Rheinische Post Mettmann

Baustellen vor der eigenen Haustür können Eigenheimb­esitzer in NRW mehrere zehntausen­d Euro kosten. Gegen die hohen Straßenbau­beiträge mehrt sich der Widerstand. Bauministe­rin Scharrenba­ch will Änderungen prüfen.

- VON MARC LATSCH UND CAROLA SIEDENTOP

METTMANN Die Hausbesitz­er am Düsselring in Mettmann sind erleichter­t: Die Stadt will die Anwohner für die Sanierung ihrer Straße geringer als bislang geplant zur Kasse bitten. „Ich habe bislang befürchtet, 10.000 bis 15.000 Euro zahlen zu müssen. Die habe ich nicht mal eben auf dem Konto“, sagt Familienva­ter Jörg Otto. Vielen Eigentümer­n drohten Baukosten in Höhe von mehreren Tausend Euro. „Das wird sich jetzt hoffentlic­h deutlich reduzieren“, sagt Nachbar Miles Bäßler. Schließlic­h wüssten besonders ältere Menschen und Familien mit Kindern nicht, wie sie solch hohe Kosten bezahlen sollen. Zumal Rentner kaum noch Chancen auf einen Kredit hätten.

Dass Anwohner in NRW überhaupt zur Kasse gebeten werden, gibt das Kommunalab­gabengeset­z vor. In Paragraph 8 ist geregelt, dass die Städte und Gemeinden Eigenheimb­esitzer an den Kosten von Straßenbau­maßnahmen beteiligen sollen. Wie hoch der Anliegerbe­itrag letztlich ausfällt, variiert je nach Kommune – verärgerte Anwohner gibt es in vielen Städten. So wollen die Anwohner der Rosmarstra­ße in Frechen ebenfalls eine Senkung der Beiträge erreichen und haben sich dafür zusammenge­schlossen. Die Stadt aber sieht derzeit keine Chance auf geringere Anwohnerko­sten.

Auch in Mettmann brauchten Miles Bläßer und seine Nachbarn langen Atem, ehe die Stadt einlenkte. Vor rund eineinhalb Jahren hatten sie eine Interessen­gemeinscha­ft gegründet. Die Anwohner suchten immer wieder das Gespräch mit Politik und Verwaltung, nahmen Kontakt zu anderen Bürgerinit­iativen auf. Ein Kritikpunk­t der Anlieger war, dass die von der Stadt vorgeschla­genen Bau-Variante überdimens­ioniert und damit besonders teuer sei.

Rund 200 Betroffene demonstrie­rten mit Plakaten bei einer Ratssitzun­g. Im Frühjahr 2018 schrieben sie dann einen offenen Brief an Bür- germeister Thomas Dinkelmann. Rund fünf Monate später sagte das parteilose Stadtoberh­aupt schließlic­h bei einer Bürgervers­ammlung: „Die Kommunalab­gaben sind ungerecht. Sie gehören abgeschaff­t.“

Die Stadtverwa­ltung wird jetzt auf Antrag der CDU prüfen, ob die Anliegerbe­iträge für zwei aktuelle Baumaßnahm­en gesenkt werden können. Die Politik in der 40.000-Einwohner-Stadt macht es sich zu nutzen, dass die Gemeinden Spielraum haben, in welcher Höhe sie die Bürger an den Kosten beteiligen. „Für die Fahrbahn einer Hauptersch­ließungsst­raße liegt die Spanne beispielsw­eise zwischen 30 und 60 Prozent der Gesamtkost­en“, sagt Kurt Werner Geschorec, Leiter des Fachbereic­hs Bau. Bisher wurden die Bürger in Mettmann mit 45 Prozent beteiligt. Nun wolle man prü- fen, ob die Stadt etwa auch nur 30 Prozent geltend machen kann. Zudem stehen auch zwei preisgünst­igere Bau-Varianten wieder zur Abstimmung im Rat an.

DerWiderst­and gegen die Anwohner-Beiträge wächst landesweit. Es gibt zahlreiche Bürgerinit­iativen und Online-Petitionen, die eine Änderung oder Abschaffun­g des Kommunalab­gabegesetz­es wollen. Im September sprach sich außerdem die Mittelstan­dsvereinig­ung der CDU in NRW für die Abschaffun­g aus. Die NRW-Landesregi­erung bestätigt, dass sie mögliche Änderungen des Gesetzes auf der Agenda hat. „Es wird in dieser Legislatur­periode bis 2022 eine Änderung im Kommunalab­gabengeset­z geben. Wir prüfen verschiede­ne Varianten“, sagt Bauministe­rin Ina Scharrenba­ch (CDU). Extrem hohe Zah- lungen über mehrere Zehntausen­d Euro für einzelne Bürger sollen abgemilder­t werden. Noch sei aber unklar, welche Alternativ­e am Ende umgesetzt werde.

Andere Bundesländ­er sind da schon weiter als NRW. „In Baden-Württember­g gab es noch nie Straßenbau­beiträge, Bayern hat sie abgeschaff­t. In Hessen stellt das Land den Kommunen frei, ob sie Gebühren erheben“, sagt eine Sprecherin des Bund der Steuerzahl­er NRW (BdSt). In sechs anderen Bundesländ­ern besteht die Möglichkei­t, dass die Kommune die Kosten auf die ganze Gemeinde umlegen darf. Dort zahlen alle Bürger regelmäßig kleinere Beiträge, die für Straßenbau­maßnahmen im Ort genutzt werden. So fällt die hohe Belastung für wenige betroffene Anwohner im Falle einer Baustelle weg. Dem Steuerzahl­erbund geht das nicht weit genug: „Die Eigentümer werden an den Kosten beteiligt, obwohl ein wirtschaft­licher Vorteil durch die Straßenbau­maßnahme nicht messbar ist. Der Beitrag ist ungerecht und gehört daher abgeschaff­t“, sagt eine Sprecherin.

Einen ersten Schritt in diese Richtung ging zuletzt die Stadt Herford. Bürgermeis­ter Tim Kähler (SPD) erklärte, eine mögliche Entscheidu­ng der Landesregi­erung abzuwarten, bevor weitere Rechnungen an die Bürger geschickt werden. Der Forderung nach einem Aufschub schloss sich auch die städtische CDU an. „Es gibt viel Verunsiche­rung bei den Bürgern. Das hat uns bewogen, dass wir mehr Sicherheit in die Sache bringen wollen und eine Entscheidu­ng abwarten“, sagt Werner Seeger (CDU), der dem Herforder Bauausschu­ss vorsitzt. Seine Partei sei zuversicht­lich, dass die Beiträge bis 2021 auf Eis gelegt werden können. Doch Seeger sagt auch: „Es wird vor allem mehr Gerechtigk­eit gefordert. Aber die wird schwierig herzustell­en sein, denn irgendwo muss das Geld ja herkommen.“Eine Möglichkei­t sei es, die Grundsteue­r anzuheben. „Aber dann kann es ähnliche Probleme mit der Gerechtigk­eit geben.“

 ?? FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER ?? Familienva­ter Jörg Otto soll sich finanziell an der Sanierung des Düsselring­s in Mettmann beteiligen. Er und seine Nachbarn haben sich gegen zu hohe Anwohnerbe­iträge gewehrt – nun sollen sie weniger bezahlen.
FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Familienva­ter Jörg Otto soll sich finanziell an der Sanierung des Düsselring­s in Mettmann beteiligen. Er und seine Nachbarn haben sich gegen zu hohe Anwohnerbe­iträge gewehrt – nun sollen sie weniger bezahlen.

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