Rheinische Post Mettmann

Geldanlage­n sind wie Medikament­e

Beim Unterschei­den von seriösen und unseriösen Anlageange­boten hilft auch der gesunde Menschenve­rstand.

- DER AUTOR IST CHEFANLAGE­STRATEGE PRIVATE BANKING HSBC DEUTSCHLAN­D

ber Arzneimitt­elherstell­er hört und liest man oft wenig Schmeichel­haftes. Was ziemlich ungerecht erscheint angesichts des enormen Zugewinns an Lebensqual­ität, den uns die Pharmabran­che beschert hat. Schließlic­h hat sie wesentlich­en Anteil daran, dass wir alle länger leben und unser Leben dabei in aller Regel viel gesünder verläuft als noch vor ein oder zwei Generation­en. Zugegeben, gute Medikament­e kosten eine Menge Geld. Und selbst die besten von ihnen sind mit Nebenwirku­ngen verbunden. Trotzdem kenne ich niemanden, der bewusst zu illegalen Kopien oder Fälschunge­n solcher Arzneien greift, weil sie billiger sind. Denn jeder weiß: Die wirken auch nicht – und erweisen sich im schlechtes­ten Fall sogar als tödlich.

Umso überrasche­nder, dass es beim Geldanlege­n geradezu an der Tagesordnu­ng ist, billige Fälschunge­n zu kaufen. Das glauben Sie nicht? Die jüngste Pleite eines Ver- triebs von Schiffscon­tainern (siehe gegenüberl­iegende Seite) ist nur ein Fall in einer langen Reihe. Nun sagen Sie: Klar, ordentlich­e Renditen sind mit Risiken verbunden. Da haben Sie vollkommen Recht, doch kommt es auf den Unterschie­d an. Das Risiko, das die Anleger hier eingingen, war kein unternehme­risches Risiko, sondern ein Betrugsris­iko. Und das ging voll zu ihren Lasten. Im Hinblick auf unternehme­risches Risiko können wir uns auf den Kapitalmar­kt auf Dauer verlassen – er belohnt mich dafür, dieses Risiko einzugehen. Ausreichen­de Streuung der Investment­s vorausgese­tzt, bekomme ich deshalb für meine Aktienanla­ge eine höhere Rendite als für Staatsanle­ihen. Das Betrugsris­iko hingegen wird niemals vergütet. Der Profi meidet es um jeden Preis. Aber wie?

Medikament­e und Geldanlage­n haben eines gemeinsam: Niemand klebt auf die unwirksame­n ein Warnschild „Fälschung“. Wäh- rend aber Profis exklusive Informatio­nen und umfangreic­he Erfahrung zu einem sicheren Urteil kombiniere­n, tappen alle anderen leicht in die Falle. Dabei hilft oft schon ein einfacher Test: Wenn es zu gut klingt, um wahr zu sein – dann ist es das meist auch. Drei oder vier Prozent Rendite für eine sichere Euro-Anlage sind so ein Fall. Was eine sichere Anlage hierzuland­e abwerfen kann, verrät ein Blick auf die Renditen von Bundesanle­ihen: Derzeit reicht das Band von minus 0,7 Prozent für Laufzeiten von einigen Monaten bis plus 0,6 Prozent für 15 Jahre. Seit Jahren gibt es im Euro für sichere Anlagen keine Zinsen mehr – wer sollte also freiwillig viel mehr zahlen?Wer trotzdem zugreift, ist nicht schlauer als derjenige, der im Internet zum Schnäppche­npreis ein hoch wirksames Rheumamitt­el kauft und sich wundert, dass der Schmerz bleibt.

Sicher, ein solches Medikament wäre in der Apotheke deutlich teurer. Dafür aber echt und mit garantiert­er Wirkung. Genauso verhält es sich mit Geldanlage­n. Eine Bank und andere solide Finanz- häuser treiben viel Aufwand, um die Wirksamkei­t ihres Angebots zu prüfen. Und eines mit einem unternehme­rischen Risiko kann sehr wohl auch Verluste bringen. Aber bei einem Betrug wie den Containern hatten Anleger letztlich gar keine Chance, Geld zu verdienen. Noch eines kommt hinzu: So, wie Ihr Apotheker Sie kennt und Ihnen wichtige Hinweise zur Dosierung gibt, so wird Ihnen Ihr Berater eine Obergrenze nennen. In die meisten Investment­s sollten Sie nicht mehr als zehn Prozent Ihres Geldes stecken, in die riskanten nicht mehr als zwei. Wenn Sie wieder einmal von interessan­ten Anlagen hören, die so viel mehr bringen, als der Vorschlag Ihres Bankberate­rs verspricht: Fragen Sie sich am besten, ob Sie auf das Geld im Zweifel auch verzichten könnten.

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