Rheinische Post Mettmann

Drangsal hat Zoom gemacht

Max Gruber verwandelt­e den Capitol Club in einen neonbunten Ort der Achtziger.

- VON DIRK WEBER

Am Ende stand Max Gruber mit freiem Oberkörper auf der Bühne im Capitol Club und sang „1000 Mal berührt“. So gesehen muss es sein 1001. Auftritt gewesen sein, denn es hat Zoom gemacht. Dass das letzte Konzert im Rahmen des New Fall Festivals nicht zur reinen Ego-Show geriet, lag auch an seinen Mitstreite­rn, die für den satten Sound zuständig waren. Pflichtbew­usst sagte Gruber: „Wir sind die Gruppe Drangsal.“

Zur Eröffnung flammte ein großes „Z“auf, wie es auf dem Album-Cover „Zores“prangt. 4000 Euro habe er für das Leucht-Schild bezahlt, erzählte ein gut aufgelegte­r Gruber, nachdem er die Zuschauer den Preis erraten ließ. Es schien jeden Euro davon wert zu sein, immerhin leuchtete und blinkte es wie verrückt. Überhaupt: die Ansagen. Sie waren mindestens so gut wie die Musik. Gruber hat sich ja den Ruf des eher schwierige­n Künstlers erarbeitet, der gerne aneckt und polarisier­t. An diesem Abend war er auch ein galanter Entertaine­r. Einmal bezeichnet­e er das Publikum als „der Welt schönste Müllkippe“. Peter Handke hätte seine helle Freude an ihm gehabt.

Bei jedem Lied dachte man zunächst, das kenne ich, das ist von The Smiths, The Cure, Billy Idol, Die Ärzte, Frankie Goes to Hollywood. Diese Synthies! Diese Gitarren! Dieser Bass! Oft genug wurde Gruber deshalb schon als dreister Kopist verunglimp­ft. Was Quatsch ist, weil er es einerseits schafft, die musikalisc­hen Essenz der Achtziger aufs Vortreffli­chste einzufange­n. Sie anderersei­ts aber auch recht originell interpreti­ert. Wenngleich er sich auf die eher dunkle Seite eines ansonsten neonbunten Jahrzehnts verlegt. Und das ist live genauso aufregend wie auf Platte. Wenn er auf Deutsch singt, und das tut er auf „Zores“fast immer, klingt Gruber übrigens wie der junge Farin Urlaub.

Im Sommer hatte sich Drangsal für den ESC 2019 ins Gespräch gebracht. Irgendwas scheint jedoch schief gelaufen zu sein. Jedenfalls mokierte Gruber sich lautstark über die Veranstalt­ung. Eigentlich schade. So einen wie ihn hätte man der Eurovision gerne zugemutet.

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