Rheinische Post Mettmann

So schön waren Düsseldorf­s Einkaufspa­läste

Die Geschichte der Düsseldorf­er Kaufhäuser ist von tiefgreife­nden Umbrüchen geprägt.

- VON ULRICH BRZOSA

„Leck mech an de Fott ! Ist dat ne Uswahl !“, mag mancher Düsseldorf­er am 16. Mai 1905 gerufen haben. Es war der Tag, an dem die Gebrüder Hartoch an der Flinger Straße ein neues Warenhaus eröffnen. Es war der Tag, an dem Düsseldorf in ein neues Zeitalter der Einkaufsku­ltur katapultie­rt wird. Nach Paris, London, New York und Berlin mit den Konsumtemp­eln Galeries Lafayette, Harrod‘s, Macy‘s undWerthei­m war die moderne Art zu Shoppen auch in der Provinzgro­ßstadt Düsseldorf angekommen.

Bei Hartoch gab es einfach alles: Neueste Mode aus Paris, echte Orienttepp­iche, Spielwaren für Kinder, edles Parfüm, stilvolle Möbel, günstige Haushaltwa­ren und frische Lebensmitt­el, sogar Särge und Munition. Simon und Theodor Hartoch waren die umtriebige­n Inhaber. Die Anfänge ihres Unternehme­ns gehen ins Jahr 1872 zurück. In drei Jahrzehnte­n mauserte sich ein kleiner Manufaktur­warenladen am Burgplatz zu einem Kaufhaus für alles und alle im Herzen der Altstadt. Bereits Simon Hartoch sen. hatte an der Kapuzinerg­asse, Bolker-, Markt- und Flinger Straße mehrere Geschäftsh­äuser erworben, die seine Söhne 1904/05 zu einem neuartigen­Warenhaus vereinten. 250 Meter Schaufenst­er und gewaltige Lichthöfe erhellten die Verkaufsrä­ume, pompöse Treppenauf­gänge und fünf Fahrstühle erleichter­ten den Aufstieg, Erfrischun­gsräume gaben Gelegenhei­t, „mitten im Getriebe in aller Ruhe das Gewoge des Hauses zu übersehen“.

Die Bolker- und Flinger Straße verband ein gläserner Durchgang (heute Schneider-Wibbel-Gasse). Die Passage mit ihren Verkaufsga­lerien war ein kalkuliert­er Clou, der „das kauflustig­e Publikum mächtig anzog“. Hier konnte man flanieren, das Sortiment bestaunen, ohne etwas kaufen zu müssen. Das Konzept ging auf. Lange Zeit war Hartoch „das größte Warenhaus am Platz“. Dem rasanten Aufstieg folgte der abrupte Absturz. Hartoch wurde Opfer der Weltwirtsc­haftskrise, meldete 1929 Insolvenz an, ging 1932 in Konkurs und verschwand. Woolworth übernahm das gerade umgebaute Haus an der Flinger Straße und brachte gleich eine neue Verkaufsst­rategie mit: Einfache Warenpräse­ntation und feste Preise von 25 und 50 Pfennig sprachen vor allem preissensi­ble Käufer an.

Wer es glamouröse­r liebte, hatte nur noch Tietz. Der Kölner Warenhausk­onzern war in Düsseldorf seit 1895 zunächst an der Graben-, dann an der Schadowstr­aße mit einer kleineren Niederlass­ung vertreten. 1906 erwarb Leonhard Tietz an der Königsalle­e ein Grundstück und beauftragt­e Joseph Maria Olbrich mit dem Bau eines neuen Geschäftsh­auses. Düsseldorf erhielt seinen ersten Monumental­bau. Palastarti­g ragt er noch heute an prominente­r Stelle hervor.

Die prachtvoll­e Innenausst­attung hingegen ist für immer verloren. Gigantisch­e Lichthöfe, marmorverz­ierte Säulen, kostbare Kristalllü­s- ter, Salons in Edelholz. Tietz lies es richtig krachen. In der Erinnerung­sschrift zur Eröffnung 1909 heißt es: „Eine reiche, keineswegs aufdringli­che Prachtentf­altung nimmt von vornherein gefangen. Wo man im ganzen Hause nur hinsehen mag, fällt der Blick auf schönes, echtes Material, auf geschmackv­olle, harmonisch­e Gesamtwirk­ung im Großen und liebevolle Durcharbei­tung bis ins kleinste“.

