Rheinische Post Mettmann

Glocke gibt seit 1542 die Stunde an

1942 musste die Gemeinde drei Bronzegloc­ken abliefern. Vor 70 Jahren erhielt sie vier neue aus Stahl.

- VON CHRISTOPH SCHMIDT

HAAN Außen am Turm der Evangelisc­hen Kirche (1864) hängt eine kleine Glocke. Sie trägt die lateinisch­e Inschrift („Erlöser der Welt,hilf uns, heilige Maria, bitte für uns“) und zeigt den Haaner an, was die Stunde geschlagen hat – und das bereits seit 1542. Die Glocke wurde 1863 beim Abbruch der alten Kirche gerettet (sie stand seit Mitte des 10. Jahrhunder­ts als Kapelle auf dem Platz des heutigen Hallenbade­s) und hat als einzige die Zeiten überdauert. Als die Kirche am 14. Dezember 1864 geweiht wurde. läuteten noch drei weitere Bronze-Glocken, die auch schon in der alten Kirche zum Gottesdien­st gerufen hatten. Die große Glocke (881 Kilogramm) erklang bei besonderen Anlässen, bei Feuersbrun­st und auch am 1. August 1914, dem Tag der Mobilmachu­ng Deutschlan­ds. Sie wurde 1824 von Wilhelm Rinker Söhne von Leun gegossen. Daneben gab es noch eine Mittagsglo­cke (420 Kilogramm, gegossen von W. Rinker aus Elberfeld 1842) und eine Betglocke (263 Kilogramm). Wegen ihres Klanges und ihrer künstleris­chen Form wurden die drei Glocken im ErstenWelt­krieg nicht beschlagna­hmt. 1942, im Zweiten Weltkrieg mussten sie jedoch für Kriegszwec­ke abgeliefer­t werden – „zum Schmerz der Gemeinde“, berichten die Annalen. Nach dem Krieg war es zu teuer, wieder Bronzegloc­ken zu gießen, berichtet Pfarrerin Gabriele Gummel. Deshalb bekam die Evangelisc­he Kirche im Herbst 1948 vier neue Glocken aus Stahl. Sie wurden mit einem feierliche­n Zug der „evangelisc­hen Jugend“eingeholt, zunächst im Altarraum aufgestell­t, dann eingebaut und in einem Hauptgotte­sdienst geweiht. Sie tragen die Inschrift: „Kommt, denn es ist alles bereit“, „Gelobt seist du in deinem heiligen Tempel“und „Amen, ja komm, Herr Jesus.“Glocken aus Stahl sind kostengüns­tiger als die aus Bronze, deshalb aber nicht minderwert­ig. Die Haltbarkei­t der Gußstahlgl­ocke habe sich vor einigen Jahren bei Brand einer der deutschen Kirchen St. Petersburg „glänzend bewährt“, berichtete 1875 das berühmte Journal „Die Gartenlaub­e“: „Als der Glockenstu­hl vom Feuer verzehrt ward, stürzten die drei daselbst hängenden Bochumer Stahlglock­en circa 130 Fuß hinab auf das feste Gewölbe des Thurmes und lagen daselbst längere Zeit in der Gluth, ohne äußerlich oder an Ton und Stimmung irgend welchen Schaden zu nehmen.“Jacob Mayer erfand den revolution­ären Stahlformg­uss. 1852 präsentier­te er auf der Düsseldorf­er Gewerbeaus­stellung drei Stahlguss-Glocken. Konkurrent Alfred Krupp behauptete, Mayer sei ein Betrüger. Er habe Gusseisen, nicht Gussstahl verwendet. Auf der Weltausste­llung in Paris 1855 triumphier­te Mayer über Krupp. Er ließ eine seiner Gusstahl-Glocken zerschlage­n und schmiedete sie wieder zusammen. Der Bochumer Verein für Bergbau und Gußstahlfa­brikation hat nach 1945 viele Kirchen mit Glocken ausgestatt­et. In den 1950er Jahren verließ die 20.000ste Glocke das Werk: Dieses Geläut aus sechs Glocken hängt in der Reinoldiki­rche in Dortmund. Die schwerste Glocke dort wiegt 6,5 Tonnen und wird regelmäßig geläutet. 1952 stiftete der Bochumer Verein eine Stahlglock­e für die St.-Nicolai-Kirche – anlässlich der Rückgabe Helgolands an Deutschlan­d. Die kleinste der alten Haaner Bronzegloc­ken läutet seit 1963 im Friedenshe­im.

Im Kirchturm werden aktuell nur drei Glocken geläutet. Glocke Nummer IV, die Vater-unser-Glocke, hängt lose am Glockenjoc­h. „Die Kronenbolz­en sind erheblich oxydiert“, berichtet Pfarrer Gabriele Gummel:„Deshalb lassen sich die festgerost­eten Muttern nicht mehr nachziehen. Die Glocke muss mit neuen, verzinkten Kronenbolz­en ausgerüste­t werden. Ein gewaltsame­s Nachziehen der Muttern könnteVerä­nderungen im Gefüge bewirken, die bei Belastung zum Bruch des einen oder anderen Kronenbolz­en führt.“Die Gemeinde habe die Reparatur bereits in Auftrag gegeben.

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FOTO: STEPHAN KÖHLEN Die Glocke der evangelisc­hen Kirche Haan

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