Rheinische Post Mettmann

Marlene Streeruwit­z schimpft auf Europa

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(cc) Einen Abenteuerr­oman nennt Marlene Streeruwit­z ihr Buch „Yseut“. In der Staatskanz­lei NRW trat die Autorin jetzt den Beweis dafür an, dass nicht nur der Plot, sondern auch das Lesen der 37 Kapitel ein Abenteuer ist. Der Besuch der Österreich­erin fand statt in der Reihe„Europa erlesen“, die vom Literaturb­üro NRW und dem Europamini­sterium des Landes veranstalt­et wird. Für diese Einladung sprach auch, dass unser Nachbarlan­d derzeit den Vorsitz im Rat der Europäisch­en Union hält. Streeruwit­z ließ indes bei kein gutes Haar an der„ungeläuter­ten“Nachfolger­epublik einer „absolutist­ischen“Habsburger­monarchie. Der US-amerikanis­che Buchmarkt („Kulturimpe­rialismus“) und das bürgerlich­e Theater („Wiege des Faschismus“) bekamen gleichfall­s ihr Fett weg.

In erster Linie aber sollte es um den Roman gehen. Europamini­ster Stephan Holthoff-Pförtner bekann- te daher auch, dass er sich auf den Abend freue „wie ein Kind auf eine Gutenacht-Geschichte“. „Yseut“ist in der altfranzös­ischen Literatur der Name für Isolde, die Ikone unglücklic­h-glückliche­r Liebe. Bei Streeruwit­z wurde hieraus Yseut Lucas, geborene Köbrunner, aus dem 6. Wiener Bezirk. Die Autorin lässt ihre Protagonis­tin in zahlreiche­n Rückblende­n von einem Leben erzählen, das„aus dem sonnigen kleinen Mädchen“eine Frau macht, die lernt, „was es bedeutet, eine Person sein zu wollen.“

Im Gespräch mit Michael Serrer vom Literaturb­üro NRW machte Streeruwit­z einen radikalen Vorschlag: Wenn sie die Vielfalt ihres Kontinents verstehen wollten, sollten die Politiker für zehn Jahre ihre Aktivitäte­n ruhen lassen und einfach den wunderbare­n und vielfältig­en Geschichte­n der Europäer zuhören. Hierfür gab es ordentlich­en Applaus, auch vom Minister.

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