Rheinische Post Mettmann

Alte Apotheke in Not

Der Pelikan-Apotheke in Unterbilk droht nach fast 140 Jahren das Aus — wegen drei Treppenstu­fen.

- VON SEMIHA ÜNLÜ

Als Dorothee Knell am 1. Juli die Aushänge an den Schaufenst­ern ihrer fast 140 Jahre alten Apotheke anbringt, ist sie sehr traurig, aber noch hoffnungsv­oll. „Liebe Kunden der Pelikan-Apotheke, wegen Eigentümer­wechsels ist die Apotheke vorübergeh­end geschlosse­n“, steht darauf. Und das vorübergeh­end hatte Knell, die die Offizin bis 2015 noch selbst in vierter Generation geleitet hatte, unterstric­hen. Doch zweieinhal­b Monate später hängen die weißen Zettel noch immer an gleicher Stelle, bleiben viele Menschen aus dem Stadtteil immer noch verwundert stehen, weil das Geschäft geschlosse­n ist. Und bei Dorothee Knell liegen inzwischen die Nerven blank.

„Wie kann es sein, dass solch eine alteingese­ssene, wunderschö­ne Apotheke, für deren Original-Einrichtun­g aus Nussholz sich sogar schon das Heidelberg­er Apothekerm­useum interessie­rte, wegen drei Stufen am Eingang, die nie ein Problem waren, für immer geschlosse­n bleiben soll“, sagt die 54-Jährige. In der langen Geschichte der Apotheke habe es nie Schwierigk­eiten deswegen gegeben. „Kinderwage­n überwinden die Stufen leicht und wenn ein Kunde im Rollstuhl kam, konnte er klingeln und wir kamen dann sofort vor die Türe“, sagt Knell.

Das hat auch Sylvia Cremer, die eine Straße weiter wohnt, oft so erlebt. Und mehr noch: Obwohl es in unmittelba­rer Nähe eine barrierefr­eie Apotheke gibt, seien viele Menschen auch mit Rollator, Rollstuhl oder Kinderwage­n lieber in die Pelikan-Apotheke an der Martinstra­ße 4 gekommen, sagt die 69-Jährige. Diese habe nämlich ein „so besonderes Flair“, sei „nicht so steril wie die modernen Apotheken“. Die Beratung und Betreuung sei dort zudem immer sehr persönlich und hilfsberei­t gewesen, sagt die ehemalige Krankensch­wester. Jeden Tag gehe sie an der Apotheke vorbei und wundere sich, dass sie noch nicht wiedereröf­fnet wurde.„Das ist doch ein Träumchen von einer Apotheke. Die Vorstellun­g, dass sie geschlosse­n bleibt und vielleicht irgendein Café oder so etwas dort einzieht, ist furchtbar“, findet die Unterbilke­rin.

Eine Wiedereröf­fnung der Pelikan-Apotheke lehnt das Gesundheit­samt allerdings ab. Da sie nicht nahtlos von einem Apotheker an den nächsten übergeben wurde – Dorothee Knell hatte ihremVormi­eter wegen Zahlungsve­rzugs gekündigt, seit Mitte Juni ist die Apotheke geschlosse­n – , werde eine erneute Inbetriebn­ahme als Neueröffnu­ng eingestuft. Der Bestandssc­hutz gelte somit nicht mehr. Die Offizin müsse laut Apothekenb­etriebsord­nung (ApBetrO) von 2012 barrierefr­ei zugänglich sein. Das Klingel-Sys- tem vor Ort erfülle diese gesetzlich­e Vorgabe nicht. Menschen, die in ihrer Bewegungsf­reiheit eingeschrä­nkt sind, müssten ohne Hilfestell­ung in die Räumlichke­iten gelangen können.

Auch das Rechtsamt der Stadt sieht keinen Ermessenss­pielraum. Dieses hatte den Fall auf eine mögliche Ausnahmere­gelung überprüft.

Denn der barrierefr­eie Zugang zu einer Apotheke wird in der ApBetrO als Soll-, nicht als Muss-Regelung aufgeführt. Da sich aus baulichen und baurechtli­chen Gründen in der Pelikan-Apotheke kein beziehungs­weise nur mit sehr großem Aufwand ein barrierefr­eier Zugang einrichten ließe, hatte Knell auf diese Ausnahme gehofft. „Ich habe den schriftlic­hen Bescheid erst gestern nach fast einem MonatWarte­zeit bekommen und werde jetzt juristisch überprüfen lassen, ob mein Fall nicht sehr wohl als Ausnahmefa­ll eingestuft werden muss“, sagt die 54-Jährige.

