Fernweh in der Neanderkirche
Beim Düsseldorf Festival präsentierte RP-Musikredakteur Wolfram Goertz seinen neuen Hörabend.
Von Fernweh leiten lässt sich RP-MusikredakteurWolfram Goertz bei der zehnten Ausgabe seines Hörabends beim Düsseldorf Festival, dessen Konzept er selbst mit dem Begriff „Betreutes Hören“auf den Punkt bringt. Die Neanderkirche ist wie immer rappelvoll, als ihr „Betreuer“auf die Kanzel steigt. Zum aktuellen Programm„In 80 Minuten um die Welt“passt Goertz‘ exponierte Stellung allerdings besonders gut, denn die Geschichte findet die zumeist in luftigen Höhen statt.
In Grundzügen geht sie so: Ein frisch vermähltes Paar geht auf Reise, will nur eine Woche nach Venedig und dann dreiWochen den frisch zusammengeführten Hausrat sortieren. Weil sie jedoch einen MP3Player mit Schätzen aus Klassik, Pop und Schlager dabei hat, kommen den beiden immer neue Ideen, noch weiter zu jetten.
So ist es nicht nur die Kompetenz im Bereich der Musik, mit der Wolfram Goertz am Abend beeindruckt, sondern auch ein weltgewandtes Wissen um Fluglinien und ihre Destinationen. „Meine liebste Fluglinie war immer Finnair“, verrät der Redakteur, als er sein Paar auf der Reise nach China in Helsinki zwischenlanden lässt. Die Arroganz, mit der die finnischen Flugbegleiterinnen früher blutrote Lederhandschuhe trugen, habe er immer bewundert. Zum Finnland-Aufenthalt bekommt das Publikum natürlich den größten Komponisten des Landes zu hören: den erstaunlichen Scherzo-Satz aus Jean Sibelius’ sechster Symphonie a-Moll.
Wolfram Goertz‘ Kunst ist, seine Rahmenhandlung wie spontan erdacht wirken zu lassen, dabei ist sie so wohlkomponiert wie die ausgewählten Stücke. Die Idee zum Abend sei ihm auf seinem liebsten Spazierweg in Kalkum gekommen, mit Blick auf den Flughafen, vorbei an Luftaufsichtsbaracken. Und natürlich gehörte der letzte Akkord dann Reinhard Mey, der seinen Ruf als einer der größten deutschen Textdichter damit untermauerte, dass er im Lied „Über den Wolken“dem Wort „Luftaufsichtsbaracken“Poesie verlieh.
Dazwischen begegnet das Publikum den Klängen von vier Kontinenten: Mit Ausnahme von Piazzollas „Libertango“und „Good Vibrations“der Beach Boys meist aus europäischer Perspektive komponiert – Debussy ließ in seine „Pagodes“beispielsweise die Pentatonik des javanischen Gamelan-Orchesters einfließen.
Das Thema des Hörabends 2019 steht übrigens schon:„Sonne, Mond und Sterne“, heißt es. Goertz plant sogar weit darüber hinaus: „In 30 Jahren lasse ich mir eine Rampe an die Kanzel bauen und schiebe meinen Rollator hier hoch.“