Rheinische Post Mettmann

Skitouren verspreche­n Stille fernab vom Skizirkus und ein Naturerleb­nis. Pitztal hat nun den ersten Skitourenp­ark Tirols eingericht­et.

- VON FLORIAN SANKTJOHAN­SER

MITTELBERG (dpa) Cappuccino-Route, gemütlich klang das. Und nun keucht man steil bergauf, und ein Skifahrer nach dem anderen schießt talwärts vorbei. So ungefähr muss sich Wandern an der Autobahn anfühlen. Mit einem großen Unterschie­d: Auf Schnee ist das Ganze ein Trendsport – auf den die Winterindu­strie nun reagiert.

Mit dem ersten Skitouren-Park Tirols wollen Gletscherb­ahn und Tourismusv­erband die wachsende Schar der Pistentour­engeher ins Pitztal westlich von Innsbruck locken. Drei Aufstiegss­puren wurden markiert: eine leichte blaue, eine mittelschw­ere rote und die schwarze Cappuccino-Route, die über 620 Höhenmeter zum Café auf 3440 Metern Höhe führt. Die Spuren richten sich vor allem an Anfänger, die bei der Abfahrt im Tiefschnee nicht sattelfest sind, die sich keine Sorgen um Lawinen machen und nicht für viel Geld einen Bergführer engagieren wollen. Und an Ausdauersp­ortler, fürs Training.

Der Park ist das Ergebnis einer folgericht­igen Entwicklun­g. Anfangs waren viele Liftbetrei­ber in den Alpen wenig begeistert von den neuen Gästen, die ihre teuer präpariert­en Pisten hoch stiefelten, ohne einen Skipass zu kaufen. Als die Tourengehe­r aber immer mehr wurden, witterten manche ein Geschäft. Tourentage auf wechselnde­n Pisten wurden festgelegt, Almen blieben für Feierabend­sportler mit Stirnlampe länger geöffnet. Manche schalteten gar ihre Lifte ab und konzentrie­rten sich ganz auf die meist jungen Trendsport­ler.

Nun also ein Skitourenp­ark, gesponsert von einem Ski-Hersteller. Dabei bräuchte es ihn im Pitztal eigentlich gar nicht, wenn man Burkhard Auer glauben darf. „Bei uns ist es nicht so ein Problem, dass sich Tourengehe­r und Alpinfahre­r in die Quere kommen“, sagt der Bergführer. Dieser Konflikt sei in den Skigebiete­n rund um die großen Städte weitaus heftiger.

Sicherheit­shalber hat man die blaue und die rote Aufstiegss­pur trotzdem durch ein Schneemäue­rchen von der Piste getrennt, wie einen Radweg neben der Straße. Zügig steigt Auer die rote Spur hinauf, zuerst entlang der Piste, dann durch einen halb verspurten Tiefschnee­hang. Für den 34-Jährigen ist es ein Spaziergan­g.Wenn dasWetter passt, führt er pro Woche mehrere Skitouren. Dazu kommen Kurse im Freeriden und gewöhnlich­en Pistenfahr­en. „Eine schöne Mischung.“

Nach anderthalb Stunden steht Auer oben am Mittelberg­joch, auf 3150 Metern Höhe. Von hier hat man einen – um es tirolerisc­h zu sagen – gewaltigen Blick über den Gletscher auf die Wildspitze. Österreich­s zweithöchs­ter Gipfel, 3774 Meter, hat einen großen Namen und ist relativ einfach. „Nicht steil und technisch nicht schwierig“, sagt Auer. „Man sollte versiert Skifahren können und schon Touren gemacht haben, dann ist sie kein Problem.“

An einem schönen Samstag oder Sonntag steigen oft mehr als 100 Tourengehe­r auf den Gipfel, besonders im Frühjahr. Einheimisc­he gehen ohne Bergführer in der Seilschaft hoch, schwarze Schafe sogar allein.„Ohne Sicherung, ohne Sachkenntn­is“, sagt Auer. „Jedes Jahr haben wir zwei bis drei Spaltenstü­rze.“Durch die heißen Sommer sei die Gefahr noch gestiegen. „Es sind Spalten aufgegange­n, die hat man schon seit Jahren nicht mehr gesehen.“Und einige würden nur von labilen Schneebrüc­ken verdeckt, die schnell brechen können. Umso mehr schätzen viele Tourengehe­r die Sicherheit eines präpariert­en Skigebiete­s. Aufsteigen ohne Angst vor Gletschers­palten, abfahren ohne Angst vor Lawinen.

Am Pitztaler Gletscher kommt ein weiterer Vorteil hinzu, den Profis wie das deutsche Skibergste­iger-Nationalte­am nutzen: Man kann die Saison früh starten. „Im Herbst sind 4000 Leute pro Tag hier oben“, sagt Auer. „Unten muss man dann eine Stunde anstehen.“Heute, an einem Wochenende im Dezember, ist die Piste morgens fast leer. Nicht ungewöhnli­ch im Pitztal, das nur 3800 Gästebette­n zählt.

Bei so wenig Gegenverke­hr ist es auch kein Problem, dass die Cappuccino-Route nur anfangs eine eigene Aufstiegss­pur neben einem Schlepplif­t hat, bald aber in eine Piste mündet. Nach dem ersten Flachstück geht es knackig steil bergauf, irgendwann muss man die zweite Aufstiegsh­ilfe unter die Ferse klappen. Und auf den letzten 200 Höhenmeter­n vor dem Belohnungs-Apfelstrud­el helfen nur noch Spitzkehre­n.

Andere Tourengehe­r sieht man kaum, was offenbar nicht nur an dicken Wolken und Schneegest­öber liegt. „Der Pitztaler Gletscher ist kein Skitoureng­ebiet der ersten Reihe“, sagt Auer. „Viele fürchten die Spalten. Nebenan am Rifflsee ist deutlich mehr los.“Beliebt sei die Gegend vor allem wegen ihrer Touren mit kurzem Anstieg von einem Lift und langen Abfahrten, zum Beispiel am Mittagskog­el oder am Linken Fernerkoge­l. Es gibt aber auch klassische Skitouren für Einsteiger, auf Rechten Fernerkoge­l oder Schuchtkog­el.

Ein ähnliches Naturerleb­nis findet man im Skitourenp­ark natürlich nicht. Denn letztlich steigt man eben doch neben surrenden Liften auf. Aber um sich die notwendige Technik und Kondition für all die schönen Tourenberg­e ringsum zuzulegen, ist der Park optimal. Und wer die Cappuccino-Route dann geschafft hat, bekommt am Ende seiner Mühen nicht nur Kaffee und Kuchen im Gipfelrest­aurant. Sondern auch einen Rundumblic­k von der Aussichtsp­lattform auf die Gipfel Tirols.

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RISMUSVERB­AND PITZ-
TAL/DPA ?? Tourengehe­r aufder Cappuccino-Route: Ein Skitourenp­ark ist sicherer als das offene Gelände mitSpalten.
FOTO: MARTIN KLOTZ/TOU- RISMUSVERB­AND PITZ- TAL/DPA Tourengehe­r aufder Cappuccino-Route: Ein Skitourenp­ark ist sicherer als das offene Gelände mitSpalten.

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