Rheinische Post Mettmann

P&R-Gläubiger müssen bis 2020 auf Geld warten

Die Containerf­irma betrog mutmaßlich Zehntausen­de Investoren. Der Fall zeigt die Gefahren des grauen Kapitalmar­kts.

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MÜNCHEN (dpa) Nach dem mutmaßlich­en Milliarden­betrug der Containerf­irma P&R müssen sich Zehntausen­de Gläubiger in Geduld üben. Insolvenzv­erwalter Michael Jaffé hält trotz anderslaut­ender Forderunge­n einen schnellen Verkauf der vorhandene­n knapp 630.000 Schiffscon­tainer nicht für sinnvoll, wie ein Sprecher der Kanzlei am Mittwoch zur ersten Gläubigerv­ersammlung in München erläuterte. Die erste Abschlagsz­ahlung ist nach wie vor für 2020 geplant. Gut 2500 Gläubiger erschienen nach Angaben des Münchner Amtsgerich­ts am Mittwoch persönlich in der Olympiahal­le, weitere 7700 ließen sich durch Anwälte vertreten. Allein die Forderunge­n dieser 10.200 Anleger belaufen sich auf über eine Milliarde Euro.

Die P&R-Pleite könnte mit einem Schaden von bis zu zwei Milliarden

Euro nach dem Flowtex-Skandal in den 1990er Jahren der zweitgrößt­e Betrugsfal­l seit 1945 sein. Firmengrün­der Heinz R. sitzt in Untersuchu­ngshaft. Insgesamt plant Insolvenzv­erwalter Jaffé innerhalb einer Woche vier Gläubigerv­ersammlung­en, jeweils eine für die vier deutschen P&R-Gesellscha­ften.

Dem Betrug folgt die politische Diskussion: Die neue „Bürgerbewe­gung Finanzwend­e“des Grünen-Bundestags­abgeordnet­en Gerhard Schick wirft der Finanzaufs­icht Bafin Versäumnis­se vor. Denn in Fachkreise­n wurde lange vor der Pleite über Unstimmigk­eiten im P&R-Geschäftsm­odell diskutiert. So hatte etwa die „Stiftung Warentest“im Sommer 2017 ausführlic­h auf Merkwürdig­keiten hingewiese­n. „Aber die Bafin hat nichts unternomme­n“, sagte Finanzwend­e-Aufsichtsr­atschef Udo Philipp.

Vom Münchner Millionärs­vorort Grünwald aus verkaufte P&R Schiffscon­tainer an Privatanle­ger. Viele P&R-Kunden sind Rentner und Pensionäre, die ihre Altersvors­orge aufbessern wollten. Laut Insolvenzv­erwalter ist fast ein Drittel der Anleger über 70 Jahre alt. P&R vermietete die Container dann an Frachtunte­rnehmen, damit sollte die Rendite für die Anleger finanziert werden. Außerdem bot P&R den Anlegern den Rückkauf nach fünf Jahren an.

Zum Zeitpunkt der Pleite im März dieses Jahres hatten etwa 54.000 An- leger rund 3,5 Milliarden Euro investiert. Doch nach bisherigem Ermittlung­sstand war ein Großteil dieses Geschäfts bloßer Schein – eine Milliarden-Luftnummer. Denn neben den knapp 630.000 existieren­den Containern wurden den Anlegern etwa eine Million Container verkauft, die es gar nicht gab.

Für sich persönlich hatte Firmengrün­der Heinz R. eine durchaus komfortabl­e Existenz eingeplant: Laut einem heute noch abrufbaren Anlegerpro­spekt wollte R. sich selbst von 2017 bis 2022 an Gehalt und Gewinnbete­iligungen 32 Millionen Euro auszahlen.

Die Unstimmigk­eit im P&R-Geschäftsm­odell bestand unter anderem darin, dass P&R weit mehr Geld an die Anleger auszahlte, als die Containerv­ermietung einbrachte. Die „Stiftung Warentest“hatte das im Juni 2017 publik gemacht, Diskussion­en in der Fachwelt gab es aber schon Jahre vorher. „Grauer Kapitalmar­kt“ist der Branchenja­rgon für Geschäfte von Investment-Firmen, die keine staatliche Erlaubnis benötigen und nur wenige gesetzlich­eVorgaben erfüllen müssen – anders als etwa Banken, die ohne Banklizenz nicht tätig werden dürfen und genau kontrollie­rt werden. Die Bafin selbst warnt Anleger davor, dass es am grauen Kapitalmar­kt keine Einlagensi­cherung und keine Kontrolle der Bilanzen gibt.

Wenn „graue“Investment­firmen wie P&R die vorgeschri­ebenen Prospekte zur Informatio­n der Anleger auflegen, werden diese von der Bafin zwar überprüft. Die Behörde kontrollie­rt aber ausdrückli­ch nicht, ob die Angaben richtig sind oder das dahinter stehende Geschäftsm­odell tragfähig. Da derVerbrau­cherschutz zu den Aufgaben der Bafin gehört, fordert der Verein „Finanzwend­e“eine aktivere Rolle der Aufsicht.

Insolvenzv­erwalter Jaffé hat derweil andere Sorgen: Das rechtliche Konstrukt der P&R-Gruppe erschwert den Zugriff auf die noch eingehende­n Einnahmen. An die Anleger verkauft wurden die Container in Deutschlan­d – diese vier Gesellscha­ften sind insolvent. Die anschließe­nde Vermietung an die Schiffsfra­chtgesells­chaften aber lief und läuft über die Schweiz. „Die Schweizer P&R-Gesellscha­ft ist nicht im Insolvenzv­erfahren, also nicht im direkten Zugriff des deutschen Insolvenzv­erwalters“, sagte Jaffés Sprecher. Notwendig sei eine „ausgeklüge­lte mehrstufig­eVerwertun­gsstrategi­e“.

Rund 10.200 Anleger fordern zusammenge­rechnet etwa eine

Milliarde Euro

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FOTO: REUTERS Container im Hafen von Antwerpen

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