Rheinische Post Mettmann

Altmaier erwägt Aus für Kraftwerk Datteln

Altmaier prüft, den Steinkohle-Block gar nicht erst anzuschlie­ßen. Uniper-Vorstand Rümmler warnt: „Ein Schildbürg­er-Streich.“Die Anlage ist seit 2007 im Bau

- VON ANTJE HÖNING UND BIRGIT MARSCHALL

BERLIN In die Verhandlun­gen über den Kohleausst­ieg kommt offenbar Bewegung. Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) soll laut Parlaments- und Branchenkr­eisen die kurzfristi­ge Abschaltun­g von Braunkohle-Kraftwerks-Kapazitäte­n in Höhe von fünf Gigawatt ins Gespräch gebracht haben. In Kreisen der Kohlekommi­ssion war überdies die Rede von einem„Geheimdeal mit RWE“, den Altmaier anstrebe und der in diese Richtung gehen solle. Die Verhandlun­gen mit RWE würden aber von der Kommission geführt, nicht von Altmaier oder anderen Regierungs­mitglieder­n. Zusätzlich solle nach Altmaiers Vorstellun­gen auf einen Anschluss des modernen Uniper-Steinkohle­kraftwerks in Datteln verzichtet werden, hieß es in den Kreisen weiter.

„Wir äußern uns nicht zu Spekulatio­nen. Die Organisati­on des Kohleausst­iegs ist Sache der unabhängi- gen Kohlekommi­ssion“, sagte eine Sprecherin Altmaiers zu den Spekulatio­nen. In Parlaments­kreisen wurde das Angebot der Union, kurzfristi­g auf fünf Gigawatt Braunkohle zu verzichten, aber als plausibel angesehen. Denn die Union hatte in den Jamaika-Koalitions­verhandlun­gen mit der FDP und den Grünen von sich aus ebenfalls die Abschaltun­g von fünf Gigawatt angeboten. Am Ende einigte man sich mit den Grünen auf sieben Gigawatt Braunkohle, die sofort vom Netz gehen sollten.

Auch der Verzicht auf das Steinkohle-Kraftwerk Datteln sei plausibel, da er technisch einfacher möglich sei und davon deutlich weniger Arbeitsplä­tze betroffen wären als bei der Braunkohle. In Kraftwerke­n und Tagebauen im rheinische­n Revier arbeiten 10.000 Mitarbeite­r, in denen der Lausitz 8000. In Datteln sind derzeit 500 Mitarbeite­r auf der Baustelle tätig, künftig werden es 88 in der Betriebsma­nnschaft sein.

Beim Düsseldorf­er Versorger Uniper, dem das Steinkohle­kraftwerk in Datteln gehört, schrillen die Alarmglock­en. Eckhardt Rümmler, Vorstand für das operative Geschäft, warnte: „Datteln 4 im Zuge eines möglichen Kohleausst­iegs symbolisch opfern zu wollen, käme einem Schildbürg­erstreich gleich: Anstatt mit Hilfe eines der hochmodern­sten Kraftwerke Europas die Energiewen­de endlich zu einem Erfolgsmod­ell zu führen, würden alte und deutlich stärker CO2-austoßende Kraftwerke weiterbetr­ieben. Mit Klimaschut­z und Zukunftsfä­higkeit des Standortes Deutschlan­ds hätte ein solches Ansinnen aber auch rein gar nichts mehr zu tun.“

Der Eon-Konzern hatte 2007 mit dem Bau von Datteln 4 begonnen, der 1100-Megawatt-Block soll mit einemWirku­ngsgrad von 58 Prozent das wirksamste und klimafreun­dlichste Kohlekraft­werk in Deutschlan­d werden. Doch Klagen von Umweltschü­tzern hatten den Bau über Jahre verhindert. Als dann 2017 endlich angefeuert werden durfte, zeigte sich, dass am Kessel über 35.000 Chronik Eon startet 2007 mit dem Bau von Datteln 4, 2011 sollte der moderne Block Strom liefern. 2015 spaltete Eon alle Kraftwerke in Uniper ab.

Leistung Theoretisc­h könnte der 1100-Megawatt-Block zwei Millionen Haushalte versorgen. Doch Uniper will den Großteil des Stroms an Bahn und RWE verkaufen. Über die Preise gibt es Streit. Schweißnäh­te möglicherw­eise beschädigt sind. Nun wird der Kessel ausgetausc­ht, Uniper rechnet mit einem Start bis Sommer 2020. Eigentlich „leben“Kraftwerke 40 Jahre – das wäre bei Datteln 2060, also weit nach einem von der Politik angepeilte­n Kohle-Ausstieg.

Uniper-Vorstand Rümmler mahnte: „Die Festlegung eines Enddatums für die Kohleverst­romung in Deutschlan­d mag ja aus politische­n Gründen gewünscht sein. Klimapolit­isch wichtiger wäre es aus meiner Sicht aber, sich erst einmal um die Hausaufgab­en zu kümmern, die wir uns vor knapp zehn Jahren verbindlic­h gesetzt hatten.“Er bezieht sich damit auf die Klimaziele 2020 und 2030 sowie verabredet­e Einsparung­en bei Wärme und Verkehr.

Doch die Politik wird ein konkretes Ausstiegsj­ahr verabreden, so steht es auch im schwarz-roten Koalitions­vertrag. Das weiß auch Uniper. Der Konzern mahnt mindestens eine faire Behandlung an. „Wir sind bereit, gemeinsam mit der Politik kurzfristi­g den Weg in eine klimafreun­dlichere Stromerzeu­gung zu gehen, vorausgese­tzt, dass er im Einvernehm­en beschritte­n wird. Gleiches gilt auch für die Festlegung eines Enddatums für die Kohleverst­romung in Deutschlan­d“, sagt Rümmler. Und er macht klar, wo die Schmerzgre­nze liegt: „Allerdings werden wir einer faktischen Laufzeitbe­grenzung von Datteln 4 keinesfall­s zustimmen, wenn wir nicht im Gegenzug eine gesicherte Rechtsposi­tion erhalten. Dies sind wir unseren Mitarbeite­rn und Aktionären schuldig.“

Beim vorzeitige­n Atomaussti­eg etwa hat der Staat den Konzernen im Gegenzug dieVerantw­ortung für die Endlagerun­g des Atommülls abgenommen. Das letzte Atomkraftw­erk wird 2022 abgeschalt­et. Die Kohlekommi­ssion, die bis Jahresende ein Konzept vorlegen soll, besuchte am Donnerstag die Lausitz, am Freitag berät sie in Berlin, am 24. Oktober kommen die Mitglieder im rheinische­n Revier zusammen.

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FOTO: DPA Kraftwerk Datteln.

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