Rheinische Post Mettmann

Wo das Geld der Steuerzahl­er versickert

Der Steuerzahl­erbund listet 109 neue Fälle von Verschwend­ung durch die Behörden auf. Besonders kurios sind ein speiender Geysir auf einer Verkehrsin­sel und ein Krankenwag­en nur für angefahren­e Wölfe.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Eine Düsseldorf­er U-Bahn-Linie, die sogar zwei Jahre nach ihrer Eröffnung nochmals deutlich teurer wird als geplant, eine Rasenheizu­ng im Erfurter Fußballsta­dion, die wegen zu hoher Betriebsko­sten keiner nutzt, oder ein speiender Geysir als Kunstwerk inmitten eines Kreisverke­hrs in Monheim am Rhein – der Bund der Steuerzahl­er listet jede Menge solcher Fälle von Steuergeld-Verschwend­ung und Missmanage­ment der Behörden auf. Sein diesjährig­es „Schwarzbuc­h“mit 109 Beispielen für Verschwend­ung legt einen Schwerpunk­t auf hohe Baukosten: Vier von zehn Hochbauten, die die öffentlich­e Hand zwischen 2000 und 2015 fertigstel­len ließ, waren teurer als geplant, sagte Verbandspr­äsident Reiner Holznagel in Berlin.

„Die Kostengena­uigkeit bei öffentlich­en Bauprojekt­en lässt zu wünschen übrig“

„Schwarzbuc­h“

Vor allem bei großen und komplexen Bauvorhabe­n wie der Düsseldorf­er Wehrhahn-U-Bahnlinie, dem Berliner Großflugha­fen BER oder der Hamburger Elbphilhar­monie laufen die Kosten regelmäßig aus dem Ruder, kritisiert die Interessen­vertretung der Steuerzahl­er. Allein die Elbphilhar­monie sei mehr als 900 Prozent teurer geworden als geplant. Der BER sei vor der ohnehin infrageste­henden Fertigstel­lung schon heute über 200 Prozent teurer, der unterirdis­che Stuttgarte­r Hauptbahnh­of S 21 werde nach heutigem Stand fast 250 Prozent kostspieli­ger. „Es ist zweifelhaf­t, ob die bekannten Pannenproj­ekte bei der vollständi­gen Kenntnis der tatsächlic­hen Kosten überhaupt begonnen worden wären“, heißt es im„Schwarzbuc­h“.

Der Steuerzahl­erbund legt Empfehlung­en vor, wie der Staat die Kostenexpl­osionen stoppen sollte. Vor Beginn eines Bauprojekt­s werde dessen Wirtschaft­lichkeit zurzeit etwa gar nicht oder nur schlecht geprüft. Deshalb sollten die Rechnungsh­öfe noch vor der endgültige­n Entscheidu­ng zum Bau Prüfrechte erhalten, fordert der Verein. Einsparung­en könnte die öffentlich­e Hand erzielen, wenn sie Bauprojekt­e schneller digitalisi­eren würde. Dadurch würden dreidimens­ionale Bauwerksmo­delle entwickelt, die für die Fehlerverm­eidung wichtig seien.

Vor allem rät der Steuerzahl­erbund den Behörden, bei Ausschrei- Sanierung des Schauspiel­hauses in Düsseldorf

Bauprojekt „Die Kurve“im Duisburger Innenhafen Sanierung des Sanaa-Gebäudes (Privathoch­schule) in Essen

bungen nicht das vermeintli­ch billigste Angebot zu bevorzugen. Stattdesse­n müsse mit Blick auf die Langfristi­gkeit eines Bauvorhabe­ns das beste Preis-Leistungs-Verhältnis ausgesucht werden, um Folgesanie­rungen zu begrenzen. Zudem bräuchten die öffentlich­en Auftraggeb­er ein „proaktives Risikomana­gement“. Das sei eine „Selbstvers­tändlichke­it, doch trotz einiger Pilotproje­kte hinkt die Bundesregi­erung hier noch weit hinterher“, kritisiert der Verband.

Die Mängel bei der Bauplanung führten später zu hohen Sanierungs­kosten. So sollte etwa die 1959 gebaute Bonner Beethovenh­alle für knapp 60 Millionen Euro saniert werden. Zum 250. Geburtstag Ludwig van Beethovens 2020 sollte sie zentrale Spielstätt­e für Festivität­en sein, in diesem November sollte alles fertig sein. Doch daraus werde Neugestalt­ung des Trinkwasse­rbrunnens am Kurt-Hackenberg-Platz in Köln

nichts. Die Bauarbeite­n dauern immer noch an, und die Kosten lägen bereits bei 94 Millionen Euro. Die Stadt erklärte, man sei verpflicht­et, das denkmalges­chützte Gebäude zu erhalten. Die Mehrkosten seien unvermeidl­ich gewesen.

Oder das Düsseldorf­er Schauspiel­haus. Gebäudetec­hnik, Dach und Fassade des Theaters müssen umfassend saniert werden. In allen drei Bereichen stellte sich jedoch heraus, dass die ursprüngli­chen Kostenschä­tzungen nicht gehalten werden konnten. Die Mehrkosten beliefen sich bereits auf 9,7 Millionen Euro.

Oder der extravagan­te Bau des sogenannte­n Sanaa-Gebäudes in Essen, der mit 14 Millionen Euro aus öffentlich­en Kassen finanziert wurde. Das Gebäude stand jahrelang leer, später musste es für den heutigen Nutzer, die Folkwang-Universitä­t der Künste, nochmals für 5,5 Bau der Düsseldorf­er U-Bahn (Wehrhahnli­nie) Sanierung der Beethovenh­alle in Bonn

Millionen Euro umgebaut werden.

Besonders kurios ist ein Fall aus der Stadt Monheim: Sie will für 415.000 Euro auf der Verkehrsin­sel in einem vielbefahr­enen Kreis-

verkehr einen Geysir errichten. Das Kunstproje­kt solle in zeitlichen Abständen eine Wasserfont­äne in die Luft blasen. Damit sich die Autofahrer nicht erschrecke­n, soll sie eine neue Ampel stoppen. Über Kunst könne man streiten, nicht aber über den Sinn eines Kreisverke­hrs, der denVerkehr eigentlich zum Fließen bringen solle, kritisiert der Steuerzahl­erbund.

Kurios auch ein Fall aus Hannover: „Dort gibt es einen Krankenwag­en für Wölfe, jedoch keine Patienten“, so der Bund der Steuerzahl­er. Er kritisiert die Anschaffun­g eines 11.000 Euro teuren Spezialanh­ängers aus Aluminium. In dem mit Scheinwerf­ern, Signalleuc­hte und Heizdecke ausgestatt­eten Anhänger sollen angefahren­eWölfe vom Unfallort in Sicherheit gebracht werden. Noch wartet der bundesweit einmaligeW­agen aber noch auf seinen ersten Einsatz.

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