Rheinische Post Mettmann

„Die meiste Zeit war ich zugeknallt“

Der als „jüngstes Crash-Kid der Republik“und „Brummi-Andi“einschlägi­g bekannte Andreas B. muss sich erneut vor Gericht verantwort­en – wegen 72 Straftaten. Am ersten Verhandlun­gstag ging es um seine Lebensgesc­hichte.

- VON CLAUDIA HAUSER

AACHEN Andreas B. war ein 14 Jahre alter Junge, als er im März 2000 in den Niederland­en mit einem gestohlene­n Sattelschl­epper eine Absperrung durchbrach und einen Polizisten überrollte. Der 35-jährige Vater zweier Kinder starb. Und der schmächtig­e Junge aus Monheim, der als „jüngstes Crash-Kid der Republik“und „Brummi-Andi“schon oft in die Schlagzeil­en gelangt war, kam nach etlichen Heimaufent­halten erstmals ins Gefängnis.

Inzwischen ist das Crash-Kid ein 33 Jahre alter Mann, der sagt: „Ich war mehr als zehn Jahre im Knast. Die restliche Zeit hab ich meistens zugeknallt auf diesem Planeten verbracht.“Es ist die Antwort auf die Frage des Vorsitzend­en Richters,

Vater war aber als Lkw-Fahrer immer unterwegs, „der kam sonntags zum Duschen und Schlafen“, sagt B. Mit elf Jahren fing er an, Fahrräder und Mopeds zu stehlen. Vom Vater habe er sich bald „verraten und verkauft“gefühlt, weil der nicht zu ihm gehalten habe. „Ich bin bestimmt 100 Mal von zu Hause weggelaufe­n.“

Etwa elf Jahre sei er gewesen, als er das erste Mal einen Lastwagen fuhr. Das Reden mit seinem Vater über Autos sei „der einzige Kanal gewesen, über den wir beide kommunizie­rt haben.“B. war zu diesem Zeitpunkt schon in mehreren Heimen, haute ab, lebte auf der Straße, kam wieder nach Hause. „Ich wollte zu meiner Mutter, aber die sagte, das ginge erst, wenn ich bei meinemVate­r so richtig Scheiße baue“, sagt B. Also habe er seinem Vater den Lkw geklaut für eine Spritztour. Der gab das Sorgerecht freiwillig ab. B. kiffte mit der Mutter – und fuhr immer wieder mit gestohlene­n Lastwagen durch die Gegend.

1999 schickte das Jugendamt den 13-Jährigen nach La Gomera, eine „erlebnispä­dagogische Maßnahme“. Der Junge klaute das Auto einer Betreuerin und wollte damit nach Teneriffa abhauen. An der Fähre schnappten Polizisten ihn. „Ich habe dann ein kleines Boot im Hafen geklaut, bin zwei oder drei Wochen auf Teneriffa untergetau­cht.“Sein Vater habe sich auf die Suche nach ihm gemacht – mitsamt einem Kamerateam eines Privatsend­ers, das ihm dafür Tausende Euro bezahlt habe. Andreas B. war da längst als „Brummi Andi“bekannt.

Zurück in Deutschlan­d klaute B. das nächste Auto und fuhr mit einem Kumpel nach Frankreich. Die Polizei habe sie an einer Raststätte in Frankreich festhalten wollen. B. setzte sich in das Auto einer Frau, die den Schlüssel während des Bezahlens hatte stecken lassen. Der 13-Jährige fuhr zurück nach Deutschlan­d, zur Mutter nach Düsseldorf.

Mit einem anderen Kumpel nahm B. wenige Monate später das Auto dessen Vaters, es ging nach Holland auf einen Campingpla­tz. „Das Auto stand im Halteverbo­t und wurde abgeschlep­pt“, sagt er. B. nahm sich den nächsten Lastwagen – und verursacht­e damit den tödlichen Unfall. Vier Jahre sollte der gerade erst strafmündi­ge Junge dafür ins Gefängnis, es wurden sieben Jahre, nachdem er wegen Vergewalti­gung eines Mithäftlin­gs schuldig gesprochen wurde.

2016 wurde er zuletzt aus der Haft entlassen, seit Anfang Februar ist er wieder im Gefängnis. Wie eine Zukunft aussehen kann, will der Vorsitzend­e Richter wissen. B. schweigt. Dann sagt er: „Ich bin ziemlich runtergero­ckt. Wenn ich träumen darf, dann wäre mein Wunsch, dass ich ein guter Vater sein kann.“

Ein Urteil soll im November verkündet werden.

„Wenn ich träumen darf, dann wäre mein Wunsch, dass ich ein guter Vater sein kann“

Andreas B.

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