Alles andere war nichts
Für unseren Autor ein Klassiker: „Pennybridge Pioneers“von Millencolin.
Das Faszinierende an Pop ist, dass es dabei zum Beispiel immer auch um die richtigen Schuhe geht. Come as you are, na gut, aber dann sieh bald auch zu, dass du die Codes kennst und darauf Bezug nimmst, kannst ja auch dagegen sein. Jedenfalls, wer behauptet, dass es nur um die Musik geht, der lügt.
Darum ist dieses Album alles und alles davor und danach nichts für mich. Millencolin: „Pennybridge Pioneers“. Im Winter 1999 hatte ich noch „Bravo Hits“und „Millenium“von Aleksey gemocht, im Sommer darauf kannte ich was Besseres. „Just the best“– weg damit.
Campingurlaub auf Sardinien, Dennis, 13, so alt wie ich, hatte dieses Album dabei. Meine Familie hatte sich für die lange Autofahrt wieder einmal auf die „Reich und sexy“von den Toten Hosen geeinigt, seine hörte Millencolin.
Vier Schweden. Ein scheußliches Cover. Angeblich Öl, sieht aus wie Airbrush. Die Köpfe der Musiker vorne, im Hintergrund eine Explosion und dahinter die Skyline von Örebro. Die Musik klang dann aber wie von ganz weit weg.
Über Jahre dachte ich, dass die Band in die USA ausgewandert sein musste. Denn wer so klang, konnte unmöglich aus der Nähe kommen. Skatepunk nannte Dennis das.
Allein der erste Song: „No Cigar“. Das ist das Lied, das später auch im „Tony Hawk’s 2“-Playstation-Spiel lief und so weltberühmt wurde. Trommelwirbel, Gitarren. Vier Takte in nur sieben Sekunden. „Fox“folgte, „Material Boy“, alles in sechs Minuten.Wenn Erwachsene behaupteten, das klänge doch schon alles sehr gleich, wusste ich, dass das gut und richtig war. 37 Minuten und zum Schluss das etwas dusselige „The Ballad“, tatsächlich mit Akustikgitarre, aber von dort aus ging es weiter. Mit Millencolin tat sich ein neues Universum auf.„Pennybridge Pioneers“– der Urknall.
Ichhörtedie„CheapShots“-Sampler des schwedischen Labels Burning Heart Records, ich wechselte zur Plattenfirma Epitaph, deren Besitzer Brett Gurewitz „Pennybridge Pioneers“produziert hatte und zufällig auch der Gitarrist von Bad Re- ligion war. Von Epitaph gelangte ich schließlich zum stilprägenden Label FatWreck Chords aus San Francisco, bei dem Nofx, No Use For A Name und The Lawrence Arms ihre Platten veröffentlichten. Bald brauchte ich auch ein Skateboard und Schuhe vonVans – die statteten Millencolin aus. Und nach der Schule trafen wir uns nun mit vier, fünf Leuten, auch wenn wir dann gar nicht so viel Skateboard fuhren. Fat Wreck Chords machte eine Kampagne gegen Bush, und das fanden wir dann auch total richtig, also gingen wir zu Demos gegen den Irakkrieg. Und so weiter.
Millencolin – Nullpunkt in einem neuen Koordinatensystem. Als ich das Album neulich aus einem Schuhkarton ganz unten im Regal zog, dort wo die CDs lagern, die ich wegzuschmeißen nie gewagt habe, als ich die Köpfe, die Explosion und im Hintergrund Örebro sah, wusste ich wieder, was ich daran habe.