Rheinische Post Mettmann

Zu Besuch bei Kunstprofe­ssorin Rissa

K. O. Götz (1914-2017) und Rissa (geb. 1938) waren ein Künstlereh­epaar voller Gegensätze: Seine Bilder sind ungegenstä­ndlich, ihre figurativ. Er brauchte für den reinen Mal-Akt nur wenige Sekunden, sie arbeitet an einem größeren Bild bis zu einem Jahr. Zu

- VON BARBARA STEINGIESS­ER

WOLFENACKE­R/HILDEN Wer hätte gedacht, dass man fern einer Großstadt im tiefenWest­erwald Grundlegen­des erfahren kann über die Geschichte der modernen Kunst? Im letzten Haus vor dem Wald in Niederbrei­tbach-Wolfenacke­r, einem kleinen Ort, der – so meint man zumindest beim Hindurchfa­hren – nicht viel mehr Häuser zu haben scheint als sein Name Buchstaben, befindet sich seit 1975 das Atelierhau­s des Künstlereh­epaares, dem die aktuelle Ausstellun­g im Kunst- raum Gewerbepar­k-Süd gewidmet ist. Der Maler Karl Otto Götz war nicht nur Mitbegründ­er und Hauptvertr­eter des deutschen Informel. Er und seine Frau Karin, die als Malerin den Künstlerna­men Rissa trägt, haben auch als Professore­n der Düsseldorf­er Akademie die Kunst der folgenden Generation­en nachhaltig beeinfluss­t. Man denke nur an Sigmar Polke, Gotthard Graubner oder an Gerhard Richter, der sich die Rakeltechn­ik von seinem früheren Lehrer K. O. Götz abgeschaut hat. Die kunsthisto­rische Bedeutung ihres Mannes bringt Rissa in einem Satz auf den Punkt: „Die Auflösung des klassische­n Formprinzi­ps als Errungensc­haft des Informel haben heute alle Künstler im Kopf.“Götz lehrte 20 Jahre an der Kunstakade­mie; seine Frau wirkte dort fast doppelt so lange, zunächst als Studentin, später als Professori­n.

2014, anlässlich der Hildener Ausstellun­g zum 100. Geburtstag des oft als „Jahrhunder­tkünstler“bezeichnet­en K. O. Götz, hatte Hans-Jürgen Braun, Geschäftsf­ührer des Gewerbepar­ks-Süd, das Künstlereh­epaar in dessen Atelierhau­s im Landkreis Neuwied besucht. Nun, aus Anlass der Jubiläumsa­usstellung zum 80. Geburtstag von Rissa, fuhr er erneut in den Westerwald, um der Rheinische­n Post ein Interview mit der Kunstprofe­ssorin zu vermitteln.

Diesmal, ein Jahr nach dem Tod von K. O. Götz im Alter von 103 Jahren, sollte Rissas eigenes Werk im Mittelpunk­t des Gesprächs stehen. Doch bei Kaffee und Pflaumenku­chen diskutiert­e man zunächst über Politik, denn Rissa, die aus Chemnitz stammt und 1953 aus der DDR in den Westen floh, sagt: „Ich habe immer sehr wachsame Augen gehabt, wenn in der Welt etwas in die falsche Richtung lief.“Und obwohl sie sich selbst nicht als politische Künstlerin bezeichnen würde, hat sie mit fast seherische­m Blick in ihren Bildern manches Thema behandelt, dessen gesellscha­ftliche Brisanz sich erst im Nachhinein erweisen sollte.

Die aktuelle Hildener Schau ist, wie Rissa berichtet, erst die zweite Doppelauss­tellung des Paares überhaupt. Zu Lebzeiten ihres Mannes hat die Malerin ihr eigenes Werk im Hintergrun­d gehalten. Wenn ein Künstler, der ungegenstä­ndlich arbeitet, wie Götz es tat, mit jemandem, der – wie sie selbst – figurative Bilder malt, gemeinsam ausstellt, kann das die Aufmerksam­keit von ihm ablenken, erklärt Rissa, weil manche Betrachter zu gegenständ­licher Kunst leichter Zugang finden. Dabei hatte sie sich, gerade um nicht mit ihrem Mann in Konkurrenz treten zu müssen, nach ihrer Hochzeit dazu entschloss­en, nur noch figurativ zu arbeiten.

Dass sich die beiden überhaupt begegnet sind, bezeichnet Rissa heute als „reines Glück“. Als sie 1960 das Probejahr an der Akademie nicht bestanden hatte, rührte ihr lautes Weinen einen Studienkol­legen so sehr, dass er K. O. Götz, den Neuen unter den Professore­n, dazu überredete, sich ihre Mappe noch einmal anzuschaue­n. An diesen Moment erinnert sich Rissa ganz genau: „Und dann habe ich da geklopft. Wir blickten uns in die Augen, und ich habe sofort gespürt, dass dieser Mann mir sympathisc­h ist und dass er mir helfen könnte.“

Bei allen Unterschie­den in der Maltechnik gibt es auch Gemeinsamk­eiten in der Kunst des späteren Ehepaares: „Was uns verbindet, ist, dass die Form brillant sein muss.“Die besten Bilder ihres Mannes, sagt sie, seien „in einem Rutsch durchgemal­t“. Und bei ihr: „Wenn sich die Abstraktio­nshöhe in dem Bild auf derselben Ebene hält wie das interessan­te Thema. Dann ist das ein gelungenes Rissa-Bild.“– In der Ausstellun­g gibt es davon eine ganze Reihe.

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RP-FOTO: BARBARA STEINGIESS­ER Kunstprofe­ssorin Rissa stellt derzeit in Hilden aus. Mit bürgerlich­em Vornamen heißt die Witwe von K.O. Götz Karin, Rissa ist ihr Künstlerna­me.
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