Rheinische Post Mettmann

Polens Rechtskons­ervative punkten mit Sozialpoli­tik

Die Kommunalwa­hlen Ende Oktober werden zum wichtigen Stimmungst­est: Die seit drei Jahren amtierende PiS-Regierung hat dabei beste Karten.

- VON ULRICH KRÖKEL

WARSCHAU Jaroslaw Kaczynski spricht gern Klartext. Und er schreckt dabei auch vor populistis­chen Parolen nicht zurück. Anhänger der Opposition beschimpft­e der Chef der regierende­n rechtskons­ervativen PiS-Partei einmal als „schlechtes­te Sorte von Polen“, denen der Verrat in die Gene eingeschri­eben sei. Kaczynski weiß aber auch, wie er die angeblich so abgehobene­n Eliten mit ihren eigenen Waffen schlagen kann. Der Richtersch­aft des Landes warf er zuletzt eine ausgeprägt­e„Oikophobie“vor. Der elitäre Begriff entstammt einer philosophi­schen Debatte und bezeichnet eine Abneigung gegen das eigene Volk. Kaczynski erläuterte es anders: „Es geht um den Hass auf die eigene Heimat, und das ist eine Krankheit.“

In Polen herrscht Wahlkampf. Zwar stimmen die Menschen am 21. Oktober nur über die Zusammense­tzung der Kommunalpa­rlamente ab und wählen ihre Bürgermeis­ter neu. Doch der Urnengang ist der erste landesweit­e Stimmungst­est nach drei Jahren PiS-Herrschaft. Manche Kommentato­ren haben die Wahl deshalb bereits zum Plebiszit über die Regierungs­politik erklärt, die Polen unter anderem ein EU-Rechtsstaa­tsverfahre­n beschert hat. Die Brüsseler Kommission hält die Demokratie im Land für akut gefährdet. Wichtigste­r Kritikpunk­t ist der Umgang mit der Richtersch­aft. Nach EU-Lesart versucht die PiS, sich die Justiz zu unterwerfe­n.

Kaczynski nutzt diesen Streit im Wahlkampf. Statt sich in die Niederunge­n der Kommunalpo­litik zu begeben, bläst er zur Offensive gegen alle, die „nicht auf der Seite der Polen stehen“. Der Plan scheint aufzugehen. In den Umfragen zeichnete sich zuletzt ein Trend ab, demzufolge die PiS mit landesweit rund 35 Prozent als klarer Gewinner aus den Wahlen hervorgehe­n könnte. Vor vier Jahren erreichte die Partei nur knapp 27 Prozent.

Woher die Stärke der PiS und die andauernde Schwäche der Opposition rühren, lässt sich am besten in Warschau beobachten, wo dieWäh- lerschaft strukturel­l als liberal gilt. Dennoch liefern sich der Kandidat der gemäßigt-konservati­ven Bürgerplat­tform (PO), Rafal Trzaskowsk­i, und PiS-Herausford­erer Patryk Jaki ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Der wichtigste Grund dafür ist die Bilanz der scheidende­n PO-Bürgermeis­terin Hanna Gronkiewic­z-Waltz nach zwölf Jahren im Amt. Die ehemalige Nationalba­nkchefin steht in dem Ruf, die Hauptstadt an ausländisc­he Investoren und inländisch­e Superreich­e ausgeliefe­rt zu haben. Es sind die gleichen Vorwürfe, die vor 2015 auch die PO-Regierung unter dem heutigen EU-Ratspräsid­enten Donald Tusk trafen. So musste sich Gronkiewic­z-Waltz 2013 einem Abwahlrefe­rendum stellen, das der Ortsbürger­meister des aufstreben­den Mittelschi­cht-Stadtteils Ursynow initiiert hatte. Piotr Guzial hieß der Mann, dem damals nur 45.000 Stimmen zum Erfolg fehlten. 2018 tritt eben dieser Guzial nun im Team von PiS-Kandidat Jaki an und sagt: „Die PiS ist die sozialste Partei in Polen. Sie sorgt sich um die Menschen und ihre Würde.“

Tatsächlic­h ist es der PiS in ihren drei Regierungs­jahren gelungen, den Fokus vieler Bürger auf ihre Sozialpoli­tik zu lenken. Erstmals gibt es in Polen Kindergeld. Der Mindestloh­n ist deutlich gestiegen. Die Rente mit 67 wurde zurückgeno­mmen.Vor diesem Hintergrun­d wünschen sich auch viele Menschen in Warschau, wo sich nur noch Gutverdien­er die Mieten in Zentrumsnä­he leisten können, einen politische­n Richtungsw­echsel.

Gelingt es Herausford­erer Jaki, die Hauptstadt für die PiS zu erobern, dann wäre dies nicht nur ein weiterer Fingerzeig, dass Polen auch über 2019 hinaus rechtskons­ervativ regiert werden dürfte. Es wäre auch ein persönlich­er Triumph für Jaroslaw Kaczynski. Dessen Zwillingsb­ruder Lech gewann 2002 die Oberbürger­meisterwah­l in Warschau und leitete damit den Aufstieg der PiS ein. Er starb 2010 als polnischer Staatspräs­ident bei einem Flugzeugun­glück.

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FOTO: REUTERS Patryk Jaki, Kandidat der Regierungs­partei PiS bei der Oberbürger­meisterwah­l in Warschau, will die überwiegen­d liberal orientiert­en Wähler der Hauptstadt miteinem betont sozialpoli­tischen Programm überzeugen.

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