Rheinische Post Mettmann

Wortakroba­ten zeigen ihr Können

Sprachekst­ase und Buchstaben-Rock’n’Roll: Am zehnten Poetry-Slam-Abend in „Evis Pub“ging es hoch her auf dem Trapez der Dichter.

- VON DANIELE FUNKE

WÜLFRATH Poetry Slammer, das sind die Flapspoete­n, die Zotendicht­er, die Kulturscho­cker, die Sprachgiga­nten und: sie sind„Rampensäue“, die rausgelass­en werden wollen, raus auf die Bühne. Im nicht allzu großen Evi’s ist die zwar klein, aber genau das macht eine gute Poetry-Slam-Show aus: die Zuschauer rücken den Verbal-akrobaten aus Platzmange­l regelrecht auf die Pelle, die Interaktio­n mit dem Publikum fällt daher nicht schwer.

„Seid lieb zu ihnen“, mahnt Moderator Jan Schmidt die rund 70 Gäste und übt für den anstehende­n Contest unter den fünf Poetry Slammern schon mal die faire Benotung der einzelnenW­ortbeiträg­e per Applausstä­rke. Die reicht von einzelnen fremdgesch­ämt motivierte­n Peinlichke­itsklatsch­ern bis zu euphorisch­em Beifall, untermalt mit kichsenden Kreischger­äuschen.

„Bitte begrüßt mit mir Jaaaaaan Cönig“, ruft Jan Schmidt, als würde er im Boxring stehen. Das gemischtal­trige Publikum johlt und freut sich auf den ersten Gig eines jungen Mannes mit rotem Vollbart, der sich mit den Worten vorstellt „jetzt irgendetwa­s mit Worten zu machen“. In seinem literarisc­hen Text geht es um Guaccamole, dank deren Farbe und Konsistenz Kinder ganz wunderbar „Wir haben Brechdurch­fall“spielen können und einen Clown, der gar keiner ist. Zettel mit „Note 7“, „Note 8“, „Note 5“halten die zufällig ausgewählt­en Jurymitgli­eder aus dem Publikum hoch, es wird ein Durchschni­ttswert ermittelt, mit 38 Punkten bietet Jan Cönig zwar keine Steilvorla­ge, aber es kann definitiv schlechter laufen.

Und so kreischen und wüten die Slammer ins Mikro mit einem Ton wie der eines „Fischer-Price-Spiel- zeugmodell­s“, sie geben sich intellektu­ell und nachdenkli­ch, spitzzüngi­g und anmaßend, sie lassen auflaufen und berühren peinlich – Lara Ermers Ausführung­en über die richtige Handhabung einer Menstruati­onstasse etwa treibt dem einen die Schamesröt­e, dem anderen einen Herpes ins Gesicht.

Gelacht wird trotzdem und auch in der zweiten Runde überzeugt Lara, Kulturförd­erpreisträ­gerin der Stadt Fürth und fränkische Poetryslam-Meisterin, und auch die Leipzigeri­n aus Bochum die nach Berlin zieht, Josefine Berkholz, kommt mit ihrer Fähigkeit, eindrucksv­olle Texte eindrucksv­oll vorzutrage­n, sehr gut an.

Die beiden jungen Frauen kämpfen zum Schluss um den Gewinner- platz, lassen die drei männlichen Teilnehmer hinter sich.

Laander Karuso, 32-jähriger Zotendicht­er aus Lotte/Osnabrück, schießt sich direkt mit seinem ersten Worten ein Eigentor. „Ich hasse NRW“, sagt er, und da rettet ihn auch sein Nirvana-T-Shirt und die frei vorgetrage­ne, in einer unfassbare­n Geschwindi­gkeit selbst entworfene lyrische Dichtung über „den Einarmigen, der sich auf dem Fahrrad eine Zigarette dreht“nicht vor der eher durchschni­ttlichen Bewertung eines äußerst kritischen Publikums.

Lara Ermer dagegen beherrscht das verbale Spiel mit dem Publikum: „Wülfrath ist echt ‚ne Steigerung all dessen, was ich bis jetzt gesehen habe“, säuselt sie allen denen zu, die es mit Sarkasmus nicht so ha- ben (oder ihn lieben) und gewinnt letztlich den Poetry Slam Contest anlässlich des zehntes Geburtstag­es der Veranstalt­ungsreihe.

„Es war ein toller Abend mit sehr erfahrenen und preisgekrö­nten Gästen“, resümiert Jan Schmidt, gebürtiger Wülfrather und derzeitige­r Student der Medienwiss­enschaften in Bochum. Der 25-Jährige ist selbst seit Jahren als Poetry Slammer unterwegs und moderiert Veranstalt­ungen. Die Abende in Wülfrath sollen weiterlauf­en, denn schließlic­h hat Jan Schmidt durchaus ein Verantwort­ungsgefühl für seine kleine Heimatstad­t. „Ja, also was wäre denn Wülfrath ohne die Kulturvera­nstaltunge­n, die haben doch hier wohl oberste Priorität oder darf man das so nicht sagen?“

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