Rheinische Post Mettmann

Bretter, die die Welt verbessern

Titus Dittmann machte einst das Skateboard in Deutschlan­d berühmt. Heute baut er Skateparks auf der ganzen Welt.

- VON MARVIN WIBBEKE

DÜSSELDORF Lässig steht Titus Dittmann da. Wollmütze, Kapuzenpul­li, Turnschuhe, das Portemonna­ie mit einer Kette an der locker sitzenden Hose befestigt. Skater-Image in Reinform. Wenn er über das Skateboard­en redet und dabei ausufernd gestikulie­rt, dann leuchten seine braunen Augen. Kein Wunder, schließlic­h ist das Leben des mittlerwei­le 69-jährigen eng mit dem Brett auf vier Rollen verbunden.

Was in den USA Tony Hawk ist, ist in Deutschlan­d Titus Dittmann. Nicht vom fahrerisch­en Vermögen her, aber vom Einfluss auf die Szene und die damit verbundene Jugendkult­ur. Denn Dittmann war es, der das Skateboard in Deutschlan­d und Europa berühmt machte. Das ist inzwischen 40 Jahre her. Seit Ende der 70er-Jahre beschäftig­t er sich mit diesem Sport, der für ihn viel mehr als das ist. „Das ist die größte bewegungso­rientierte Jugendkult­ur, die je entstanden ist“, schwärmt der Münsterane­r bei einem Termin in Düsseldorf.

Skateboard­en ist aber noch etwas anderes. Skateboard­en ist Selbstbest­immung. Und genau deshalb so wichtig für die Persönlich­keitsentwi­cklung von Kindern und Jugendlich­en. Das hat Dittmann früh erkannt und wird nicht müde, es zu wiederhole­n: „Es ist ein wunderbare­s Werkzeug. Man braucht keine Trainer, und man kämpft nur gegen sich selbst. Und wenn man auf die Schnauze fällt, steht man wieder auf und macht weiter, bis es endlich klappt. So entsteht Leidensfäh­igkeit und Leistungsf­ähigkeit – und bildet sich Persönlich­keit.“

Seinen Lehrerberu­f hatte er schon früh aufgegeben, um sich ganz dem Skateboard zu widmen – als Unternehme­r. Weil es in Deutschlan­d keinen Markt für Skateboard­zubehör gab, gründete Dittmann einfach einen und benannte ihn nach sich selbst: Titus. Der Beginn einer Erfolgssto­ry. Heute gibt es deutschlan­dweit mehr als 30 Filialen. Doch ganz ohne Rückschläg­e lief es nicht, 2006 steckte das Unternehme­n in einer schweren Krise, der geplante Börsengang platzte, und Investoren forderten ihr Geld zurück. Weil Dittmann das Hinfallen vom Skaten aber zur Genüge kennt und Liegenblei­ben keine Option war, rappelte er sich wieder auf und führte die Marke zurück zum Erfolg.

Die Vorzüge des Skateboard­s seien ganz besonders für die Kinder wichtig, die nicht in wohlbehüte- ten deutschen Vororten groß werden, sondern in Kriegsgebi­eten, geplagt von Hunger und Armut. Deshalb hat sich Dittmann auch auf die Fahnen geschriebe­n, mit dem Skateboard die Welt ein kleines bisschen besser zu machen. Er gründete die Initiative „skate-aid“und verwirklic­ht seit 2009 gemeinsam mit seinem Team Projekte für benachteil­igte Kinder und Jugendlich­e auf der ganzenWelt. Begonnen hat diese Reise allerdings schon ein Jahr zuvor, als er ein Projekt in Kabul unterstütz­te. Von da an war klar, dass Dittmann weiter in dieser Richtung aktiv sein will.

Deshalb gab er die Unternehme­nsleitung an seinen Sohn ab. Er selbst konzentrie­rte sich fortan auf

„skate-aid“. Nach zahlreiche­n bereits abgeschlos­senen Projekten in Südamerika, Afrika und Asien steht nun ein neues in den Startlöche­rn. Gemeinsam mit den SOS-Kinderdörf­ern plant Dittmann einen Skatepark in Damaskus. Sie arbeiteten zuvor schon in Palästina (2015) und Ruanda (2016) zusammen. Aus den Erfahrunge­n weiß Dittmann, was das Skaten mit Kindern macht. „Die Kids sind teilweise stark traumatisi­ert, einige haben von ihrer Geburt an nur Krieg erlebt. Durch das Skaten können sie sich nicht nur ablenken, sondern sich entwickeln. Dafür schaffen wir die Voraussetz­ungen mit unseren Skateparks“, sagt er. Um das Ziel zu verwirklic­hen, braucht es aber auch viel Geld: 85.000 Euro benötigen Dittmann und die SOS-Kinderdörf­er binnen vier Wochen, um den Skatepark in Damaskus bauen zu können. Die sollen über Spenden zusammenko­mmen.

Dittmann ist davon überzeugt, dass dies auch gelingt. Er ist eben ein Optimist. In diesem Jahr feiert er seinen 70. Geburtstag. Dieses Alter sieht man ihm allerdings nicht an. Er würde auch noch als 20 Jahre jünger durchgehen. Nicht umsonst bezeichnet er sich selbst als „spätpubert­ierend.“So bleibt er authentisc­h. Und er steht immer noch selbst auf dem Board – wenn auch nicht mehr so häufig wie früher.„Ich fahre an denWochene­nden zum Brötchen holen“, sagt er. Die größte Herausford­erung dabei:„Die Brötchen auf dem Heimweg nicht fallen zu lassen.“

 ?? FOTO: DIEKMANN ?? Titus Dittmann präsentier­t hier den Kindern in Bethlehem 2015 sein geliebtes Skateboard. Nach den Projekten in Palästina (2015) und Ruanda (2016) will er nun gemeinsam mit den SOS-Kinderdörf­ern einen Skatepark in Syrien bauen.
FOTO: DIEKMANN Titus Dittmann präsentier­t hier den Kindern in Bethlehem 2015 sein geliebtes Skateboard. Nach den Projekten in Palästina (2015) und Ruanda (2016) will er nun gemeinsam mit den SOS-Kinderdörf­ern einen Skatepark in Syrien bauen.

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