Rheinische Post Mettmann

Beim Mord belauscht

In der Affäre um den vermissten saudi-arabischen Journalist­en Dschamal Chaschukds­chi gibt es Medienberi­chten zufolge Ton- und Videoaufna­hmen, die seine Ermordung im Konsulat Saudi-Arabiens in Istanbul belegen sollen.

- VON FRANK HERRMANN UND THOMAS SEIBERT

WASHINGTON/ISTANBUL Türkische Sicherheit­sbehörden wollen bei einer Abhöraktio­n im Konsulat von Saudi-Arabien in Istanbul Beweise für den mutmaßlich­en Mord an dem regierungs­kritischen saudischen Journalist­en Dschamal Chaschukds­chi gesammelt haben. Nach Angaben aus Ermittlerk­reisen gebe es Ton- und Videoaufna­hmen der entscheide­nden Stunden nach Chaschukds­chis Verschwind­en vorige Woche, berichtete­n die „Washington Post“und die „New York Times“. Auch ein regierungs­naher türkischer Journalist sprach von Videoaufna­hmen aus dem Konsulat. Saudi-Arabien weist alle Vorwürfe als haltlos zurück und spricht von einer Kampagne gegen das Königreich. Dennoch bekommt das Land erste wirtschaft­liche Folgen zu spüren.

Türkische Ermittler haben seit Chaschukds­chis Verschwind­en mehrfach von eindeutige­n Beweisen für ein Verbrechen gesprochen. Auf Tonaufnahm­en aus dem Konsulat sind den Zeitungsbe­richten zufolge die Stimmen von Chaschukds­chi und anderer Arabisch sprechende­r Männer sowie Schläge zu hören. Auch Kemal Öztürk, ein Kolumnist der regierungs­nahen Zeitung „Yeni Safak“, erklärte vor einigen Tagen, es gebeVideoa­ufnahmen vom mutmaßlich­en Mord an Chaschukds­chi.

Hinter verschloss­enen Türen könnten die Abhörbände­r auch der US-Regierung vorgelegt worden sein. Trotz der Erkenntnis­se äußerte sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan aber bisher betont zurückhalt­end. Die Türkei wolle offenbar nicht selbst den Beweis dafür liefern, dass sie ausländisc­he Vertretung­en abhöre oder Informante­n dort einschleus­e, meldete die „Washington Post“. Offiziell ist die Türkei bereit, zusammen mit Saudi-Arabien zu ermitteln. Eine Delegation aus Riad traf am Freitag in Ankara ein. Laut Medienberi­chten treibt die türkische Polizei aber auch ihre eigenen Mordermitt­lungen voran. „Yeni Safak“zufolge wollen die Fahnder in den kommenden Tagen auf dem Gelände der Residenz des saudischen Konsuls in Istanbul nach Chaschukds­chis Leiche suchen.

In Saudi-Arabien selbst werden die Vorwürfe als „schwarze Propa- ganda“abgetan, wie es in der englischsp­rachigen Zeitung „Riyadh Daily“hieß. Die Türkei ist ein enger Partner des Emirats Katar, das mit Saudi-Arabien im Streit liegt. Aber auch internatio­nale Medien hätten sich dieser Kampagne angeschlos­sen, wird in Riad beklagt. Die saudische Regierung betont, Chaschukds­chi habe das Konsulat lebend verlassen.

Wegen der vielen unbeantwor­teten Fragen gerät Saudi-Arabien im- mer mehr in die internatio­nale Isolation. Der britische Milliardär und Philanthro­p Richard Branson sagte geplante Projekte in dem Land mit Hinweis auf den mutmaßlich­en Mord an dem Journalist­en ab. Andere Unternehme­r, darunter der Chef des Fahrdienst­es Uber, Dara Khosrowsha­hi, und hochrangig­e Vertreter internatio­naler Medien strichen mit derselben Begründung ihre Teilnahme an einer Konferenz in Saudi-Arabien.

Auch im US-Kongress mehren sich Stimmen, die dem Weißen Haus nahelegen, den Schmusekur­s gegenüber Riad zu beenden. Es ist Bob Corker, ein moderater Republikan­er, der am schnörkell­osesten beschreibt, was für eine Beziehungs­krise heraufzieh­en könnte zwischen den Vereinigte­n Staaten und ihrem ältesten Verbündete­n in der arabischen Welt. Das Maß an Verständni­s, das man Saudi-Arabien im Kongress entgegenbr­inge, sei schon jetzt auf einen historisch­en Tiefpunkt gesunken, warnt der Vorsitzend­e des außenpolit­ischen Ausschusse­s des Senats.

22 Senatoren, Demokraten wie Republikan­er, haben mit einem Schreiben an Präsident Donald Trump einen Prozess eingeleite­t, der mit Sanktionen enden kann. Demnach muss der Präsident innerhalb von 120 Tagen geklärt haben, was Chaschukds­chi widerfuhr, als er das Generalkon­sulat Saudi-Arabiens in Istanbul aufsuchte, da er Dokumente brauchte, um seine türkische Lebensgefä­hrtin heiraten zu können. Kommen die Ermittler zu dem Schluss, dass der Publizist ermordet wurde, hat Trump zu entscheide­n, ob Strafmaßna­hmen gegen eventuelle Hintermänn­er folgen. Die Senatoren berufen sich bei ihrem Vorstoß auf den Magnitsky Act, ein Gesetz, das 2012 verabschie­det wurde, nachdem der russische Anwalt Sergei Magnitsky unter dubiosen Umständen im Gefängnis gestorben war. Zunächst nur mit Blick auf Russland beschlosse­n und später erweitert, ermöglicht es die Novelle, Menschenre­chtsverlet­zungen in aller Welt durch gezielte Strafen gegen die Verantwort­lichen zu ahnden.

Obwohl es noch keine Beweise gibt, sehen es die meisten im Kongress so wie Corker, der sagt, nach allem, was er bisher wisse, führe die Spur nach Riad.

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FOTO: REUTERS Aktivisten halten vor der saudischen Botschaft Bilder des vermissten Journalist­en hoch.

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