So viel Bruegel war noch nie
Das Kunsthistorische Museum widmet dem flämischen Meister Pieter Bruegel dem Älteren eine einzigartige Ausstellung. Zu sehen gibt es auch seinen „Turmbau zu Babel“– in zweifacher Ausführung.
WIEN (kna) Manche seiner Meisterwerke gleichen den Wimmelbilderbüchern von Ali Mitgutsch: Wenn die von Pieter Bruegel dem Älteren (1527/28-1569) gemalten „Jäger im Schnee“durch die eisige Winterlandschaft stapfen. Wenn sein Christus unter der Last des Kreuzes zusammenbricht. Oder wenn im Gemälde „Kinderspiele“aus dem Jahr 1560 Jungen und Mädchen Bockspringen üben, raufen und Purzelbäume schlagen – dann gibt es unendlich viele Details zu entdecken. Und Geheimnisse zu lösen.
Wer will, kann die Meisterwerke des flämischen Malers jetzt in Wien im Original anschauen: Das Kunsthistorische Museum zeigt dort die wohl bislang größte Ausstellung von Werken des flämischen Meisters. Vom „Turmbau zu Babel“bis zur „Anbetung der Könige im Schnee“: Zu sehen sind fast 30 Gemälde – das sind drei Viertel des erhaltenen malerischen Werks – sowie rund die Hälfte der erhaltenen Zeichnungen und Grafiken.
Das Museum wirbt mit Superlativen. Es lädt zu einem„Once in a Lifetime“, also einem einmaligen Erlebnis. Zur Eröffnung hatte Österreichs Bundespräsident Alexander van der Bellen denn auch das belgische Königspaar, König Philippe und seine Gemahlin Mathilde, empfangen.
Anlass für die Ausstellung ist der 450. Todestag des Künstlers im September 2019. Über sein Leben ist wenig bekannt. Hauptwirkungsstätte war Antwerpen, die zur Mitte des 16. Jahrhunderts wohl reichste Stadt Europas. Sie war der wichtigste internationale Warenumschlagplatz und Zentrum der niederländischen Druckkunst.
Bruegel setzte sich dort durch. Schon zu Lebzeiten zahlten Sammler Höchstpreise für seine den Volksalltag darstellenden Wimmelbilder, seine apokalyptischenWeltende-Visionen oder seine atmosphärisch dichten Landschaften. Dass das Kunsthistorische Museum vonWien mit zwölf Tafeln die weltweit größte Sammlung an Bruegel-Gemälden besitzt, ist kein Zufall. Auch am Hof der Habsburger hatten Kunstliebhaber schon im 16. Jahrhundert die Qualität und Originalität der Bildwelten Bruegels geschätzt und die Werke des Renaissance-Künstlers erworben.
Das Ausstellungsplakat zeigt eines der Breugel-Bilder, die fast schon zu Ikonen geworden sind: den „Turmbau zu Babel“. Das Bild hängt normalerweise in Rotterdam. Es gibt allerdings noch eine zweite Fassung, die in Wien beheimatet ist. In der großen Bruegel-Schau werden die beiden Kunstwerke erstmals gemeinsam ausgestellt. Der Unterschied: DasWiener Bild ist etwa viermal so groß.
Bis vor kurzem war wenig über die Technik des Künstlers und seine innovative Malweise bekannt. Doch die Wiener Ausstellung kann auf die Erkenntnisse eines aufwändigen Forschungsprojekts zurückgreifen. Seit 2012 haben Wissenschaftler das Schaffen Bruegels untersucht, Unterzeichnungen und Malschichten sichtbar gemacht, das Alter der Holztafeln untersucht, auf denen der Meister gemalt hat, und die Geschichte der Werke ermittelt. „Die Hand des Meisters soll den Ausstellungsbesuchern zum Greifen nah erfahrbar sein“, betonen die Ausstellungsmacher.
So wurden zum Beispiel Veränderungen an Bruegels Bildkompositionen erkannt, die der Künstler auch noch im weit fortgeschrittenen Malprozess gemacht hat. Das Holz, auf dem Bruegel seine Bilder malte, stammte offenbar aus dem Baltikum.„Der früheste gemessene Jahresring stammt aus dem Jahr 1201. Dieses Holz wurde für den‚Turmbau zu Babel‘ verwendet“, so dieWissenschaftler.
Festgestellt haben die Forscher auch, dass Bruegels Meisterwerke im Lauf der letzten Jahrhunderte vieles über sich ergehen lassen mussten.Von den zwölf Tafelbildern ist nur eines heute noch in seiner Originalgröße erhalten: „Die Kreuztragung“. Alle anderen Werke wurden beschnitten. Die bewusst gewählte Komposition Bruegels wurde also von der Nachwelt radikal verändert.