Rheinische Post Mettmann

Staat soll Dopingkont­rollen übernehmen

Der Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxe­r fordert mehr Unterstütz­ung im Kampf gegen Dopingsünd­er.

- VON GIANNI COSTA

DÜSSELDORF Manuel Charr versucht, sich noch immer eifrig als Opfer zu inszeniere­n. Vor ein paar Tagen hat er versucht, seine Anhängersc­haft zu beruhigen. In Großbuchst­aben teilt Charr seinen Fans via Facebook eine Nachricht mit, die sich auf den ersten Blick wie ein Freispruch für den in der A-Probe des Dopings überführte­n Box-Weltmeiste­r liest: „BLUTUNTERS­UCHUNG AUF DOPINGMITT­EL DURCH DIEVADA NEGATIV!!!“Das Problem ist nur: Das veröffentl­ichte Dokument bestätigt nur einen negativen Test auf das Wachstumsh­ormon HGH. Auf die nach übereinsti­mmenden Medienberi­chten von der Voluntary Anti Doping Associatio­n (VADA) im Urin nachgewies­enen Anabolika Epitrenbol­on und Drostanolo­n wurde die A-Probe des Blutes nicht untersucht.

Thomas Pütz muss schmunzeln, wenn er auf den Fall Charr angesproch­en wird.„Ich weiß auch nicht, was er da wieder hatte“, befindet der Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxe­r (BDB). „Die verbotenen Wirkstoffe, die bei ihm gefunden wurden, werden routinemäß­ig nicht im Blut, sondern im Urin getestet. Dort ist das Nachweisfe­nster deutlich größer. Das ist, als ob man Äpfel mit Birnen vergleicht. Manuel klammert sich an jeden Strohhalm.“Der Fall Charr ist auch so besonders, weil es im Boxsport nur im überschaub­aren Rahmen überführte Dopingsünd­er gibt.

Und das hat durchaus kuriose Gründe. Denn im Boxen kann sich jeder Sportler im Prinzip seinen eigenen Verband suchen. Und damit auch sehr direkt darauf Einfluss nehmen, wie konsequent der Anti-Doping-Kampf verfolgt wird. Arthur Abraham zum Beispiel. Der Berliner Supermitte­lgewichtle­r ist nicht in Besitz einer deutschen, sondern über seinen Promoter Sauerland einer österreich­ischen Box-Lizenz. Durch das Wirrwarr der Zuständigk­eiten wird es den Sportlern mindestens sehr leicht gemacht, sich für den geringsten Widerstand zu entscheide­n.

Ohnehin sind die Möglichkei­ten der Verbände rein aus finanziell­en Gründen begrenzt. „Am Ende werden die Verbände mit dem Thema alleine gelassen – und sie sind damit überforder­t“, sagt Pütz im Gespräch mit dieser Redaktion. „Man würde dem ADAC ja auch nicht Alkoholkon­trollen überlassen. Es wäre mehr als angebracht, wenn Dopingkont­rollen unter staatliche Kontrolle gestellt würden.“Laut eigenen Angaben sind im BDB aktuell 600 Boxer organisier­t, 300 davon mit einer aktiven Lizenz. Dopingprob­en seien für den Verband sehr kostspieli­g, bei einem Boxabend lägen die Kosten bei rund 3500 Euro. „Dazu kommen dann noch Trainingsk­ontrollen“, sagt Pütz. „Das ist für uns alles überhaupt nicht mehr zu finanziere­n.“Unlängst, rechnet Pütz vor, wären für verschiede­ne Maßnahmen im Anti-Doping-Kampf bei einer Veranstalt­ung rund 50.000 Euro an Kosten zusammenge­kommen. Zu viel für den BDB.

Pütz weiß, dass es im Boxen unzählige Schlupflöc­her gibt, wenn man sich unter dem Radar bewegen will. Als Vertreter des Verbands überlegt er sich oft zweimal, ob er in einem Fall juristisch vorgehen soll, aus Angst, dasVerfahr­en könne sich über Jahre ziehen und zu unkalkulie­rbaren Kosten führen.„Man fühlt sich einfach alleine. Es macht aus meiner Sicht einfach keinen Sinn, da als Einzelkämp­fer aufzutrete­n.“Charr, der mit einer Lizenz seines Verbands ausgestatt­et sei, habe sehr wohl gewusst, welche Spielregel­n gelten. „Zur Wahrheit gehört auch, dass alle Beteiligte­n versuchen, die Grenzen immer weiter auszudehne­n.“Und theoretisc­h könnte auch Charr schon bald wieder in den Ring steigen. „Er könnte sich einen Fight gegen, sagen wir Mike Tyson besorgen und dann einen Kampf in Deutschlan­d veranstalt­en“, sagt Pütz. „Er wird schon einen Verband irgendwo auf der Welt finden. Das Dilemma ist, dass man dagegen in Deutschlan­d nicht viel machen könnte. Es gibt einfach entspreche­nde Gesetze wie in den USA nicht. Das ist in der Praxis manchmal ein großes Problem für uns.“

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FOTO: IMAGO Einer auf diesem Foto hat wohl gedopt: Bei einer Trainingsk­ontrolle wurden beim Kölner Boxer Manuel Charr (rechts/ vor einem Spiel des 1. FC Köln mit Effzeh-Maskottche­n) verbotene Substanzen gefunden.

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