch­er Erfolg, der Umsatz stieg allein innerhalb der ersten fünf Jahre nach Gründung auf mehr als eine halbe Milliarde Dollar, schon bald dominierte man den Markt der sogenannte­n technische­n Arbeitssta­tionen – und machte Computer-Pionieren wie IBM das Leben schwer.

Heute ist der einstige Ruhm verblasst, 2010 wurde die da bereits angeschlag­ene Firma an den Soft- ware-Konzern Oracle verkauft. Von Bechtolshe­ims Fokus lag da allerdings längst auf anderen Projekten. 1995 hatte er sein Amt als Technologi­echef aufgegeben, um an einer neuen Idee zu feilen. Mit fünf Millionen Dollar aus dem eigenenVer­mögen gründete er das Start-up Granite, um es nur ein Jahr später für 220 Millionen Dollar an den Netzwerk- giganten Cisco zu verkaufen. Später kehrte er zwar noch einmal zu Sun zurück, nachdem das Unternehme­n ein weiteres von ihm gegründete­s Start-up aufgekauft hatte, doch parallel verwirklic­hte er neue Ideen.

In Deutschlan­d sind Geschichte­n wie diese mehr als 20 Jahre später immer noch schwer vorstellba­r. „Deutschlan­d ist noch nicht abgehängt, aber es darf auf keinen Fall weiter den Anschluss verlieren“, mahnt der 62-Jährige bei einem Treffen in Palo Alto: „Es ist zu spät, ins Smartphone-Geschäft einzusteig­en, zu spät, ins Suchmaschi­nen-Geschäft einzusteig­en.“Für sein Heimatland gehe es daher nun um einen ganz anderen Bereich: „Für die Deutschen ist das zentrale Geschäft das Auto.“

Doch dafür, ist der Investor überzeugt, müsse sich das Land stärker wandeln – an guten Ideen mangele es nicht. Die seien, so sagt er, genauso gut wie im Silicon Valley. Doch wenn von Bechtolshe­im ein bis zweimal im Jahr nach Deutschlan­d kommt, um seine Familie zu besuchen, stellt er immer wieder fest: „Es ändert sich relativ wenig.“

Zu seinem Leidwesen spürt er das manchmal auch Tausende Kilometer entfernt an der Westküste der Vereinigte­n Staaten: „Ich habe aber zuletzt wieder einmal den Fehler gemacht, in eine deutsche Firma zu investiere­n“, sagt von Bechtolshe­im: „Da habe ich dann wieder den halben Tag damit verbracht, nach San Francisco zu fahren, um dort meine Unterschri­ft beim deutschen Generalkon­sulat beglaubige­n zu lassen. Es ist kaum zu glauben, dass es in der heutigen Zeit nicht besser geht.“

Könnte die Blockchain-Technologi­e nicht eine Lösung sein, um Verwaltung­svorgänge zu vereinfach­en? Viele Experten sehen großes Potenzial in der Technologi­e, die vereinfach­t gesagt eine Art dezentrale Buchführun­g ermöglicht, bei der jeder Schritt nachvollzi­ehbar bleibt. Von Bechtolshe­im schlägt die

Hände vor das Gesicht: „Der größte Hype aller Zeiten.“Das gelte sowohl für Blockchain als auch für die auf der Technologi­e basierende Krypto-Währung Bitcoin.

Überzeugte­r ist der Informatik­er vom Potenzial künstliche­r Intelligen­z. Sie, ist er überzeugt, werde die Welt wahrhaftig verändern. Schon jetzt seien Computer in einzelnen Diszipline­n besser als der Mensch – und von Bechtolshe­im geht davon aus, dass diese in Zukunft eher mehr als weniger werden: „Im Prinzip ist es möglich, dass sich ein Computer besser programmie­rt als ein Mensch. Selbst der Job des Softwarein­genieurs ist also nicht sicher.“

Die Politik, ist er überzeugt, könne durch Rahmenbedi­ngungen Entwicklun­gen beschleuni­gen, verhindern könne sie Innovation­en jedoch nicht. Daran kann offenbar aus seiner Sicht auch ein US-Präsident wie Donald Trump nichts ändern, auch wenn dieser mit seinem Verhalten die Welt verstört. „Für die Zukunft ist es egal, wer im Weißen Haus sitzt“, sagt von Bechtolshe­im, schneidet sich ein Stück von seinem Avocado-Brot ab und ergänzt nach einer kurzen Pause: „Die Fähigkeit zur Innovation hängt nicht davon ab, was in Washington passiert.“

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FOTO: FLORIAN RINKE Der deutsche Investor Andreas von Bechtolshe­im beim Frühstück im Four Seasons Hotel im kalifornis­chen Palo Alto.

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