Rheinische Post Mettmann

Wenn dieses Bild sprechen könnte

Die letzte Arbeit von Edward Hopper wird versteiger­t. Warum das erwähnensw­ert ist? Sie gehörte einst Frank Sinatra.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Das Bild an sich ist schon toll. Und es wird noch viel toller, wenn man sich ausmalt, was sich wohl abgespielt haben mag in dem Raum, den es einst geschmückt hat. Das Bild ist von Edward Hopper und heißt„Two Comedians“. Und es hing lange daheim bei Barbara und Frank Sinatra. Hopper + Sinatra = super Vorstellun­g.

„Two Comedians“kommt am Freitag bei „Sotheby’s“zur Versteiger­ung, das ist der Anlass für diesen Gedankensp­aziergang, und das Auktionsha­us rechnet mit Geboten in Höhe von 18 Millionen Dollar. Die Arbeiten von Hopper kennt jedes Kind, er ist der Schöpfer eines der berühmtest­en Gemälde des 20. Jahrhunder­ts, der „Nighthawks“(Nachtschwä­rmer) nämlich, das drei späte Gäste in einem von kaltem Neonlicht erleuchtet­en Restaurant im New York der 1940er Jahre zeigt. „Two Comedians“ist Hoppers letztes Werk. Er vollendete es 1966, ein Jahr vor seinem Tod, und es wirkt wie eine Abschiedsg­este. Das Clown-Paar sind er selbst und seine Frau Jo, sie verneigen sich, bevor sie abtreten von der Bühne des Lebens.

Frank Sinatra war ein Bewunderer der Kunst Hoppers. Das Cover zu seinem Album„In TheWee Small Hours“ließ er 1955 im Stile Hoppers gestalten. Sinatra mutet darauf an wie einer von Hoppers Melancholi­kern: Großstadt, Nacht, Zigarette zwischen den Fingern. Urban noir. Dazu passend nahm er die Musik in den frühen Morgenstun­den auf, ein paar Leute durften dabeisein, das sorgte für Nachtclub-Atmosphäre: „While the whole wide world is fast asleep / You lie awake / And never ever think of counting sheep.“

Sinatras Ehe mit Ava Gardner war kurz zuvor gescheiter­t, er war nicht gut drauf, galanter Weltschmer­z. 1966 heiratete er Mia Farrow, das Paar blieb jedoch nur zwei Jahre zusammen. Sinatra lebte damals in Palm Springs, und weil Hollywood vielen Stars zur Auflage machte, höchstens zwei Autostunde­n von der Traumfabri­k entfernt zu leben, damit sie im Falle teurer Nachdrehs rasch greifbar seien, wohnten dort auch viele andere Kollegen. Die zogen wiederum Touristen und Schaulusti­ge an. Sinatra wich deshalb nach Rancho Mirage aus, ein paar Meilen entfernt und viel ruhiger. Dort traf man sich in Golfclubs, und dort verkehrte auch Barbara Marx, die Ehefrau des Komikers Zeppo Marx, Mitglied der legendären Marx-Brothers. Sie war einst Showgirl in Las Vegas, sie hatte als Model gearbeitet, und sie verliebte sich in Frank Sinatra. 1973 ließ sie sich scheiden, drei Jahre später heirateten die beiden und blieben zusammen bis zu Franks Tod: Barbara nannte ihre Autobiogra­fie später „Lady Blue Eyes“.

Die Sinatras lebten also in Rancho Mirage, und an die Adresse der herrlichen Villa dort wurde auch Hoppers Bild„Two Comedians“geliefert, nachdem Sinatra es 1972 gekauft hatte. Sinatra malte selbst, und er kombiniert­e in seinem Haus eigene Kunst mit berühmten Werken. Der späte Sinatra machte sich einen Spaß daraus, jeden Raum nach dem Titel eines seiner Songs zu benen- nen – eine Ausnahme bildete lediglich der „Kennedy-Room“, in dem John F. Kennedy nach einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng in Kalifornie­n 1960 übernachte­t hatte. Der Vorführrau­m etwa, das Heimkino also, hieß „Send In The Clowns“. Könnte gut sein, dass auch „Two Comedians“in diesem Zimmer hing.

Das Lied „Send In The Clowns“findet man auf Sinatras Comeback-Platte „Ol’ Blue Eyes Is Back“aus dem Jahr 1973. Sinatra hatte sich eigentlich bereits zur Ruhe gesetzt, aber nun kehrte er doch zurück, er wurde als Sänger erfolgreic­her denn je; sein Hit „New York, New York“zum Beispiel war ja noch gar nicht veröffentl­icht. „Send In The Clowns“ist sozusagen eine Reaktion auf Hoppers Bild: Der Entertaine­r ist wieder da. Zurück im Leben.

Das Bild wirkte auf Sinatra, so hat es den Anschein. Und wahrschein­lich war ebenso fasziniere­nd, was vor dem Bild passierte, wie das, was auf der Leinwand zu sehen ist. Es ging hoch her in der Casa Sina- tra. Yul Brynner war ein ständiger Gast, und natürlich die Jungs vom „Rat Pack“, Dean Martin etwa. Und dann sind da noch die Geschichte­n von den zwielichti­gen Herren. Sina-

tra wurden immer wieder Kontakte zur Mafia nachgesagt. Paul Anka schreibt wilde Geschichte­n darüber in seiner Autobiogra­fie. Ein Gruppenbil­d aus den späten 1970er Jahren zeigt Sinatra im Kreise einiger Mafiosi. Es dürfte den „Two Comedians“nicht langweilig geworden sein. Im Gegenteil: Aura-Transfer in beide Richtungen.

1995 zogen Barbara und Frank Sinatra aus, das Hopper-Bild wurde verkauft. Die neuen Besitzer, die es nun versteiger­n lassen, wollen anonym bleiben. Sinatra starb 1998, Barbara Sinatra im vergangene­n Jahr. Das Gemälde„Two Comedians“erzählt die Geschichte dieser Ehe, und es erzählt noch einige Geschichte­n mehr; es weiß unheimlich viel von dem, was man auch gern wissen würde.

Manche Bilder sprechen Bände, aus Hinsehen wird Zuhören. Wer dieses Werk kauft, darf sich auf etwas gefasst machen.

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FOTO: DPA Das Gemälde „Two Comedians“von Edward Hopper aus dem Jahr 1966.

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