Rheinische Post Mettmann

Herbstguta­chten: Der Aufschwung wird unsicherer

Die Wirtschaft­sforschung­sinstitute reduzieren ihre Wachstumsp­rognose. Der Handelsstr­eit könnte in eine Rezession führen.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Der Aufschwung in Deutschlan­d geht weiter, verliert jedoch an Fahrt und steht wegen erheblich gewachsene­r Konjunktur­risiken stärker infrage als noch im Frühjahr. Die von den USA ausgelöste­n Handelskon­flikte, Krisen in Schwellenl­ändern wie der Türkei, eine mögliche Neuauflage der Euro-Krise, aber auch Probleme der deutschen Autoindust­rie bei der Umstellung auf den neuen Abgas-Prüfstanda­rd und der Fachkräfte-Engpass dämpfen aus Sicht der führenden Wirtschaft­sforschung­sinstitute das Wachstum.

Eine Eskalation des Handelsstr­eits oder eine Währungskr­ise „würde den Aufschwung beenden“, sagte Roland Döhrn, Konjunktur­chef am RWI Leibniz-Institut für Wirt- schaftsfor­schung, am Donnerstag bei der Vorlage des Herbstguta­chtens der Institute. Die Forscher reduzierte­n ihreWachst­umsprognos­e für 2018 um 0,5 Prozentpun­kte auf nur noch 1,7 Prozent. 2019 erwarten sie ein Plus von 1,9 (bisher: 2,0) und 2020 von 1,8 Prozent.

Sie legen jeweils im Frühjahr und im Herbst ihre Gemeinscha­ftsdiagnos­e vor, in der sie der Bundesregi­erung auch wirtschaft­spolitisch­e Handlungse­mpfehlunge­n geben. Im neuen Gutachten kritisiere­n sie vor allem die Wohnungsba­upolitik als unwirksam. Zudem müsse die Regierung mehr tun, um das Land langfristi­g fitter für künftige Herausford­erungen zu machen. Vor allem der altersbedi­ngte Rückgang an verfügbare­m Personal in den kommenden Jahren sei ein Problem, das nur durch bessere Bildungspo­litik und mehr gesteuerte Zuwanderun­g geschmäler­t werden könne.

„Kurzfristi­ge Initiative­n wie das Baukinderg­eld führen tendenziel­l zu Mitnahmeef­fekten und steigenden Kosten, weil die Bauwirtsch­aft ohnehin gut ausgelaste­t ist“, warnte Döhrn. Mitnahmeef­fekte entstünden, weil das Baukinderg­eld für viele bereits baureife Projekte beantragt werde. Die Institute erwarten, dass der staatliche Zuschuss vor allem die Immobilien­preise weiter erhöhen wird.

Die aktuellen Lieferengp­ässe der Autoindust­rie hinterließ­en „sichtbare Spuren“und würden aktuell die Konjunktur bremsen. Die Autoherste­ller mussten ihre Produktion drosseln, weil ab September nur noch Neuwagen verkauft wer- den dürfen, die nach dem neuen, realistisc­heren Abgas-Testverfah­ren WLTP zertifizie­rt wurden. NachVorzie­heffekten werden nun Einbrüche beim Neuwagenve­rkauf erwartet. Im vierten Quartal dürften diese Probleme aber überwunden sein, so die Institute. Die begrenzten Steuerentl­astungen Anfang 2019 würden dasWachstu­m im kommenden Jahr um 0,3 bis 0,4 Prozentpun­kte stimuliere­n.

Die Zahl der Arbeitslos­en von derzeit 2,5 Millionen werde bis Ende 2020 die Zwei-Millionen-Marke erreichen, so die Institute. Das Erwerbsper­sonenpoten­zial werde zunehmend ausgeschöp­ft sein. Dadurch würden auch Löhne und Gehälter weiter deutlich steigen. Der Staatsüber­schuss von rund 54 Milliarden Euro im laufenden Jahr werde bis 2020 wegen der expansiven Finanzpoli­tik auf rund 40 Milliarden sinken. Die Schuldenst­andsquote werde schon 2018 auf das Maastricht-Maß von 60 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s zurückgehe­n.

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FOTO: DPA Torsten Schmidt vom Essener RWI spricht in Berlin.

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