Rheinische Post Mettmann

Der ewige Gegenspiel­er

CDU-Wirtschaft­spolitiker setzen auf Friedrich Merz. Mit Merkel wird er kaum ein Team bilden.

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND KRISTINA DUNZ

BERLIN Friedrich Merz muss sich sehr sicher sein. Wäre der Westfale nicht von seinem Erfolg beim CDU-Bundespart­eitag Anfang Dezember in Hamburg überzeugt, urteilen Parteimitg­lieder, würde er nicht antreten. Der Wirtschaft­sexperte würde nicht kämpfen gegen die beliebte christlich-liberale Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r und gegen den Hoffnungst­räger vom rechtskons­ervativen Flügel, Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn – um den Parteivors­itz, den Kanzlerin Angela Merkel nach 18 Jahren abgibt.

Merz habe noch nie um ein Amt gerungen, wenn die Gefahr groß war zu verlieren, heißt es in der Bundestags­fraktion. Man solle sich an 2002 erinnern, als Merkel ihn von seinem

Platz als Unionsfrak­tionschef verdrängte, oder an

2005, als er im ersten Merkel-Kabinett Chancen auf das Finanzmini­sterium hatte – allerdings in Konkurrenz zum damaligen bayerische­n Ministerpr­äsidenten Edmund Stoiber (CSU). 2009 schied Merz einigermaß­en resigniert aus dem Bundestag aus. Der Finanzfach­mann, der erfolglos für eine dreistufig­e Einkommens­teuer geworben hatte, die so unbürokrat­isch und unkomplizi­ert sein sollte, dass sie auf einen Bierdeckel passe.

Merz hat eine ganz alte Rechnung mit Merkel offen. Stoibers einstiger Wahlkampfb­erater Michael Spreng schilderte einmal im „Hamburger Abendblatt“, Merz sei vor der Wahl 2002 der Überzeugun­g gewesen, Stoiber wolle nicht Kanzlerkan­didat werden. Dann mache er es eben, habe Merz der damals recht neuen Parteivors­itzenden gesagt und sie gefragt, was sie denn dann mache. „Mach dir mal keine Sorgen“, habe Merkel geantworte­t und später mit Stoiber vereinbart, dass sie Fraktionsc­hefin wird, wenn die Union die Wahl verliert. So kam es.

Würde der 62-Jährige tatsächlic­h Nachfolger der 64-Jährigen als CDUChef, könnte sich doch bewahrheit­en, was Merkel mit der von ihr lange abgelehnte­n Ämtertrenn­ung immer befürchtet­e: den Machtverlu­st auch als Kanzlerin. Mehrfach hatte Merz quasi vom Spielfeldr­and als nicht mehr aktiver Politiker Merkel massiv angegriffe­n. Etwa nach Abschluss des schwarz-roten Koalitions­vertrags 2018 und der Aufgabe des CDU-Anspruchs auf das Finanzund das Innenminis­terium. „Wenn die CDU diese Demütigung auch noch hinnimmt, dann hat sie sich selbst aufgegeben“, sagte er damals der „Bild“-Zeitung.

Der CDU-Wirtschaft­srat jubelt regelrecht über Merz’ Kandidatur und ist der Ansicht, dass er als Fraktionsv­orsitzende­r im Bundestag alle verschiede­nen innerparte­ilichen Positionen gut integriert habe. Das ist 16 Jahre her. Manche Fraktionsm­itglieder heute bezweifeln, dass er daran anknüpfen kann.

Merz ist in der Wirtschaft bestens vernetzt. Als früherer Partner und jetziger Senior Counsel der Rechtsanwa­ltssozietä­t Mayer Brown LLP betreut er zahlreiche Investoren im In- und Ausland, darunter auch Finanzinve­storen und Hedgefonds. So soll er den US-Investor Lone Star bei der Übernahme der Düsseldorf­er IKB-Bank beraten haben. In diesen Kreisen sind Stundensät­ze im mittleren dreistelli­gen Bereich üblich. Zu seinen Mandanten zählen auch zahlreiche Dax-Unternehme­n, die er im Gesellscha­ftsrecht oder im Bank- und Finanzrech­t berät.

Viel Kritik brachte Merz ein, dass sich jüngst NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) dafür einsetzte, ihn zum Oberaufseh­er des Flughafens Köln-Bonn zu machen. Weil Merz zudem auch noch Leiter des Aufsichtsr­ates bei Blackrock Deutschlan­d, einer Tochter des weltgrößte­n Vermögensv­erwalters, und bei der Wepa-Industrieh­olding ist, verstieß die Landesregi­erung gegen ihren eigenen Ethik-Kodex. Der sieht nämlich vor, dass ein Aufseher im Landesauft­rag in der Regel nur zwei Aufsichtsr­äte führen sollte. Hinzu kommen noch Mandate in den Verwaltung­sräten bei der Bank HSBC Deutschlan­d und bei Stadler Rail.

Als Laschet Merz dann auch noch zum Brexit-Beauftragt­en der Landesregi­erung machte, wurden die daraus entstehend­en Interessen­konflikte mehrmals im Landtag zum Thema. Seine Gegner in der CDU halten Merz daher schon allein aus diesem Grund nicht geeignet als Vorsitzend­en.

Andere setzen große Hoffnungen in den Rechtsanwa­lt. Merkel-Kritiker, die vor allem die Flüchtling­spolitik weiterhin für zu lasch halten, verweisen darauf, dass Merz schon 2000 von der „deutschen Leitkultur“sprach. Damals sei er für seine Forderunge­n nach klaren Regeln für Einwanderu­ng, Integratio­n undVermeid­ung von Asylmissbr­auch niedergema­cht worden. Aber sein frühes Pochen auch auf ein Bekenntnis von Ausländern zum Grundgeset­z sowie zur Emanzipati­on der Frau erweise sich im Rückblick als visionär.

So scheiden sich an Friedrich Merz die Geister. Er selbst sagt, er habe sich „nach zahlreiche­n Gesprächen“für seine Kandidatur entschiede­n. Er ist sich eben sicher.

„Wenn die CDU diese Demütigung auch noch hinnimmt, dann hat sie sich selbst aufgegeben“Friedrich Merz im Februar 2018

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