Wortakrobaten zeigen ihr Können
Sprachekstase und Buchstaben-Rock’n’Roll: Am zehnten Poetry-Slam-Abend in „Evis Pub“ging es hoch her auf dem Trapez der Dichter.
WÜLFRATH Poetry Slammer, das sind die Flapspoeten, die Zotendichter, die Kulturschocker, die Sprachgiganten und: sie sind„Rampensäue“, die rausgelassen werden wollen, raus auf die Bühne. Im nicht allzu großen Evi’s ist die zwar klein, aber genau das macht eine gute Poetry-Slam-Show aus: die Zuschauer rücken den Verbal-akrobaten aus Platzmangel regelrecht auf die Pelle, die Interaktion mit dem Publikum fällt daher nicht schwer.
„Seid lieb zu ihnen“, mahnt Moderator Jan Schmidt die rund 70 Gäste und übt für den anstehenden Contest unter den fünf Poetry Slammern schon mal die faire Benotung der einzelnenWortbeiträge per Applausstärke. Die reicht von einzelnen fremdgeschämt motivierten Peinlichkeitsklatschern bis zu euphorischem Beifall, untermalt mit kichsenden Kreischgeräuschen.
„Bitte begrüßt mit mir Jaaaaaan Cönig“, ruft Jan Schmidt, als würde er im Boxring stehen. Das gemischtaltrige Publikum johlt und freut sich auf den ersten Gig eines jungen Mannes mit rotem Vollbart, der sich mit den Worten vorstellt „jetzt irgendetwas mit Worten zu machen“. In seinem literarischen Text geht es um Guaccamole, dank deren Farbe und Konsistenz Kinder ganz wunderbar „Wir haben Brechdurchfall“spielen können und einen Clown, der gar keiner ist. Zettel mit „Note 7“, „Note 8“, „Note 5“halten die zufällig ausgewählten Jurymitglieder aus dem Publikum hoch, es wird ein Durchschnittswert ermittelt, mit 38 Punkten bietet Jan Cönig zwar keine Steilvorlage, aber es kann definitiv schlechter laufen.
Und so kreischen und wüten die Slammer ins Mikro mit einem Ton wie der eines „Fischer-Price-Spiel- zeugmodells“, sie geben sich intellektuell und nachdenklich, spitzzüngig und anmaßend, sie lassen auflaufen und berühren peinlich – Lara Ermers Ausführungen über die richtige Handhabung einer Menstruationstasse etwa treibt dem einen die Schamesröte, dem anderen einen Herpes ins Gesicht.
Gelacht wird trotzdem und auch in der zweiten Runde überzeugt Lara, Kulturförderpreisträgerin der Stadt Fürth und fränkische Poetryslam-Meisterin, und auch die Leipzigerin aus Bochum die nach Berlin zieht, Josefine Berkholz, kommt mit ihrer Fähigkeit, eindrucksvolle Texte eindrucksvoll vorzutragen, sehr gut an.
Die beiden jungen Frauen kämpfen zum Schluss um den Gewinner- platz, lassen die drei männlichen Teilnehmer hinter sich.
Laander Karuso, 32-jähriger Zotendichter aus Lotte/Osnabrück, schießt sich direkt mit seinem ersten Worten ein Eigentor. „Ich hasse NRW“, sagt er, und da rettet ihn auch sein Nirvana-T-Shirt und die frei vorgetragene, in einer unfassbaren Geschwindigkeit selbst entworfene lyrische Dichtung über „den Einarmigen, der sich auf dem Fahrrad eine Zigarette dreht“nicht vor der eher durchschnittlichen Bewertung eines äußerst kritischen Publikums.
Lara Ermer dagegen beherrscht das verbale Spiel mit dem Publikum: „Wülfrath ist echt ‚ne Steigerung all dessen, was ich bis jetzt gesehen habe“, säuselt sie allen denen zu, die es mit Sarkasmus nicht so ha- ben (oder ihn lieben) und gewinnt letztlich den Poetry Slam Contest anlässlich des zehntes Geburtstages der Veranstaltungsreihe.
„Es war ein toller Abend mit sehr erfahrenen und preisgekrönten Gästen“, resümiert Jan Schmidt, gebürtiger Wülfrather und derzeitiger Student der Medienwissenschaften in Bochum. Der 25-Jährige ist selbst seit Jahren als Poetry Slammer unterwegs und moderiert Veranstaltungen. Die Abende in Wülfrath sollen weiterlaufen, denn schließlich hat Jan Schmidt durchaus ein Verantwortungsgefühl für seine kleine Heimatstadt. „Ja, also was wäre denn Wülfrath ohne die Kulturveranstaltungen, die haben doch hier wohl oberste Priorität oder darf man das so nicht sagen?“