„Das sind Schreie, die man niemals vergisst!“
Seit 2010 besucht die Polizei mit ihrem Projekt „Crash Kurs NRW“Schüler der 10. und 11. Klassen. Donnerstag wurden junge Berufsschüler in Hilden auf sehr emotionale und plakative Art mit realen Verkehrsunfällen konfrontiert.
HILDEN Manchmal helfen Albernheiten gegen Anspannung und vielleicht ist das auch der Grund, warum die Berufsschüler in der Aula des benachbarten Helmholz Gymnasiums zu Beginn der Veranstaltung „Chrash Kurs NRW“Kriminaloberkommissarin Ilka Steffens übertrieben bejubeln, nach und während ihrer Einführungsworte im fünf Sekunden Takt euphorisch applaudieren.„Ich hab das Gefühl, Ihr kommt aus dem Kindergarten und nicht von der Berufsschule“, kommentiert die Fachbeamtin fürVerkehrsunfallprävention ruhig das Verhalten und bringt genau mit diesenWorten Stille in den großen Saal, eine Stille, die bis zum Ende der Veranstaltung bestehen bleiben wird, so sehr werden die Schüler mitgenommen von den Schilderungen rund um schwere Verkehrsunfälle, die im Kreisgebiet tatsächlich passiert sind und deren Ursachen in überhöhter Geschwindigkeit, Alkohol- oder Drogenmissbrauch oder Ablenkung durch Handy am Steuer liegen.
„Wir wissen, dass Ihr jungen Fahrer im Alter zwischen 17 und 24 Jah- ren eine Minderheit im Straßenverkehr darstellt und doch an den meisten Unfällen beteiligt seid“, erklärt Steffens den vielen Zuhörern in der abgedunkelten Aula, „bei einem solchen Ungleichgewicht müssen wir gucken, was dagegen wirkt. Ganz sicher nicht der erhobene Zeigefinger, aber vielleicht plakative Schilderungen aus dem Alltag derjenigen, die täglich mit schwersten Unfällen konfrontiert sind.“
Und so erzählt Streifenpolizistin Stefanie Trump von einer kalten Dezembernacht vor einigen Jahren. „Meine Kollegin und ich fuhren durch Ratingen, da erreichte uns folgende Ansage über Funk“, beginnt sie mir ruhigen langsamen Worten. Der Originalfunkverkehr von damals wird eingespielt. „Es ging also um einen Unfall mit verletzten Personen.“Fotos von der Unfallstelle erscheinen auf der großen Leinwand. Betretene Stille in der bis auf den letzten Platz gefüllten Aula- nur vereinzelt ist ein Husten zu hören – Stefanie Trump erinnert sich weiter. „Wir kamen an die Unfallstelle in Homberg.Was wir da sahen hat uns den Atem stocken lassen, ein zerquetschtes Auto auf der Seite, Verletzte auf der Straße, aber das Allerschlimmste waren diese Schreie. Diese Schmerzschreie des eingeklemmten Fahrers. Das sind Schreie, die man niemals vergisst!“
„Krass“flüstert ein Schüler mit kehliger Stimme seinem Nachbarn zu, Der starrt auf den Boden, zwei Jugendliche stehen leise auf und verlassen den Saal. Und so erzählen sie alle von ihren Erlebnissen, der Feuerwehrmann, wie er
den Oberkörper des tödlich verletzen Fahrer eines anderen Unfalls (ebenfalls wegen überhöhter Geschwindigkeit ) über MInuten im Arm halten musste, bis der aus seinem völlig zerquetschten BMW befreit werden konnte, der Notarzt, die Notfallseesorgerin. „Weil ein Fahrer eine Nachricht auf dem Handy gelesen hat, übersah er einen Fußgänger, einen 41-jährigen Mann. Gemeinsam mit einem Polizeibeamten mussten wir der Familie die Todesnachricht überbringen, einer jungen Frau mit einer vierjährigen Tochter und einem sechs Wochen alten Säugling. Als wir die Worte aussprachen, konnten wir ihr gerade noch das Baby abnehmen, dann brach sie kreischend zusammen“, beschreibt Annette Wendt ihre Erinnerungen.Am Schluss möchte Ilka Steffens noch eins klar deutlich machen. „Wir wollen Euch allen nicht den Spaß am Autofahren verderben. Wir möchten nur, dass Ihr verantwortungsbewusst handelt und nicht aus Imponiergehabe oder um cool zu sein Vollgas gebt.“