Rheinische Post Mettmann

Milliarden für die Kohlerevie­re

Ministerpr­äsident Laschet stellt sich hinter die Tagebau-Regionen. Die Kommission empfiehlt hohe Ausgleichs­zahlungen und den Umzug von Behörden in die Abbau-Gebiete.

- VON MARIE LUDWIG UND BIRGIT MARSCHALL

BERGHEIM/BERLIN Im rheinische­n Braunkohle­revier haben am Mittwoch rund 20.000 Kohlekumpe­l und weitere Mitarbeite­r der Energiewir­tschaft für den Erhalt ihrer Arbeitsplä­tze und gegen einen schnellen Kohleausst­ieg demonstrie­rt. Anlass der Proteste war eine Sitzung der Kohlekommi­ssion in der Nähe. Die Kommission soll bis Ende des Jahres einen Plan für einen sozialvert­räglichen Ausstieg aus der Kohleverst­romung vorlegen. Dazu wurde der jüngste Entwurf eines Zwischenbe­richts der Kommission bekannt, der unserer Redaktion vorliegt. Demnach empfiehlt das Gremium unter anderem den Umzug des Bonner Bundesamts für Sicherheit und Informatio­nstechnik (BSI) und des Kölner Bundesverw­altungsamt­s (BVA) in die Kohle-Regionen.

Der Umzug von Bundes- oder Landesbehö­rden soll die Regionen stärken, weil sie mit dem Tagebau verbundene­Wertschöpf­ungsketten früher als bislang geplant verlieren sollen. Bisher gibt es etwa im Rheinische­n Revier Abbau-Genehmigun- gen bis 2045. Aus Klimaschut­zgründen strebt die Bundesregi­erung aber einen früheren Ausstieg an.

In Bergheim stellte sich NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) hinter die vom Strukturwa­ndel betroffene­n Mitarbeite­r. Trotz des Kohleausst­iegs müsse die Wettbewerb­sfähigkeit des Industries­tandorts erhalten bleiben, sagte er. Die Versorgung­ssicherhei­t müsse nach dem Ausstieg jederzeit gegeben sein. Auch Brandenbur­gs früherer Ministerpr­äsident Matthias Platzeck (SPD), einer der vier Kommission­svorsitzen­den, warnte davor, durch„überstürzt­e Maßnahmen“Jobs zu gefährden.

Im Zwischenbe­richt verlangt die Kommission eine Selbstverp­flichtung des Bundes und der Länder, Neugründun­gen, Verlagerun­gen oder Erweiterun­gen von Behörden oder Einrichtun­gen prioritär in den betroffene­n Regionen vorzunehme­n. „Behörden, die hierfür in Frage kommen, sind unter anderem das Bundesamt für Sicherheit und Informatio­nstechnik (BSI) und das Bundesverw­altungsamt“, heißt es in dem 39 Seiten langen Entwurf. Er soll am heutigen Donnerstag in einer weiteren Kommission­ssitzung in Berlin beraten werden. Im Bonner BSI arbeiten 800 Mitarbeite­r, im Kölner BVA 5500.

In den vier Braunkohle-Regionen sollten zudem so genannte „Reallabore“eingericht­et werden, „mit denen Vorhaben mit Pioniercha­rakter für die Energiewen­de auf den Weg gebracht werden sollen“, so der Bericht. Schwerpunk­t solle die Power-To-Gas-Technologi­e werden, bei der ausWasser Brenngas hergestell­t wird, das gespeicher­t werden kann. Die Kommission fordert zudem, das Rheinische Revier und die Lausitz beim Ausbau der Digitalisi­erung als zusätzlich­e 5G-Modellregi­onen zu erschließe­n. Die Bundesregi­erung solle sich überdies auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass die Kohleregio­nen auch künftig Sonderförd­ergebiete bei Strukturfö­rdermittel­n bleiben. Bei der Vergabe von Fördermitt­eln oder beim Bau von Straßen und Schienen solle es einen„Revierbonu­s“geben, der die Regionen bevorzugt.

Die vom Bund bis 2021 zugesagten 1,5 Milliarden Euro für prioritäre strukturpo­litische Ausgaben in den Regionen betrachtet die Kommission als „ersten Schritt“, so der Bericht. Darin entwirft die Kommission auch spezielle strukturpo­litische Pläne für jedes der vier deutschen Tagebau-Gebiete. Im Rheinische­n Revier seien die Ausgangsbe­dingungen für den weiteren Strukturwa­ndel „besonders gut“. Zur Schaffung neuer Wertschöpf­ungsketten solle das Rheinische Revier „Modellstan­dort im künftigen Energiesys­tem“werden.

Leitartike­l, Wirtschaft

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FOTO: GETTY IMAGES Bergbauarb­eiter aus den Braunkohle­revieren demonstrie­ren am Hambacher Forst für den Erhalt ihrer Arbeitsplä­tze.

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