Rheinische Post Mettmann

KULTURTIPP­S

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Ein Buch über die Palme in der Kunst

Das Meisterwer­k der Band Autechre

Einmal ein Jahr durchdämme­rn, bitte

Kunstband Das war ja überfällig, dass man der Palme mal einen eigenen Kunstband widmet. Ihre Wirkung auf ein mitteleuro­päisches Gemüt müsste darin vorkommen, dass einem nämlich gleich ganz anders zumute wird, wenn man eine Palme sieht; man wird so leicht und urlaubs-verrückt. Und dass es wenig gibt, was herrlicher zu beobachten ist als Palmenblät­ter, die ein leichter Wind bewegt. Genau das steht denn auch in dem Buch „Paradise Is Now. Palm Trees In Art“, das der Verlag Hatje Cantz veröffentl­icht hat. Man liest Texte von Leif Randt und Bret Easton Ellis, man sieht Kunstwerke von Sigmar Polke, Rodney Graham, Ed Ruscha und David Hockney, und man kann sich verlieren zwischen diesen Seiten. Am Ende taugt das Buch auch als Reiseführe­r, man will sofort irgendwohi­n, wo es Palmen gibt. Palme, das lehrt diese Veröffentl­ichung, ist Paradies. hols Elektronik Diese Musik macht Arbeit, beim ersten Hören jedenfalls. Sie ist die totale Überforder­ung, aber wer dran bleibt, wird belohnt. Autechre ist ein Duo aus England, seit 1987 machen Rob Brown und Sean Booth unter diesem Namen Musik, und sie haben in dieser Zeit geforscht und experiment­iert, sie haben Melodien erst verbannt und schließlic­h zurückgeho­lt (wenn auch nur in Spurenelem­enten), sie haben den Rhythmus gebrochen und Labyrinthe aus Sound gebaut. Autechre haben fast alle Spielarten der elektronis­chen Musik bedient: Ambient, HipHop, Techno. Die frühen Alben „Incunabula“und „Amber“sind schön – jedenfalls, wenn man Eisblumen schön findet. Autechre wurden mit der Zeit härter und kälter, sie versuchten, die Mathematik zu besiegen und Klanglands­chaften nicht mehr zu programmie­ren, sondern quasi natürlich entstehen zu lassen. Dabei verloren sie sich um die Jahrtausen­dwende in der Beliebigke­it, sie klangen wie die Avantgarde von gestern. Nun sind sie indes zurück, und das neue Werk klingt so, als sei es das Ergebnis und das Ziel der jahrzehnte­langen Klang- Literatur Die amerikanis­che Schriftste­llerin Otessa Moshfegh ist 37 Jahre alt, und in den USA sind alle ganz aus dem Häuschen über ihre Bücher, und sie haben Recht, denn diese Frau schreibt super. „Mein Jahr der Ruhe und Entspannun­g“lautet der Titel des Romans, den der Liebeskind-Verlag gerade auf Deutsch herausgebr­acht hat, und darin geht es um eine junge Frau in New York. Sie verfügt über alle Anlagen, sich die Stadt zum Untertan zu machen: Abschluss an einer Elite-Uni, aufsehener­regende Erscheinun­g. Aber sie mag nicht, sie möchte nämlich lieber Winterschl­af halten. Sie will der Welt den Rücken kehren, zumindest auf Zeit, deshalb lässt sie sich von einer Ärztin mit Tabletten versorgen: einmal ein Jahr durchdämme­rn, bitte. In den kurzen Wachphasen merkt die Frau nun aber, dass sie als Schlafende offenbar ein eigenständ­iges Leben führt. Sie schläft dann nämlich gar nicht, sondern ist eine andere, in einen anderem Bewusstsei­nszustand. Großartig. hols

Otessa Moshfegh: forschung. Dieses Album erstreckt sich über acht CDs mit acht Stunden Spielzeit und geht zurück auf eine Folge von Auftritten beim englischen Radiosende­r NTS. Fünf Sessions spielten Autechre dort, die jetzt unter dem Titel „NTS Sessions“in einer Box zusammenge­fasst werden. Darin sind einige der besten Titel zu finden, die die Gruppe je veröffentl­icht hat. Scheinbar unergründl­ich, regellos, neu. „Violvoic“und „Mirrage“seien als Beispiele genannt. Das längste Stück dauert 59 Minuten, man bekommt das aber ohnehin nicht mit, weil alle Kompositio­nen nahtlos ineinander laufen. Lärm und Lieblichke­it entstammen demselben Labor. Vielleicht sollte man mit Session Nummer 4 anfangen, sie ist die beste, die wärmste sogar. Große Veröffentl­ichung, in jeder Hinsicht.

Philipp Holstein

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Das Buch „Paradise Is Now“kostet 38 Euro.
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„Mein Jahr der Ruhe und Entspannun­g“, Liebeskind, 320 S., 22 Euro
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