„Die Monarchie ist nicht von gestern“
Im Habsburgerreich ging einst die Sonne nicht unter. Was aber macht der Chef des Hauses im 21. Jahrhundert? Ein Gespräch über Etikette, Eheschließungen und das Erbe der Geschichte.
Stephansdom,
Wie rede ich Sie eigentlich korrekt an?
Das ist eine typische Frage, für die ich eigentlich keine echte Antwort habe. Ich lebe in Österreich, da sind die Titel abgeschafft. In meinem Pass steht: Karl Habsburg Lothringen. Ich tue es meistens meinem Vater nach, der international bekannt war als Otto von Habsburg. Deswegen bezeichne ich mich meistens als Karl von Habsburg, befinde mich aber damit zum Teil in Österreich auf schwierigem Terrain. Ich wurde dieses Jahr schon angezeigt, weil meineWebsite auf Karl von Habsburg lautet. Ich wurde aber bislang nicht verurteilt.
Jetzt gibt es ja Leute, die sagen: Kaiserliche und Königliche Hoheit. Ist das korrekt?
Ja und nein. Wenn ich es auf mich persönlich beziehen würde, wäre es wahrscheinlich nicht korrekt. Aber ich beziehe es ja meist auf eine Funktion, die in Bezug auf die Geschichte meiner Familie besteht. Es ist eine Reverenz vor der Geschichte.
Sie haben im August eine „Erklärung für Frieden und Freiheit. 100 Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs“unterzeichnet. Warum ist Ihnen das wichtig?
Die vergangenen vier Jahre haben gezeigt, dass man so eine Art Bewusstseinsbildung schafft, was der Erste Weltkrieg Zeit als Herrscher Territorien Wichtige Herrscher für uns heute bedeutet. Nach dem Ersten Weltkrieg ging es ja sofort weiter – in Wirtschaftskrise, Depression, Machtübernahme, wiedererstarkten Nationalismus und schon in den Zweiten Weltkrieg hinein. Die Konsequenzen des Ersten Weltkriegs sind niemals aufgearbeitet worden. Wenn man heute die Situation im Mittleren Osten sieht, dann ist dies eine typische Konsequenz des Ersten Weltkriegs. Deshalb ist es so wichtig, solche Erinnerungsjahre zu nutzen.
Der Erste Weltkrieg hat viel mit Ihrer Familie zu tun. Wie geht ein Habsburger damit um?
Vor vier Jahren war das Hauptthema nicht die Frage, was der Auslöser des Ersten Weltkriegs war. Das wissen wir alle – die Schüsse in Sarajevo. Aber was war der Grund? Und da kommen alle seriösen Historiker zum Schluss, dass der Hauptgrund der wachsende Nationalismus war.
Was bedeutet das für uns heute?
Wenn man die Sache historisch betrachtet, muss man sagen, dass es in jedem Land immer einen gewissen Prozentsatz von rein national denkenden Menschen gibt. Der ist aber meistens nicht sehr groß. Es ist wichtig, die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg zu nutzen, um auf die Gefahr des Nationalismus hinzuweisen.
Wie viele Habsburger gibt es?
Es gibt über 500 Habsburger. Die leben auf allen Kontinenten. Das hat damit zu tun, dass die Familie nach dem Ersten Weltkrieg ins Exil gehen musste. Und damit ist die Familie weit verstreut. Das hat heute auch seineVorteile. Man hat überall Kontak-
Eremitage, te, es besteht noch immer ein großer Zusammenhalt. Ich versuche in gewissen Abständen, Familientreffen zu organisieren.
Wie wird man Chef des Hauses?
Zeit als Herrscher
Territorien Wichtige Herrscher
Dafür kann ich nichts. Da bin ich unschuldig. Der älteste Sohn des ältesten Sohns übernimmt halt diese Aufgabe.
In Großbritannien, in den Niederlanden, in Belgien, Norwegen, Schweden und Spanien gibt es noch Könige. Gibt es eine latente Sehnsucht nach der Monarchie?
Menschen, die sagen, dass die Monarchie eher eine Staatsform der Vergangenheit ist, sind einfach nicht realistisch. Sie ist genauso eine Staatsform der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft, wie andere Staatsformen auch eine Rolle in der Vergangenheit gespielt haben oder in der Zukunft spielen werden. Das trifft, leider Gottes, auf totalitäre Staatsformen genauso zu wie auf demokratische.
Unsere Gesellschaft ist in Teilen multikulturell. Ist da der Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn möglicherweise ein Vorbild? Oder ist er daran gescheitert?
Es kann ja beides sein. Der Vielvölkerstaat ist letztendlich an den Nationalismen gescheitert. Was auch damit zu tun hatte, dass er diese Völker immer als eigenständig betrachtet hat. Für mich ist eines der besten Beispiele die österreichische Volkshymne. Sie hat zur Zeit der Monarchie in zwölf offiziellen Formen und unzähligen inoffiziellen Formen und Sprachen existiert. Wer in Frankreich versucht hätte, die Marseillaise auf Bretonisch oder Okzitanisch zu singen, wäre wahrscheinlich guillotiniert
worden. Bei uns war das selbstverständlich.
Dürfen Ihre Kinder die Partner frei wählen?
Klar.Wir haben zwar gewisse Familiengesetze in der Beziehung, aber das beschränkt sich auf ein absolutes Minimum.
Welche?
Nicht in der Wahl. Natürlich lege ich Wert darauf, dass die nächste Generation auch nach katholischen Grundprinzipien erzogen wird. Das ist für mich die Hauptrichtschnur.
Aber es muss niemand aus dem Adel sein?
Nein.
Ihr Vater hat sich politisch engagiert, auch im Europaparlament. Was machen Sie?
Für mich ist heute eins der wesentlichen Themen die Frage des Kulturgüterschutzes. Ich darf die Organisation „Blue Shield“leiten, die kulturelle Güter bei bewaffneten Konflikten schützt. Das ist heute, Gott sei Dank, hauptsächlich außerhalb Europas relevant, auch in eingeschränktem Maße in der Ukraine. Aber der größte Bereich ist der Mittlere Osten, sind die verschiedenen Konflikte, die wir auch in Nordafrika erleben. Das ist aber alles unser gemeinsames Kulturerbe, nicht das
Kulturerbe nur eines
Staates.