Keiner lacht
Der Hamburger Gangsta-Rapper Gzuz ist mit humorloser Musik extrem erfolgreich. Er beleidigt Frauen, verherrlicht Waffen und Drogen – und die deutsche Jugend rappt mit. Eine Annäherung in Köln.
Zum Lachen müsste man die Straßenseite wechseln. Dort spielt die Karnevalsband Kasalla, die personifizierte rheinische Sorglosigkeit. Hier, auf dieser Seite der Straße, man hat sie sehr bewusst gewählt, gibt es auch Kasalla. Der 29 Jahre alte Kristoffer Jonas Klauß, der sich Gzuz nennt, und dessen Stimmbänder klingen, als sei mindestens ein Lkw drübergefahren, gibt ein Konzert, das zum Versteinern der Gesichtsmuskulatur einlädt.
Erstmal Luft holen. An der Wand dieser Kölner Konzerthalle hängen zwei Maschinengewehre, gekreuzt, und man weiß nicht ganz genau, ob sie den Besucher einschüchtern sollen, oder ob es sich um Symbole einer lächerlichen Inszenierung handelt. Vor dieser Wand steht Gzuz, kalter Sprich-mich-bloß-nicht-an-Blick, Goldkette, weißer Trainingsanzug, und verspricht der ausverkauften Halle aggressiven Gangsta-Rap, „da geht’s um Gewalt“. Gzuz, das muss man vielleicht noch wissen, steht für „Ghettozeug unzensiert“.
Gzuz ist der prominenteste Kopf der 187 Straßenbande, einem Hamburger Kollektiv von Rappern mit Hang zu Straftaten. 187 steht für den kalifornischen Polizeicode für Mord. Die Mitglieder der Gruppe befinden sich regelmäßig in Haft. Gzuz saß drei Jahre und vier Monate wegen räuberischen Diebstahls. Schaut man sich seine heutigen Musikvideos auf Youtube an, stellt man sich das Delikt etwas anders vor. Statt mit einer fetten Knarre bedrohte Gzuz einen Passanten mit einer abgebrochenen Bierflasche. Statt dicken Geldbündeln stahl er ihm ein Handy. Ist vielleicht besser so.
Die 187 Straßenbande erfreut sich eines riesigen kommerziellen Erfolgs. Die Musik, in der Frauen verachtet, Drogen und Waffen verherrlicht werden, verkauft sich irre gut. Einige Songs von Gzuz‘ neuem Album „Wolke 7“sind bei Spotify be- reits 20 Millionen Mal gestreamt worden. Fanboxen sind schnell ausverkauft, ebenso die Konzerte, bei denen sich die Kollegen von 187 jeweils gegenseitig unterstützen.
Der Versuch, das zu begreifen, führt auf diese Straßenseite in Köln. Der strenge Gras-Geruch ist für ein Hip-Hop-Konzert erstmal keine Überraschung. Schon eher verblüfft das Publikum. Klar, hier sind die Möchtegerngangster, die auch gern mit einer Uzi wedeln und einen Mercedes CL 500 fahren würden, aber mit dem Ford Focus bei Lidl den Wocheneinkauf machen. Nein, ratlos machen die jungen Frauen und Mädchen, tätowierter Unterarm, bauchfreies Top, teure Turnschuhe, Make-up für drei Tage. Während sie mit dem übrigens sehr guten Beat nicken, präparieren sie die Instastories. Vor der Halle warten ihre Eltern.
Im Musikvideo von „Was hast du gedacht?“gefriert dem Zuschauer die Seele.Typen mit ätzenden Clownmasken, Waffen, Drogen, Frauenhintern, eine Komposition der Empathielosigkeit. In dem Song sagt Gzuz, gesprochen wie Jesus auf Englisch ohne e, folgende Zeilen: „Bring deine Alte mit, sie wird im Backstage zerfetzt, ganz normal; danach landet dann das Sex-Tape im Netz.“
Also, liebe Frauen, warum rappt ihr das mit? Warum rappt das überhaupt einer mit?
Aufgeschriebene Antworten von drei Frauen zwischen 16 und 28: „Der meint das nicht so“; „Ist doch nicht schlimm“; „Ich achte nicht so auf den Text“. Alles klar?
Es sind übrigens auch etliche Pärchen da, gemeinsamer Tanz zu Gewehrsalben. Hier blüht sie auf, die deutsche Machokultur, hier darf der Mann endlich Mann sein, hart, kalt, aggressiv. Was für eine Vorstellung.
Die Geschichte, die Gzuz erzählt, startet in seiner Kindheit. Aufgewachsen bei der Mutter, kein einfaches Pflaster, eher kein Brockhaus im Regal. Früher Kontakt mit der Straße, mit Drogen, mit Kleinkriminalität. Die Zeit im Knast, dann der riesige Erfolg. „Ich ging schla- fen im Bau und träumte von Geld; ein Album später wach ich auf in einem neuen CL“, rappt Gzuz. Ihm, das behauptet er ständig, macht keiner was vor. Schon gar nicht die Polizei. „Fuck Cops“hat er sich auf die Schulter tätowieren lassen. In Köln stimmt er folgenden Sprechchor an: „ACAB“, „All cops are bastards“.
Neben dem propagierten Patriarchat schwebt in Gzuz‘ Texten ein brutal neoliberaler Materialismus über allem. Du bist das, was du hast. Teure Marken sind wichtig, Gucci, Mercedes Benz, und Geld, viel, viel Geld. Hier zeigt sich ein Missverständnis der Generationenzuschreibung. Mitnichten pfeifen die GenerationenY und Z auf Statussymbole. Sie können sie sich, anders als früher, nur nicht leisten. Statt des CL 500 bleibt nur das Statussymbol für Existenzminimalisten: der Turnschuh.
Trotz der großen Zuneigung zwischen Künstler und Publikum („Ich liebe es, wenn ihr Spaß habt“) knistert es nicht. Die Zuhörer wirken mitunter seltsam apathisch. So entsteht nach jedem Song ein kurzer Moment der Stille. Kein Beifall, kein Jubel, kein Gegröle, nichts. Erst wenn Gzuz wieder anfängt zu schreien, dass er ein echt harter Junge von der Straße sei, fällt das nicht mehr so auf.
Nun ist Gangsta-Rap kein neues Phänomen. In derVergangenheit ist er allerdings oft mit Ironie oder Gesellschaftskritik erklärt worden. Bei Gzuz greift das nicht. Bei ihm ist nichts kritisch, nichts ironisch. Es ist die rohe, stumpfe, pure Gewalt in seiner Sprache.
So friert man auf diesem Konzert. Gzuz agiert wie einer dieser Dementoren aus „Harry Potter“, die einem das letzte bisschen Glück aus der Seele saugen. „Hab es mit Liebe probiert, aber da war ich noch klein; denn niemand erwiderte sie, deshalb ließ ich es sein; egal, ich bin reich“, sagt Gzuz. Das ist am ehesten tragisch.