Kritik an Papst-Wort zu Abtreibung
Politiker reagieren empört auf die Einstufung von Abtreibung als Auftragsmord. Das verkehre die Notlage von Frauen in Schwangerschaftskonflikten. Eine Reform des Paragrafen 219a soll bald kommen.
BERLIN Papst Franziskus hat mit seinem Vergleich von Abtreibungen mit Auftragsmorden breite Empörung in Deutschland ausgelöst – für Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) bedeutet das sogar eine Kriminalisierung von Frauen. Der Religionsbeauftragte und stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Hermann Gröhe, sagte unserer Redaktion, es könne zwar nicht verschwiegen werden – erst recht nicht von den Kirchen –, dass in Deutschland hunderttausendfach ungeborene Kinder getötet würden. „Wer aber in schwerwiegenden Konfliktlagen zum Ja zum Kind ermutigen will, sollte betroffene Frauen nicht in die Nähe der Killer-Beauftragung rücken.“
Giffey erklärte, ein Konflikt mit einer Schwangerschaft sei eine absolute Ausnahmesituation für Frauen. „Sie brauchen unsere Hilfe und Unterstützung – nicht Kriminalisierung. Diese Frauen als Auftragsmörderinnen zu stigmatisieren, ist absolut inakzeptabel.“Keine Frau mache sich eine solche Entscheidung leicht. Darum müssten Frauen alle Informationen bekommen, die sie in einer solchen Situation brauchen. „Es geht um Beratung, Hilfe und Unterstützung. Anschuldigungen und Beleidigungen sind der falsche Weg. Unsere Aufgabe als Gesellschaft ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Frauen wirklich helfen. Dazu gehören Menschen, die kompetent Rat geben, zu Wegen aus der Krise.“
Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) zeigte sich zuversichtlich, dass die Bundesregierung zeitnah einen Reformvorschlag für den Paragrafen 219a zum Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche machen werde. „Ich bin optimistisch, dass wir noch in diesem Herbst mit der Union eine gemeinsame Lösung finden“, sagte Barley unserer Redaktion.
Am Freitag verhandelt das Landgericht Gießen über die Berufung der Ärztin Kristina Hänel. Im vergangenen November war sie zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil sie auf der Internetseite ihrer Arztpraxis über Schwangerschaftsabbrüche informiert hatte. Die Richter sahen darin unerlaubteWerbung für Abtreibungen.
Das Urteil löste eine bundesweite Debatte aus, die Regierung ringt seitdem um Reformvorschläge.„Die Verfahren zu Paragraf 219a zeigen, dass Ärztinnen und Ärzte dringend Rechtssicherheit brauchen“, sagte Barley. „Es geht nicht um Werbung, sondern allein um sachliche Information über Schwangerschaftsabbrüche.“
Die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion und Vorsitzende der Frauen-Union (CDU), Elisabeth Winkelmeier-Becker, mahnte aber: „Paragraf 219a gehört für uns unverzichtbar zum staatlichen Schutzkonzept.“Das gelte unabhängig vom Ausgang des Berufungsverfahrens. Das Bundesverfassungsgericht habe den Staat verpflichtet, das Lebensrecht und die Menschenwürde des Kindes von Anfang an effektiv zu schützen. Das sei das Ziel der Beratung, die aber ergebnisoffen sei. „Mit dieser Zielrichtung der Beratung für das Leben ist eineWerbung, die Abtreibungen als normale medizinische Leistung darstellt, nicht vereinbar.“
DieVizevorsitzende der Linksfraktion, Cornelia Möhring, sprach von einer drohenden Kriminalisierung von Medizinern durch den Paragrafen 219a. Die Ärzte informierten lediglich über eine nicht verbotene medizinische Leistung. Leitartikel, Politik