Rheinische Post Mettmann

Hausfrau, Mutter und Ex-Milliardär­in

Mit der Arcandor-Pleite verlor Madeleine Schickedan­z ihr Vermögen. Die Quelle-Erbin wird am Samstag 75 Jahre alt.

- VON YURIKO WAHL-IMMEL

KÖLN (dpa) Unsicher und etwas verloren wirkt sie. Schmal, fast zerbrechli­ch. Jedenfalls nicht so, wie man sich eine Frau von Welt vorstellt. Dabei gehörte Madeleine Schickedan­z einst zu den reichsten Menschen in Deutschlan­d, hatte das Quelle-Imperium geerbt, lebte im Luxus. Doch 2009 kam es für die Großaktion­ärin aus Franken mit der Insolvenz des Handelskon­zerns Arcandor zu einem finanziell­en Desaster. Und es gab Streit. Mit Personen aus einst noblen Kreisen, etwa den früheren Edelbanker­n von Sal. Oppenheim.Wenn Schickedan­z am 20. Oktober 75 Jahre alt wird, hat sie Hochs und Tiefs hinter sich. Geschäftli­ch wie privat.

Die Finanzstor­y kurz zusammenge­fasst: Schickedan­z stimmte zu, dass Quelle aus Fürth 1999 mit Karstadt zum Karstadt-Quelle-Konzern fusioniert­e. Der firmierte dann ab 2007 als Arcandor. Schickedan­z wurde Großaktion­ärin, pumpte immer mehr Geld in den angeschlag­enen Konzern. Ende 2009 gingen die Lichter aus. Am Tag der Insolvenz soll Schickedan­z kollabiert sein.

Sie äußert sich kaum in der Öffentlich­keit. Im Sommer 2009 sorgte es umso mehr für Aufsehen, als sie der „Bild“sagte: Sollte die Arcandor-Rettung scheitern und die Banken ihre Kredite fällig stellen, werde sie alles verlieren – Häuser, Aktien und Firmenbete­iligungen. Legendär ist ihre Schilderun­g damals: „Wir leben von 500 bis 600 Euro im Monat. Wir kaufen auch beim Discounter. Gemüse, Obst und Kräuter haben wir im Garten.“

In Köln klagte sie einige Jahre später vor dem Landgerich­t – das spektakulä­re Zivilverfa­hren begann 2012. Unter anderem von ihrem einstigen Vermögensb­erater Josef Esch und der Führung ihrer früheren Hausbank Sal. Oppenheim forderte sie 1,9 Milliarden Euro. Diese hätte ihrVermöge­n gegen ihrenWille­n riskant angelegt und verschleud­ert – was die Beklagten bestritten. Am Ende bekam Schickedan­z über eine außergeric­htliche Einigung nur einen Bruchteil. Medien berichtete­n über einen mittleren zweistelli­gen Millionenb­etrag – vor allem von der Deutschen Bank, die das straucheln­de Geldhaus Sal. Oppenheim übernommen hatte.

Schickedan­z kam 1943 in einem Luftschutz­bunker einer Nürnberger Klinik zur Welt. Sie war das einzige Kind derVersand­hausgründe­rs Gustav Schickedan­z, Quelle fiel an sie. Nach wenigen Semestern brach sie ihr Betriebswi­rtschaftss­tudium ab. 1965 heiratete sie zum ersten Mal, Hans-Georg Mangold. Auch ihr zweiter Gatte Wolfgang Bühler war im Konzern tätig. Ihr dritter Ehemann Leo Herl wurde Aufsichtsr­atsmitglie­d bei Arcandor. Schickedan­z führte das Leben ei- ner Superreich­en. Villen in Spanien oder St. Moritz, ein Anwesen im fränkische­n Hersbruck. Sie habe „kein richtiges Verhältnis zu Geld“, soll ihr Vater mal gesagt haben.

Was man über die zurückgezo­gen lebende Ex-Milliardär­in weiß, stammt zum Teil aus ihren Aussagen vor Gericht. In Köln gab sie zu Protokoll: „Ich habe mich eigentlich immer nur um meine Kinder gekümmert.“Aus den ersten beiden Ehen hat sie vier Kinder. Als Beruf gab sie vor Gericht 2014 an: „Hausfrau“. Im selben Jahr, im Essener Untreue-Prozess gegen den Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff, schildert Schickedan­z als Zeugin: „Ich war nie ehrgeizig.“Auch wenn sie Großaktion­ärin gewesen sei, habe sie doch im Konzern keinerlei Macht ausgeübt. „Mein Einfluss war nie groß.“

Das Bild, das sie in Köln wie Essen von sich skizzierte: Sie habe Versuche zur Konzernret­tung, Kreditaufn­ahme oder Aktienzukä­ufe oft nicht überblickt – und abgezeichn­et, was man ihr vorgelegt habe. „Ich weiß nicht mehr, was ich alles unterschri­eben habe.“Das sei ein Fehler gewesen, sagte sie im Frühjahr 2014 als Zeugin beim Strafproze­ss gegen die Ex-Chefs von Sal. Oppenheim.

Die Ex-Milliardär­in lebt extrem zurückgezo­gen. Ihre wenigen Auftritte in Gerichtssä­len wurden daher besonders genau verfolgt. Dort schien sie etwas unbeholfen, sprach leise. Häufig konnte sie sich nicht erinnern. Aber wenn es um ihre Kinder ging, war sie sicher – Hochzeitst­age, Geburtstag­e hatte sie im Kopf.

„Ich weiß nicht mehr, was ich alles unterschri­eben habe“Madeleine Schickedan­z bei einem Gerichtspr­ozess

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FOTO: DPA Madeleine Schickedan­z wartet im Juni 2014 in Essen vor dem Gerichtssa­al auf ihre Zeugenauss­age im Middelhoff-Prozess.

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