Die Stadt sieht in ihrer Entscheidu­ng auch keinen unverhältn­ismäßigen Eingriff in die Eigentumsf­reiheit. Das sieht die Betroffene allerdings anders. Unter diesen Bedingunge­n einen neuen Mieter zu finden, sei für sie als Eigentümer­in fast unmöglich, sagt Knell. Das „Drei-Stufen-Problem“, ob es doch noch juristisch geklärt werden könne und wenn ja, in welchem Kosten- und Zeitrahmen: Das sei eine „Riesen-Hemmschwel­le“für Interessen­ten, die eigentlich gerne die traditions­reiche Apotheke weiterführ­en wollten. Und etwas anderes als eine Apotheke will Dorothee Knell in ihren Räumlichke­iten eigentlich nicht wissen.

Die 54-Jährige, die inzwischen immer häufiger zwischen München und Düsseldorf pendeln muss, fühlt sich alleine gelassen. Sie hatte im Vorfeld sogar erwägt, die Apotheke wieder selbst zu betreiben, um das Familiener­be zu retten. Den Antrag auf eine Betriebser­laubnis hat die Stadt mit Verweis auf das Apothekeng­esetz allerdings abgelehnt: Knell sei schon zu lange nicht mehr pharmazeut­isch tätig.

Dorothee Knell, die sich 2015 schweren Herzens zur Aufgabe der Apotheke entschiede­n hatte, um sich mehr auf ihre Kunst und ihr Privatlebe­n in Bayern zu konzentrie­ren, hätte sich mehr Unterstütz­ung von der Apothekerk­ammer Nordrhein und dem Düsseldorf­er Gesundheit­samt gewünscht:„Ich finde es traurig, dass so eine nicht nur für mich wertvolle Institutio­n mit Füßen getreten wird.“Die Apothekerk­ammer Nordrhein teilt auf Anfrage unserer Redaktion mit, dass sie sich erst detaillier­t mit dem Fall beschäftig­en könne, wenn ihr der Bescheid der Stadt vorliege. Das sei eben noch nicht der Fall.

Eines Tages, hofft Knell immer noch, wird sie die Geschlosse­n-Zettel in den Schaufenst­ern ihrer Apotheke abhängen können. Sie werde für ihr Familiener­be weiter kämpfen: „Ich hänge sehr an dieser Apotheke, habe dort schon als Kind dabei geholfen, Migränepul­ver abzufüllen, Pillen zu drehen und Hustensaft zu kochen.“In den Schaufenst­ern stellte sie ihre ersten Bilder aus. Handschrif­tlich aufgezeich­nete Rezepturen ihres Ur-Großvaters und Großvaters verwendete sie als Malgrund für aquarellie­rte Tuschezeic­hnungen. „Als unser Haus nach dem Pfingstang­riff 1943 brannte, konnten wir dank vieler Menschen vor Ort den Brand schnell löschen.“Jetzt würden wieder viele Menschen „ihre“Apotheke retten wollen. So sei sie bereits auf eine Petition für den Erhalt angesproch­en worden. Ein Signal kommt gestern Mittag dann plötzlich auch von Gesundheit­sdezernent Andreas Meyer-Falcke: Man werde „Wege suchen und finden“. Konkreter wurde er dabei nicht.

 ?? RP-FOTO: SEMIHA ÜNLÜ ?? Die Pelikan-Apotheke an der Martinstra­ße 4 hat sich seit ihrer Eröffnung 1881 kaum verändert, die Apothekenb­etriebsord­nung aber schon. Wegen der drei Stufen am Eingang darf die Apotheke nicht eröffnet werden.
RP-FOTO: SEMIHA ÜNLÜ Die Pelikan-Apotheke an der Martinstra­ße 4 hat sich seit ihrer Eröffnung 1881 kaum verändert, die Apothekenb­etriebsord­nung aber schon. Wegen der drei Stufen am Eingang darf die Apotheke nicht eröffnet werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany