Italien debattiert Euro-Ausstieg
Die Regierungspartei Lega spekuliert über eine eigene Währung. Das alarmiert die Anleger in Europa ebenso wie die neuen Schulden, die Italiens Regierung plant. Die Zinsen für Staatsanleihen steigen kräftig. Italiens Banken halten viele Staatsanleihen
ROM (rtr) Das hochverschuldete Italien geht im Streit um seine Staatsausgaben auf Konfrontationskurs mit den Euro-Partnern. Die Regierung werde ihr Defizitziel von 2,4 Prozent für 2019 nicht herabsetzen, sagte Vize-Regierungschef Luigi Di Maio. „Wir werden keinen Millimeter weichen.“Er warf Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vor, den Sturz seiner Regierung zu wünschen. Sein Kabinettskollege Matteo Salvini (Innenminister) warf EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vor, die Finanzierungskosten für das Land mit Angriffen in die Höhe getrieben zu haben. Italien werde dafür Schadenersatz verlangen.
An den Finanzmärkten kamen angesichts der Entwicklung Sorgen vor einer neuen Euro-Schuldenkrise auf. Der Dax verlor bis zu ein Prozent, an der Mailänder Börse ging es um bis zu 1,4 Prozent bergab. Die Renditen italienischer Anleihen stiegen: Die Verzinsung zehnjähriger Titel ereichte mit 3,44 Prozent den höchsten Stand seit März 2014. Eine Rettung des Landes wie einst in Griechenland wäre wegen der schieren Größe nicht möglich, Italien ist die Nummer drei der Euro-Zone.
Für Verunsicherung am Markt sorgten auch Äußerungen desWirtschaftsexperten Claudio Borghi von der Regierungspartei Lega, wonach Italien die meisten seiner Probleme lösen könnte, wenn es eine eigeneWährung hätte. Allerdings plane Italien keinen Abschied aus der Euro-Zone, auch wenn der Euro keinen Schutz vor Spekulation biete. Borghi widersprach damit EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici, der sagte, Italien wisse, dass es durch den Euro geschützt werde. Italiens parteiloser Regierungschef Giuseppe Conte reagierte alarmiert und betonte: „Der Euro ist unsere Währung, und sie ist für uns unverzicht- bar.“Andere Einschätzungen seien als beliebige Meinung zu betrachten, die nichts mit der Politik der Regierung zu tun habe. Conte betonte, er beginne einen Dialog mit den EU-Behörden über den Haushalt und sei zuversichtlich, dabei die Stichhaltigkeit der Haushaltspläne für 2019 darlegen zu können. Rom will mit dem Geld vor allem Wahlversprechen einlösen und ein Grundeinkommen finanzieren. Salvini sagte, Priorität der Regierung sei es, die Grundbedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen. Man setze darauf, dass dank höherer Investitionen die Wirtschaft stärker wachse und damit die Verschuldung sinke.
Auch in Frankreich nimmt die Regierung von Präsident Macron für Steuersenkungen ein höheres Defizit von 2,8 Prozent in Kauf, knapp unter den drei Prozent, die laut Euro-Regeln erlaubt sind. Italien bleibt mit 2,4 Prozent in den kommenden drei Jahren sogar noch weiter unter dieser Grenze. Der Fehlbetrag der Euro-Kurs Am Devisenmarkt rutschte der Euro um ein halbes Prozent auf 1,15 Dollar ab.
Bankaktien Die Titel von Unicredit, Banco BPM und Ubi Banca sackten um je mehr als drei Prozent ab. Eine mögliche Herabstufung des Italien-Ratings hätte für sie Folgen, da sie viele italienische Staatsanleihen halten. Regierung aus populistischer 5-Sterne-Bewegung und rechter Lega ist aber dreimal so hoch wie der der Vorgängerregierung. Zudem soll das strukturelle Defizit steigen, was den EU-Regeln zuwider läuft.
Der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, betonte, die Haushaltsregeln der Europäischen Union müssten auch in Italien gelten. Das Land habe ohnehin von Flexibilität der EU profitiert. Die Euro-Finanzminister hatten Roms Ausgabenpläne bereits am Montag als zu hoch kritisiert.
Die EU-Kommission sorgt sich vor allem um die hohe Verschuldung des Landes. Italien sitzt auf einem Schuldenberg von 131 Prozent der Wirtschaftsleistung, mehr als doppelt so viel wie erlaubt. Nur Griechenland, das mehrere Milliarden-Kreditprogramme durchlief, ist noch höher verschuldet. Schon jetzt habe Italien die höchsten Kosten für den Schuldendienst und müsse deswegen handeln, sagte Dombrovskis.