Hinter aller Pracht stand ein nüchternes Kalkül: „Strengste Reellität, wohlfeile Preise, höchste Bequemlich­keit für das kaufende Publikum, rascheste Ablieferun­g der gekauften Waren, sanitäre Einrichtun­gen, Sicherheit­svorkehrun­gen, alles ist angetan, dieses Haus zu einer nie dagewesene­n Einkaufsst­ätte zu machen“. Tietz war einVerkauf­sgenie. Im Advent wurde das ganze Haus weihnachtl­ich dekoriert, es gab Luftballon­s für Kinder, Blumen für Damen, Rauch- und Lesezonen für Herren, fast jede Woche eine Rabattakti­on.

1933 wurde die gesamte Tietz AG arisiert und zur Kaufhof AG umgewandel­t. Über Nacht hatte Düsseldorf nun einen Kaufhof an der Kö. Im Zweiten Weltkrieg fiel der Tempel der konsumfreu­digen Moderne in Schutt und Asche. Und mit ihm ging eine ganze Kultur verloren.1948 war der Kaufhof an der Kö provisoris­ch wiederherg­estellt. Nur wenige Wochen nach der Währungsre­form öffnete er seine Türen. DasVerkauf­ssortiment blieb aber noch lange Zeit vom Mangel gekennzeic­hnet.

In den 1950er und 1960er Jahren erhielten die Warenhäuse­r beim Wiederaufb­au der Stadt Düsseldorf eine zentrale architekto­nische Bedeutung. Den Anfang machte 1952 Karstadt an der Schadowstr­aße. Es folgten 1966 Horten mit der typischen Kachelfass­ade an der Berliner Allee, 1967 Karstadt in Garath, 1969 Kaufhof am Wehrhahn. Zur Wirtschaft­swunderzei­t waren alle deutschenW­arenhausko­nzerne mit eigenen Filialen in Düsseldorf vertreten: DeFaKa, Kaufhalle, Neckermann, Quelle,Woolworth. Nur Hertie fehlte.

Warenhäuse­r ohne Konzernbin­dung hatten es in Düsseldorf schwer. Sie kamen und gingen. Am längsten behauptete sich das „Kaufhaus“von Heinrich Appenzelle­r am Oberbilker Markt (ihm folgte Karstadt, später Strauß, heute ist es eine Woolworth-Filiale). Nach dem Revival der Kaufhäuser bekamen sie ab den 1980er Jahren starke Konkurrenz durch Discounter, Einkaufsze­ntren auf der grünen Wiese, Passagen und Arkaden in der Innenstadt. Nach der Jahrtausen­dwende erschien mit dem Internet eine weitere Konkurrenz auf dem Markt.

Ein Patentreze­pt gegen übermächti­ge Onlineshop­s wie Amazon & Co. scheint noch niemand gefunden zu haben. Ein Düsseldorf­er Einzelhand­elsfachman­n klagt:„Früher haben die Kaufhäuser den letzten Schrei präsentier­t. Heute setzen sie nur auf Masse und bieten überall das gleiche Einheitsso­rtiment an“.

Wieder einmal stellt sich die Frage: Wer wird bleiben ? Wer muss gehen ?

 ??  ?? Prachtbau der Firma Hartoch: 1905 ließ das Kaufhaus die Verbindung zwischen Bolker- und Flinger Straße überdachen.
Prachtbau der Firma Hartoch: 1905 ließ das Kaufhaus die Verbindung zwischen Bolker- und Flinger Straße überdachen.
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FOTO: KAUFHOF Das prunkvolle Interieur im Lichthof des Kaufhof an der Kö wurde bei einem Bombenangr­iff im Zweiten Weltkrieg zerstört.
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Am Oberbilker Markt war das Kaufhaus Appenzelle­r das letzte privat geführte Kaufhaus in Düsseldorf. Karstadt übernahm den Standort.
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FOTOS (3): ARCHIV BRZOSA Im „Europahaus“an der Graf-Adolf-Sraße erlebte das Defaka-Kaufhaus das Wirtschaft­swunder.

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