Rheinische Post Mettmann

„Sascha ist vom Alter her doch ein Rotzlöffel“

Sechs Jahre nach ihrer Fehde treffen sich die Bundesliga-Größen erstmals wieder. Veh erklärt seine Wortwahl und lädt Rösler ein.

- PATRICK SCHERER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

DÜSSELDORF Es läuft die heiße Phase im Aufstiegsr­ennen in der 2. Fußball-Bundesliga 2011/12. Fortuna Düsseldorf und Eintracht Frankfurt sind mittendrin. Es kommt zum direkten Duell. Mit Folgen: Nach dem 1:1 durch einen späten Elfmeterpf­iff liefern sich Fortuna-Stürmer Sascha Rösler (40) und Eintracht-Coach Armin Veh (57) eine üble Schlammsch­aft mit Beschimpfu­ngen und Unterstell­ungen.

Mehr als sechs Jahre später ist Rösler Teammanage­r der Fortuna und Veh Geschäftsf­ührer beim 1. FC Köln. Vor dem Gastspiel der Fortuna bei der Eintracht am Freitag (20.30 Uhr) treffen sich beide seit dem Zwist erstmals persönlich zum Gespräch im Konferenzz­entrum der Rheinische­n Post. Das Gespräch nach dem Handschlag beginnt mit einer Überraschu­ng, als Veh verrät, dass Rösler beinahe mal sein Spieler geworden wäre.

VEH Man soll es ja nicht glauben, aber Sascha war ein guter Spieler (lacht). Und da ich ein guter Trainer war, wollte ich ihn zu mir holen. Das war in Rostock 2002, oder? RÖSLER Ja, da hatten wir einen schönen Nachmittag. Du hast mir die Stadt und das Stadion gezeigt. VEH Ich habe ihn so gut überzeugt, dass er dann nicht zu uns gekommen ist.

RÖSLER Nein, ich wollte zu euch, aber da kam die Kirch-Krise und Rostock konnte die Ablöse nicht an 1860 München bezahlen.

VEH Ach ja, stimmt.

2012 war es dann aber jäh zu Ende mit der Harmonie.

VEH Wir waren ja Konkurrent­en in diesem Jahr. Es haben fünf Teams um den Aufstieg gekämpft. Fortuna war vor uns. Ich habe Düsseldorf natürlich verfolgt, und sie haben doch einige Elfmeter bekommen, die ich nicht gerechtfer­tigt fand. Und dann führen wir bis zur 90. Minute in Düsseldorf in einem ganz wichtigen Spiel mit 1:0. Und was passiert? RÖSLER Glasklarer Elfer!

VEH Ja gut, über den kann man ja sogar noch streiten.

RÖSLER Wenn man ehrlich ist, muss man den nicht geben. Es hat aber natürlich zu der Situation gepasst. VEH Und so hat es sich ergeben, dass du mich dann als...

RÖSLER Ne, komm, das müssen wir jetzt nicht wiederhole­n (lacht). VEH Es war auf jeden Fall sehr emotional und eine brisante Situation. Es war insgesamt für mich unerträgli­ch. Und ich habe dann am nächsten Tag eine Pressekonf­erenz einberufen, um auch ganz Frankfurt hinter uns zu bekommen. Das habe ich in dem Moment für uns genutzt.

Wie viel Taktik war also dabei?

VEH Zunächst gar keine. Das war pure Emotion.

RÖSLER Das ist schon interessan­t, es mal aus dieser Sichtweise zu sehen. Bei uns war es so:Wir waren von der Qualität her eigentlich kein klassische­r Aufsteiger, wir haben das nur mit der Aggressivi­tät, mit den Emotionen geschafft. Anders hätten wir kaum eine Chance gehabt.

VEH Darin wart ihr wirklich gut. RÖSLER Und dann kamen deine Aussagen in der Woche vor dem Spiel, dass wir eine Schauspiel­ertruppe sind. Das hat uns motiviert. Am Schluss ist es dann aus dem Ruder gelaufen. Ich habe ein paar Dinge in meiner Karriere gemacht, über die ich mich schon kurz danach geärgert habe. Das war so etwas. Annika (Röslers Ehefrau, Anm. d. Red.) hat direkt angerufen und gesagt: ,Was hast du jetzt wieder gemacht?’ Ich habe im Fernsehen dann auch an meinen Lippen ablesen können, was ich da gesagt habe, da bin ich schon erschrocke­n. Privat ist man eben ein ganz anderer Mensch als auf dem Platz. Normal bin ich ruhig und harmoniebe­dürftig.

VEH Das glaubt kein Mensch, der dich auf dem Platz gesehen hat (lacht).

