Goldener Ruhestand
Die Altersbezüge werden auch 2019 deutlich steigen. Das Rentenpaket der Bundesregierung verspricht weitere Verbesserungen für Mütter und Erwerbsgeminderte. Doch ein Ende der guten Zeiten ist absehbar.
ber 20 Millionen Rentner können sich freuen: Ihre Altersbezüge werden 2019 um mehr als drei Prozent steigen, nachdem sie bereits in den vergangenen Jahren zugelegt hatten. Zudem werden mit dem Rentenpaket der Koalition die Mütterrente und Erwerbsminderungsrente ausgebaut. Eine wegen der guten Lage der Rentenkasse 2019 eigentlich fällige Senkung des Rentenbeitragssatzes fällt dagegen wegen der milliardenschweren Reform aus.
Warum steigen die Renten? In Westdeutschland steigen die Renten 2019 voraussichtlich um 3,18 Prozent, im Osten sogar um 3,91 Prozent. Der exakte Anstieg wird im Frühjahr festgelegt, wenn die Lohnentwicklung 2018 feststeht. Ursache ist die gute Konjunktur: Hohe Erwerbstätigkeit und kräftige Lohnerhöhungen haben die Lohn- und Beitragssumme steigen lassen, was im Folgejahr zu steigenden Renten führt. Noch werden die Anpassungen in Ost und West unterschiedlich berechnet. Da der Osten wirtschaftlich aufholt und dort mehr Menschen vom Mindestlohn profitieren, fällt der Rentenanstieg höher aus. Wegen des Jobbooms bleibt auch das Verhältnis von Beitragszahlern und Rentnern günstig, das künftig den Rentenanstieg dämpft.
Wie steht es um die Finanzen der Rentenkasse? Wegen desWirtschaftsbooms ist die Rentenkasse voll wie nie. Für dieses Jahr rechnet die Deutsche Rentenversicherung mit Einnahmen von 306 Milliarden Euro, im Vorjahr waren es 294 Milliarden Euro. Damit dürfte die Rentenversicherung auf einen Überschuss von vier Milliarden Euro kommen. Und das weckt Begehrlichkeiten. Die Bundesregierung bringt nun teure Wahlgeschenke auf den Weg wie die Ausweitung der Mütterrente, die Teil des Rentenpakets ist.
Was ist für Mütter und Erwerbsgeminderte geplant? Mit dem Rentenpa- ket, das der Bundestag am Donnerstag verabschieden soll, werden die Erziehungszeiten von Müttern mit vor 1992 geborenen Kindern weiter aufgestockt. Dies hatte die CSU durchgesetzt, um die Ungleichbehandlung zwischen älteren und jüngeren Müttern zu verringern. Die geplante Ausweitung für ältere Frauen erhöht die monatliche Rente pro Kind um 16,02 Euro im Westen: Sie bekommen statt zwei künftig 2,5 Rentenpunkte gutgeschrieben. Für Kinder, die nach 1992 geboren wurden, gibt es weiter drei Rentenpunkte. Eine Frau erhält damit monatlich rund 81 Euro Mütterrente für jedes Kind, das vor dem Jahr 1992 geboren wurde.
Für später geborene Kinder gibt es rund 97 Euro. Dem Sozialverband VdK geht das nicht weit genug, er fordert die komplette Gleichstellung. Das bedeutet: Für jedes Kind solle es drei volle Rentenpunkte geben – egal, in welchem Jahr es geboren wurde. Auch die Renten von Erwerbsgeminderten werden durch die Reform aufgebessert: Wer ab 2019 wegen Krankheit erstmals Erwerbsminderungsrente erhält, soll deutlich mehr bekommen. Die Rente soll so berechnet werden, als wenn der Betroffene nicht nur bis 62 Jahre, sondern bis zur Regelaltersgrenze (also bis 67 Jahre) gearbeitet hätte. Was wird aus dem Beitrag? Zu Jahresanfang war der Beitrag zur Rentenversicherung, den sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer teilen, leicht auf 18,6 Prozent gesenkt worden. Aus Sicht der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) wäre eine weitere Senkung möglich: Ohne das Rentenpaket könnte der Beitrag um 0,4 Punkte auf 18,2 Prozent gesenkt werden, hat die Deutsche Rentenversicherung errechnet. Das würde einen Arbeitnehmer um bis zu 304 Euro im Jahr entlasten. Bundesweit könnten Arbeitgeber und Arbeitnehmer 2019 um sechs Milliarden Euro entlastet werden. Doch wegen der Zusatzausgaben fällt die mögliche Beitragssenkung 2019 aus, wie die Rentenversicherung nun mitteilte. Die BDA kritisiert dies, der Gewerkschaftsbund nicht, er setzt auf höhere Reserven. Gemeinsam fordern die Tarifpartner, die Mütterrente aus Steuermitteln zu finanzieren.
Was sollen die Haltelinien für Rentenniveau und Beitrag bewirken? Mit der Reform soll auch das Rentenniveau (das Verhältnis der Rente zum Durchschnitslohn) von derzeit 48,1 Prozent bis 2025 nicht unter 48 Prozent sinken und der Beitrag bis dahin nicht über 20 Prozent steigen. Die Stabilisierung des Rentenniveaus war eine zentrale Forderung der
Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung, in Prozent
von 2008 bis 2031, in Euro
22,0 SPD, der sich die Union beugte. Allerdings machte die Union zur Bedingung, das Rentenniveau nur bis 2025 auf 48 Prozent einzufrieren. Eine längere Festschreibung würde wegen der steigenden Zahl der Rentner sehr teuer. Für die Zeit nach 2025 soll eine Kommission 2020 Vorschläge unterbreiten. Sie kommen aber zu spät, um noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden zu können.
Was kritisieren die Wirtschaftsweisen? „Wir halten davon wenig“, sagte Lars Feld, einer der fünf Ökonomen, bei der Vorstellung ihres Jahresgutachtens. Die Mütterrente führe zu massiven Zusatzbelastungen für Beitrags- und Steuerzahler. Auch bei der „doppelten Haltelinie“für Rentenniveau und Beitragssatz sei der Rat skeptisch. Erste Zusatzbelastungen verursache sie bereits 2024 und 2025. Wenn man die Haltelinien über 2025 hinaus verlängern würde, wie es die SPD fordert, ließe sich das über die Rentenkasse nicht mehr finanzieren. In einem solchen Fall müssten entweder die Mehrwertsteuer um drei bis vier Prozentpunkte angehoben oder das Rentenalter auf 72 angehoben werden, so Feld.
Was schlagen die Ökonomen vor? Sie wollen das Rentenalter erhöhen und ab 2030 an die steigende Lebenserwartung koppeln. „Künftige Anstiege würden damit zwischen längerer Rentenbezugsdauer und verlängertem Arbeitsleben aufgeteilt“, heißt es im Gutachten der Wirtschaftsweisen. Konkret sieht ihr Vorschlag so aus: Bei der aktuellen Aufteilung des Erwachsenenlebens zwischen Arbeit und Ruhestand würde dies pro zusätzlichen drei Jahren Lebenserwartung in etwa eine Ausdehnung der Arbeitszeit um zwei Jahre bedeuten. „Das gesetzliche Rentenalter könnte bis zum Jahr 2080 in der Folge auf 71 Jahre steigen“, so die Ökonomen. EinWeiser ist anderer Meinung: „Ich finde nicht, dass wir uns heute schon Gedanken über 2080 machen sollten“, sagte Peter Bofinger, der von den Gewerkschaften in den Rat entsandt wurde.