Offenheit bringt die erhoffte Bewährungsstrafe
Berufungsverfahren in Wuppertal: Haaner hatte 1,15 Millionen Euro Sozialabgaben für eine Gerüstbaufirma nicht abgeführt.
HAAN Eine Million Euro: Das ist schon eine ordentliche Summe, die seit mittlerweile fünf Jahren wie ein Damoklesschwert über dem Angeklagten schwebt. Damals hatte es eine Durchsuchung bei der Haaner Gerüstbaufirma gegeben, für die der 48-Jährige als Geschäftsführer tätig gewesen sein soll. Genaugenommen waren es 1.150.000 Euro allein an Sozialversicherungsbeiträgen, die nicht abgeführt worden sein sollen. Ein ebenfalls eingeleitetes Verfahren wegen Steuerhinterziehung soll zwischenzeitlich eingestellt worden sein.
Die Firma hat längst Insolvenz angemeldet – ebenso wie der Angeklagte, der vom Amtsgericht wegen Vorenthaltens und Veruntreuung von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung in 54 Fällen zu zwei Jahren und vier Monaten Haft verurteilt worden war. Dagegen hat- te er Berufung eingelegt, die nun vor dem Wuppertaler Landgericht verhandelt wurde.
Auf der Anklagebank saß ein von dem Geschehen gezeichneter Mann, dessen Anwalt gleich zu Beginn ein psychiatrisches Attest vorlegte. Depressionen und Symptome einer posttraumtischen Belastungsstörung würden es seinem Mandanten schwer machen, sich selbst zu den Vorgängen zu äußern.
Der tat dass dann doch noch – und schnell wurde klar, was den vermeintlichen Firmenchef über all die Jahre hinweg belastet hatte. „Die Geschäfte wurden eigentlich durch den Bruder geführt. Mein Mandant war darunter angesiedelt und weisungsgebunden“, so derVerteidiger des Angeklagten.
Im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Amtsgericht hatte der Mann dazu noch geschwiegen und die alleinige Verantwortung auf sich genommen, um den eigenen Bruder zu schützen. Der habe ihn, der eher handwerklich begabt sei, zur Gründung der gemeinsamen Firma überredet und ihn mit der Aussicht auf viel Geld gelockt.
Aufträge seien ebenso vom Bruder herangeholt worden wie das Personal – er selbst sei nur für das organisatorische Drumherum zuständig gewesen und er habe die Auszahlung der Löhne übernommen.
Es habe Listen gegeben, auf denen notiert worden sei, was offiziell über Lohnabrechnungen gelaufen und was schwarz bezahlt worden sei. Dazu habe es eine „gewisse“Buchhaltung gegeben, die formal jedoch keineswegs korrekt gewesen sei.„Es ging alles drunter und drüber“, ließ der Angeklagte jetzt das Gericht wissen.
Sein Schweigen zu den firmeninternen Zusammenhängen hatte ihm beim Amtsgericht eine Haftstrafe eingebracht, die man nun im Berufungsverfahren gerne in eine Be- währungsstrafe umwandeln wollte.
Zuvor hatte der Wuppertaler Staatsanwalt Wolf-Tilman Baumert durchklingen lassen, dass sich die Strafverfolgungsbehörden sich dem nicht verschließen würde – vorausgesetzt, der Angeklagte lege die sprichwörtlichen Karten of-
„Es ging alles drunter und drüber“
Angeklagter
fen auf den Tisch. Der nannte Ross und Reiter und mit dem Namen des Bruders den eigentlich Verantwortlichen – und bekam am Ende des Berufungsverfahrens die erhoffte Bewährung auf eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren.
Zusätzlich muss er monatlich 100 Euro als Wiedergutmachung in die Sozialkasse und zusätzlich eine Geldstrafe an die Staatskasse gezahlt werden.