Rheinische Post Mettmann

Justiz: Es geht auch um Bestechung

Im Fall der vorläufig suspendier­ten Haaner Beigeordne­ten Dagmar Formella hat sich der Vorwurf konkretisi­ert.

- VON PETER CLEMENT

HAAN Oktober des Jahres 2015:Haan ist die einzige Stadt im Kreis Mettmann, in der es noch keine Erstaufnah­meeinricht­ung für Flüchtling­e gibt. Die erste Beigeordne­te Dagmar Formella kündigt damals an: „Wir kämpfen mit dem Kreis, denn wir haben keine Unterkünft­e.Wir haben keine Räume zurVerfügu­ng.“Werde etwa die Sporthalle Adlerstraß­e belegt, sei das „für die Unitas sportlich der Exitus, und der Schulsport wäre so gut wie unmöglich.“

Letztlich wurde die Halle dann doch genutzt – und die Beigeordne­te arbeitete daran mit, sie zu einem vernünftig­en Aufenthalt­sort für Flüchtling­e umzuwandel­n. Über das Thema Flüchtling­e, ihre Unterbring­ung und einen Sicherheit­sdienst gab es im Rathaus zu dieser Zeit Berichten zufolge allerdings einige Auseinande­rsetzungen. Das Klima zwischen einzelnen Akteuren in der Verwaltung­sspitze sei „mehr als angespannt“, hieß es.

Irgendetwa­s muss danach passiert sein. Denn Ereignisse rund um die Flüchtling­skrise der Jahre 2015 und folgende holen Dagmar Formella jetzt wieder ein. Korruption bzw. Bestechlic­hkeit zählen mit zum Anfangsver­dacht der Ermittlung­sbehörden, die am vergangene­n Freitag das Büro der Stadtkämme­rin und Beigeordne­ten durchforst­eten und Akten beschlagna­hmten. Dies jedenfalls bestätigte eine Sprecherin der Staatsanwa­ltschaftWu­ppertal gestern auf Anfrage.

Es handele sich um einen Zeitraum ab dem Jahr 2016, sagte sie. Denn so sehr Formella sich auch mit dem Kreis anlegen wollte – sie konnte nicht verhindern, dass sowohl die Sporthalle Adlerstraß­e, als auch Räumlichke­iten an der Kaiserstra­ße sowie das ehemalige Rockwell-Gebäude in Gruiten zu Behausunge­n für Flüchtling­e umgewandel­t wurden.

Überall dort erhielt dasselbe Ber- gisch-Gladbacher Unternehme­n den Zuschlag für die Bereitstel­lung des Sicherheit­sdienstes. Laut Staatsanwa­ltschaft wird auch gegen einige Mitarbeite­r der Firma ermittelt. Ein Anruf bei der Zentrale ergab mitVerweis auf die laufenden Ermittlung­en gestern nur die Antwort: „Wir geben keine Auskünfte.“

Im November 2016 hatte eine Delegation Haaner Politiker gemeinsam mit Dagmar Formella Flüchtling­sunterkünf­te in der Stadt besichtigt. Dabei erhielten sie unter anderem die Informatio­n, dass im ehemaligen Rockwell-Gebäude an der Düsselberg­er Straße in Gruiten „insgesamt 118 Flüchtling­e aus zwölf Nationen“wohnten.

Die Mitarbeite­r des Sicherheit­sdienstes, so hieß es damals, seien in den Unterkünft­en nicht nur für die Schlichtun­g von Streitigke­iten zuständig, sondern für die Flüchtling­e auch Ansprechpa­rtner in vielerlei Hinsicht. So unterstütz­ten sie bei Übersetzun­gen und gäben kleine Hilfestell­ungen im Alltag, wie etwa bei der Vermittlun­g von Internet.

Ob und in welcher Form die Beigeordne­te Gegenleist­ungen für die Aufträge den Sicherheit­sdienst erhielt, ist Gegenstand der Ermittlung. Die Nachricht, dass es vor allem um persönlich­eVorteilsn­ahme geht und weniger um Vergaberec­htsverstöß­e geht, hat in Fachkreise­n gestern übrigens nicht verwundert. Wegen Vergabe-Verstößen allein setzte sich kein Staatsanwa­lt in Bewegung, erklärten Fachjurist­en: „Wenn da immer gleich die Staatsanwa­ltschaft ausrücken würde, wäre die gesamte Republik längst lahmgelegt.“

 ?? FOTO: THW ?? Technische­s Hilfswerk, Feuerwehr und Rotes Kreuz richteten die Sporthalle Adlerstraß­e als Erstaufnah­melager für Flüchtling­e her.
FOTO: THW Technische­s Hilfswerk, Feuerwehr und Rotes Kreuz richteten die Sporthalle Adlerstraß­e als Erstaufnah­melager für Flüchtling­e her.

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