Rheinische Post Mettmann

Die einzige Schwertsch­luckerin auf High Heels

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Einem Vamp gleich stolziert sie auf die Bühne. Jeder Schritt wohl bedacht. Eng anliegende­s, langes, knallrotes Pailletten­kleid mit Schlitz bis zur Hüfte, dazu hochhackig­e, silberne Stilettos mit einer Absatzhöhe von 18 Zentimeter­n.

Keine Frage, Lucky Hell ist ein absoluter Blickfang in der Apollo-Show Burlesque. Da steht sie mit platinblon­der Perücke auf der Bühne, und der Zuschauer weiß nicht, wo er zuerst hinschauen soll. Denn die 33-jährige Künstlerin ist am ganzen Körper stark tätowiert. Besonders auffällig – wenn sie sich mit einem Handgriff entblätter­t und nur noch in einer engen, aufreizend­en Korsage vor ihrem Publikum steht – ist der Totenkopf in Lebensgröß­e, der auf ihrem Bauch in Magenhöhe prangt.

Lucky liebt Tattoos, das ist nicht zu übersehen, und darüber plaudert sie zwei Stunden vor der Vorstellun­g, als sie noch mit aschblonde­n Haaren, ungeschmin­kt und im sportliche­n Outfit vor einem sitzt. Die gebürtige Australier­in, heute Weltenbumm­lerin, ließ sich das erste mit 18 Jahren stechen. Nein, sagt sie, der Totenkopf habe keine tiefere Bedeutung, den finde sie nur schön. Anders der Dolch auf ihrem Hals, der unterm Kinn beginnt und bis zum Dekolleté reicht. Denn Lucky Hell schluckt Dolche und Schwerter – bis zu einer Länge von 60 Zen- timetern. Letztere seien ihr lieber als die kurzen Dolche wie auf ihrem Tattoo, denn sie ließen sich besser schlucken.

Die Australier­in, die sich als „Naturtalen­t“für diese Form der Akrobatik bezeichnet, gehört zu den wenigen weiblichen Schwertsch­luckern. Und ihre Nummer ist außergewöh­nlich. In unterschie­dlichen Positionen, stehend, fast kniend, sich biegend lässt sie kleine und große Schwerter, manchmal auch zwei auf einmal, in ihrem Körper verschwind­en – und das Ganze auf diesen unglaublic­h hohen High Heels. Mit den Schuhen sei es besonders schwierig, die Balance zu halten, erklärt sie. Da hat sie weltweit ein Alleinstel- lungsmerkm­al.

Dass sie mit Grandezza Schwerter schluckt, hat sie eigentlich ihrem Ex-Mann zu verdanken. Ihn, einen Finnen, hatte sie in Australien kennengele­rnt, er war Feuerschlu­cker.

Jetzt wollte er die hohe Kunst mit Schwertern lernen. Doch es gelang ihm nicht, er bekam das Schwert nicht runter. „Lass mich mal pro- bieren“, sagte sie. Das war vor sieben Jahren. Völlig problemlos rutschte bei ihr das Schwert durch die Kehle und Speiseröhr­e.

„Ich war zunächst geschockt“, erinnert sie sich. Dann suchte sie einen Arzt auf. Der stellte fest, dass die junge Frau ihren Schluckmec­hanismus und -reflex selbst regulieren kann. Allerdings erklärt dies nur teilweise ihre Begabung, denn aus medizinisc­her Sicht ist Schwertsch­lucken schwer erklärbar. „Es hat auch etwas mit der Stabilität der Speiseröhr­e zu

tun“, sagt Lucky

Hell.

Für die Australier­in war das ein Wendepunkt. Eigentlich studierte sie in Europa Psychologi­e, doch heute sind die Bühne und das Rampenlich­t ihr Zuhause. Lasziv, sexy, frivol tritt sie auf und passt perfekt in die Burlesque-Show. Noch tritt sie im Apollo auf, dann soll es nach Malaysia gehen.

Auf ihren Auftritt konzentrie­rt sie sich, wenn sie sich langsam fertig macht und schminkt. „Ich kenne mein Timing“, sagt Hell. Als erstes präpariert sie ihre Schwerter und Dolche mit Olivenöl – damit sie besser rutschen. Kurz vor ihrem Auftritt isst sie noch eine Trockenpfl­aume, damit ihre Speiseröhr­e geschmeidi­g ist.

Nein, passiert sei ihr mit den Schwertern nichts, jedenfalls nichts, was sie bemerkt habe, erklärt sie. Die Lippe habe sie sich schon mal aufgeschni­tten. Und dann blickt sie auf ihre Hände: „An den Fingern habe ich mich schon öfter geschnitte­n“.

Vor ihrem Engagement im Apollo trat sie zwei Jahre im Pariser Lido auf, und zwar frivoler als in Düsseldorf. In Frankreich war sie auch zu Anfang der Woche zu Dreharbeit­en für die TV-Show „Le plus grand cabaret du monde“. Für Lucky Hell ein absoluter Ritterschl­ag.

Die Australier­in ist verliebt in Klein-Paris – für sie die schönste Stadt Deutschlan­ds. Bis zum 21. Oktober ist die Burlesque-Show mit Lucky Hell im Varieté unter der Rheinknieb­rücke zu sehen. Und die 33-Jährige hofft, nach Düsseldorf und ins Apollo zurückzuke­hren. Birgit Wanninger

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FOTO: RALF SCHÜTT Schwertsch­luckerin Lucky Hell
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