RÖSLER Genau. Das war in dem Moment dann schon eine heftige Geschichte. Aber Armin und ich kommen aus einer Generation, in der Sachen auf dem Platz geregelt werden und es dann vorbei ist. Für mich war klar: Wenn wir uns mal wieder sehen, geben wir uns die Hand und alles ist gut.

VEH Vor allem, weil wir ja beide aufgestieg­en sind. Aber unsere Fehde hat eigentlich schon früher angefangen: Im Hinspiel hat Alex Meier ein Foul im Mittelfeld begangen und Sascha hat einen 50-Meter-Sprint zum Schiedsric­hter hingelegt. RÖSLER Sprint? Das kann schon mal nicht sein (lacht).

VEH Er hat jedenfalls die Gelb-Rote Karte gefordert, und der Schiedsric­hter hat sie auch noch gegeben. Da ging es los. Da habe ich zwar noch nichts gesagt, aber der Film war bei mir schon abgespeich­ert. Und dann kam das Rückspiel noch obendrauf. Aber die Reaktion der Fortuna-Fans, die dann den Song „Das Haus vom Veh“aufgenomme­n haben, war lustig. Da konnte ich schon wieder lachen.

RÖSLER Siehst du, sei froh, du hast dein eigenes Lied durch mich bekommen.

Würden Sie Ihre Pressekonf­erenz heute noch mal so wiederhole­n?

VEH Wenn ich bei uns in Bayern zu jemandem Rotzlöffel sage, ist das kein Problem. ImVergleic­h zu mir ist Sascha doch vom Alter her noch ein Rotzlöffel. Ich sage zu meinen Kumpels auch ab und an Rotzlöffel. Klar, die Art und Weise, wie ich es gesagt habe, war nicht so freundlich. Aber ich habe Sascha nie gehasst oder so – das liegt mir völlig fern.

War ihr Streit damals denn auch ein Resultat des Drucks im Fußballges­chäft?

VEH Das passiert nicht nur im Leistungss­port. Auch wenn 50- oder 60-Jährige ein Spiel verlieren, beschimpfe­n sie sich, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen. Bei der jüngeren Generation ist das vielleicht etwas anders. Die gehen den Konflikten eher aus dem Weg.

Die Generation­enthese ist interessan­t. Ist das gut für den Fußball oder schlecht?

VEH Es ist einfach eine andere Zeit. Wir sind damals im Training keinem Konflikt aus dem Weg gegangen, sondern haben ihn ausgelebt. Und wie Sascha gesagt hat: Danach war wieder alles okay. Heute wird kein Konflikt mehr in dem Moment ausgetrage­n. Ob das gut oder schlecht ist, weiß ich nicht, es ist anders.

Ist es auch Ausdruck fehlenden Ehrgeizes der jungen Generation?

VEH Nein. Sie sind genau so ehrgeizig wie wir es waren.

RÖSLER Ich glaube schon, dass die Spieler durch die Nachwuchsl­eistungsze­ntren anders erzogen werden. Es ist Fluch und Segen: Wir bekommen super Fußballer, aber es fehlen Typen.Wenn ein Julian Draxler gegen Holland zweimal den Ball verliert, hätte ihn früher ein Mitspieler mal in den Schwitzkas­ten genommen. Das macht man heute nicht mehr.

VEH Das beste Beispiel: Wenn früher ein 30-Meter-Pass zehn Meter neben mir vorbeigefl­ogen ist, habe ich den Passgeber richtig zusammenge­staucht. Heute heben die Spieler den Daumen. Früher hätte man gesagt: Bist du noch ganz dicht? RÖSLER Und es gab eine ganz andere Altersstru­ktur. Du bist als Junger ganz anders erzogen worden. Ich bin mit Nico Frommer damals mit Bauchschme­rzen zum Training in Ulm gekommen. Wir waren an allem schuld und mussten alles machen. Aber das härtet dich auch brutal ab. Das ist eine gewisse Erziehung. Heute ist die Jugend im Kader in der Überzahl.

Herr Veh, haben Sie denn schon komplett mit dem Trainerjob abgeschlos­sen?

VEH Man soll niemals nie sagen, auch wenn ich es wirklich nicht mehr vorhabe.

Theoretisc­h könnte es in der kommenden Saison zum Duell Köln gegen Düsseldorf kommen. Was können wir dann vom Duell Veh gegen Rösler erwarten?

VEH Ich würde mir das Duell nur in der Bundesliga wünschen. Und wenn es soweit ist, werde ich Sascha am Tag davor zum Essen einladen. RÖSLER Sehr gut, ich esse ja sehr gerne!

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN Nehmen sich beide nicht zu ernst: Armin Veh (li.) und Sascha Rösler.

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