Wahlkampfhilfe aus Honduras
Der Migrantentreck, der sich aus Mittelamerika auf den Weg in Richtung USA gemacht hat, kommt US-Präsident Donald Trump gerade recht – die Midterm-Wahl steht an. Dabei sind US-Konzerne wie Starbucks mitverantwortlich für die Fluchtursachen.
WASHINGTON Ein besseres Geschenk hätte sich Donald Trump derzeit wohl nicht wünschen können. Ausgerechnet wenige Wochen vor der Midterm-Wahl in den USA spielen sich an der Grenze zwischen Mexiko und Guatemala Szenen ab, die dem Anti-Migranten-Hardliner Trump in die Hände spielen. Flüchtlinge, die über den Fluss Río Suchiate die Grenze nach Mexiko illegal überqueren, andere, die Grenzzäune einreißen. Für Trump sind die rund 2000 Flüchtlinge, die sich vor gut einerWoche im honduranischen San Pedro Sula auf denWeg gemacht haben, Kriminelle, die die Sicherheit in den USA bedrohen. Die Gesamtzahl der Migranten ist nach UN-Angaben unklar, weil der Marsch sich inzwischen in verschiedene Ströme geteilt hat. Schätzungen gehen von bis zu 7000 Menschen aus.
Viel deutet daraufhin, dass diese neue Karawane aus Mittelamerika von interessierten Nichtregierungsorganisationen auch aus ideologischen Gründen organisiert wurde. Das ist allerdings verständlich, denn gemeinsam sind die Migranten stärker und nicht den brutalen Gefahren ausgeliefert, die sie entlang der Strecke erwarten: Überfälle bewaffneter Banden, die junge Frauen in die Pro- stitution zwingen oder Jagd auf Organe machen, die sie den von ihnen getöteten Flüchtlingen entnehmen können. Den Rest rekrutiert die Drogenmafia. Das sind keine Horrorphantasien, sondern nachgewiesene Realität.
Trotzdem ist die Karawane derzeit ein Fehler. Sie wird die Fronten verhärten und sie wird den neuen mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador, der in wenigenWochen sein Amt antreten wird, zusätzlich unter Druck setzen. Ein Mauerbau zwischen den USA und Mexiko wird aufgrund solcher Bilder wieder etwas wahrscheinlicher. Immerhin hat López Obrador jetzt eine bemerkenswerte Kehrtwende in der Migrationspolitik angekündigt und stellt Arbeitsvisa für mittelamerikanische Flüchtlinge in Aussicht, sobald er Anfang Dezember im Amt ist. Sollte er Wort halten, müssen Europa aber auch Trump ihn politisch und finanziell unterstützen, denn dann übernimmt Mexiko einen großen Teil der Last, die aus der Migrationsbewegung resultiert. Es wäre der Versuch, die Migrantentrecks mit „Chancen statt mit Abschiebungen“zu stoppen, wie López Obrador sich ausdrückt.
Eine tatsächliche Bekämpfung der Fluchtursachen ist ohnehin nur mit einer gerechteren Wirtschaftspoli- tik möglich. Wenn Kaffeekonzerne wie Starbucks oder Nestle Millionen und Milliardengewinne einfahren, während der Kaffeepflücker in Mittelamerika und anderswo angesichts der aktuell tiefsten Abnahmepreise auf dem Weltmarkt seit Jahren für sechs Dollar am Tag bis zur Erschöpfung arbeiten muss, dann zieht es die Menschen dorthin, wo es zumindest die Hoffnung auf ein paar Dollar mehr gibt. Nicht um- sonst werben die kaffeeproduzierenden Länder vor einer sozialen Katastrophe.
Ein Blick auf die Preisentwicklung macht deutlich, welch dramatischen Verluste die Kaffeebauern hinnehmen müssen. Im November 2016 lag der Kaffeepreis für die Sorte„Arabica kolumbianisch mild“noch bei 177,85 Cent je Pfund, ein Jahr später war der Preis bereits auf 144,09 Cent abgestürzt und zuletzt lag der Preis im September 2018 bei 125,74 Cent. Ein Verlust von mehr als 25 Prozent, einige Sorten erreichen die tiefsten Preise seit zwölf Jahren. Steigende Ernten, aber auch Spekulationen an den Börsen sorgten für den Preisverfall.„Unsere Lage ist verzweifelt“, sagte RobertoVelez, Sprecher der kolumbianischen Bauern vor ein paar Tagen und bat die Märkte um Hilfe. Sein Appell an die Großkonzerne wie Starbucks oder Nestle, zumindest die Produktionskosten zu erstatten, verhallt bislang allerdings.
Für die Kaffeepflücker in den kolumbianischen Anden oder in den honduranischen Bergen hat das dramatische Konsequenzen, viele verlieren ihre Jobs oder müssen mit wenigen US-Dollar am Tag auskommen. Andere wechseln zum illegalen aber lukrativeren Koka-Anbau. Die Kokain-Produktion in Kolumbien ist seit zwei Jahren trotz Frie- densprozess deutlich gestiegen. Der Drogenkrieg wird blutiger. Unternehmen wie Starbucks steigern durch die niedrigen Kaffeepreise dagegen ihren Profit. Im Geschäftsjahr 2017 erzielte die Kaffeehaus-Kette einen Reingewinn von rund 2,9 Milliarden US-Dollar, was vor allem daran liegt, dass sie den Kaffee mit allerlei Zutaten wie Sojamilch oder Karamell teuer verkaufen. Die Aktionäre können sich über Dividenden freuen, doch in Lateinamerika kommt vom Kaffeehype nichts an und die Bauern packen die Koffer. Sie zieht es dahin, wo man in einer halben Stunde hinter dem Tresen bei Starbucks so viel verdient wie an einem ganzen Tag beim anstrengenden Pflücken in den Bergen.
Wie wäre es, wenn Europa und die USA mit einem Solidarzuschlag von fünf Cent pro verkauftem Cappuccino oder Caffè Latte die mexikanische Initiative von López Obrador unterstützten. Der Latte macchiato mit Extraschuss Kaffee, Karamell und Sojamilch kostet dann eben 7,65 Euro statt 7,60. Vor lauter Forderungen nach ökologisch abbaubaren Coffee-to-Go-Bechern vergisst das mehr und mehr grüne Gewissen der Wohlstandsgesellschaft nämlich, dass der Kaffee, der drin ist, erstmal marktgerecht bezahlt werden muss.