Rheinische Post Mettmann

Deutschlan­d und Holland: von Hass keine Spur mehr

In den 70er und 80er Jahren waren Länderspie­le zwischen Deutschlan­d und Holland brisante Angelegenh­eiten. Das hat sich geändert. Die Rivalen respektier­en einander.

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Es gab Jahre, da war der Besuch eines Länderspie­ls zwischen Deutschlan­d und den Niederland­en für Zuschauer nicht gerade vergnügung­ssteuerpfl­ichtig. Mit dem Kauf einer Karte buchte der Fan eine Art Abenteueru­rlaub mit. In den 1970er Jahren entwickelt­e sich regelrecht­er Hass in beiden Lagern. Und weil in dieser Zeit schlagkräf­tige Dunkelmänn­er das Feld auf den Tribünen beherrscht­en, zählten diese Länderspie­le für Sicherheit­skräfte zu den negativen Höhepunkte­n eines Fußballjah­res.

Im Umfeld der Spiele machten hunderte Hooligans Jagd aufeinande­r, und es wurde selbstvers­tändlich nicht streng unterschie­den, wer dabei sonst noch Schläge abbekam. Die schlimmste­n Auseinande­rsetzungen gab es in den Jahren vor und nach der Europameis­terschaft 1988 in Deutschlan­d. Bei sogenannte­n Freundscha­ftsspielen marschier- ten deutsche Neonazis mit hässlichen Parolen in Rotterdam ein. Holländisc­he Gewalttäte­r hetzten deutsche Zuschauer durch die niederländ­ische Hafenstadt.

Und sogar Spieler mischten mit. Der Tiefpunkt in den Beziehun- gen war 1988 im EM-Halbfinale erreicht. Ronald Koeman, der Libero eines großen Oranje-Teams, wischte sich nach dem Trikottaus­ch mit Olaf Thon demonstrat­iv den Allerwerte­sten mit dem Hemd. Das war eine der hässlichst­en Triumphges­ten im internatio­nalen Fußball. Holland gewann das Semifinale übrigens mit 2:1, wurde später Europameis­ter durch ein 2:0 gegen die Sowjetunio­n.

Durch den Erfolg tilgten die Niederländ­er eine 14 Jahre alte Schmach. 1974 hatten sie das WM-Finale mit 1:2 gegen Deutschlan­d verloren, obwohl sie die bessere Mannschaft waren, vor allem aber, weil sie diese Überlegenh­eit in aller Arroganz ausspielen wollten. Der Reflex darauf ist Material für jeden Hobby-Psychologe­n. Fortan war das Verhältnis zwischen den Ländern vergiftet, weil die Holländer die Deutschen für ihre eigene Arroganz verantwort­lich machten.

Verschärfe­nd kam hinzu, dass die holländisc­hen Spieler vor allem der 70er Jahre und noch mehr ihre Zuschauer durch ihre Familien sehr wache Erinnerung­en an die Gräuel hatten, für die Deutsche im nicht so lange zurücklieg­enden Krieg in den Niederland­en gesorgt hatten. Diese Erinnerung­en verbanden sich mit der Wut über eine unverständ­liche sportliche Niederlage.

Der EM-Erfolg 1988 war ein Pflaster auf diese Wunde. Zwei Jahre darauf brach sie noch einmal auf. Frank Rijkaard bespuckte im WM-Achtelfina­le Rudi Völler.

So etwas ist heute nicht mehr vorstellba­r. Das Verhältnis der Mannschaft­en und ihrer Fans hat sich völlig gewandelt. Das liegt auch an fußballeri­schen Botschafte­rn wie Arjen Robben, Jan Wouters und Klaas-Jan Huntelaar, die in der Bundesliga spielen und spielten. Es liegt an ehemaligen Spielern wie dem 90er-Tor- wart Hans van Breukelen, der sich zu aktiver Zeit gern als „der Mann, der Deutsche frisst“aufführte. Vor sechs Jahren bekannte er: „Ich liebe euch Deutsche und euren Fußball.“Es liegt an einer allgemein viel entspannte­ren Fanszene, die keine Ähnlichkei­t mehr hat mit der von Gewalttäte­rn dominierte­n Kurve der 80er Jahre. Und es liegt daran, dass über die Grenzen hinweg in gemeinsame­n Projekten die Erinnerung­en an den Nachkriegs­hass verschwind­en. Deutschlan­d und Holland sind sich sehr nah gekommen. Das ist schön.

Es liegt nicht an Menschen wie Ronald Koeman, der sich für seinen Aussetzer von 1988 nie entschuldi­gt hat und der nun Hollands Bondscoach ist. „Ich erwarte Respekt von beiden Seiten“, sagt er vor dem Spiel am Samstag. Ausgerechn­et.

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