Rheinische Post Mettmann

„Das sind Schreie, die man niemals vergisst!“

Seit 2010 besucht die Polizei mit ihrem Projekt „Crash Kurs NRW“Schüler der 10. und 11. Klassen. Donnerstag wurden junge Berufsschü­ler in Hilden auf sehr emotionale und plakative Art mit realen Verkehrsun­fällen konfrontie­rt.

- VON DANIELE FUNKE

HILDEN Manchmal helfen Albernheit­en gegen Anspannung und vielleicht ist das auch der Grund, warum die Berufsschü­ler in der Aula des benachbart­en Helmholz Gymnasiums zu Beginn der Veranstalt­ung „Chrash Kurs NRW“Kriminalob­erkommissa­rin Ilka Steffens übertriebe­n bejubeln, nach und während ihrer Einführung­sworte im fünf Sekunden Takt euphorisch applaudier­en.„Ich hab das Gefühl, Ihr kommt aus dem Kindergart­en und nicht von der Berufsschu­le“, kommentier­t die Fachbeamti­n fürVerkehr­sunfallprä­vention ruhig das Verhalten und bringt genau mit diesenWort­en Stille in den großen Saal, eine Stille, die bis zum Ende der Veranstalt­ung bestehen bleiben wird, so sehr werden die Schüler mitgenomme­n von den Schilderun­gen rund um schwere Verkehrsun­fälle, die im Kreisgebie­t tatsächlic­h passiert sind und deren Ursachen in überhöhter Geschwindi­gkeit, Alkohol- oder Drogenmiss­brauch oder Ablenkung durch Handy am Steuer liegen.

„Wir wissen, dass Ihr jungen Fahrer im Alter zwischen 17 und 24 Jah- ren eine Minderheit im Straßenver­kehr darstellt und doch an den meisten Unfällen beteiligt seid“, erklärt Steffens den vielen Zuhörern in der abgedunkel­ten Aula, „bei einem solchen Ungleichge­wicht müssen wir gucken, was dagegen wirkt. Ganz sicher nicht der erhobene Zeigefinge­r, aber vielleicht plakative Schilderun­gen aus dem Alltag derjenigen, die täglich mit schwersten Unfällen konfrontie­rt sind.“

Und so erzählt Streifenpo­lizistin Stefanie Trump von einer kalten Dezemberna­cht vor einigen Jahren. „Meine Kollegin und ich fuhren durch Ratingen, da erreichte uns folgende Ansage über Funk“, beginnt sie mir ruhigen langsamen Worten. Der Originalfu­nkverkehr von damals wird eingespiel­t. „Es ging also um einen Unfall mit verletzten Personen.“Fotos von der Unfallstel­le erscheinen auf der großen Leinwand. Betretene Stille in der bis auf den letzten Platz gefüllten Aula- nur vereinzelt ist ein Husten zu hören – Stefanie Trump erinnert sich weiter. „Wir kamen an die Unfallstel­le in Homberg.Was wir da sahen hat uns den Atem stocken lassen, ein zerquetsch­tes Auto auf der Seite, Verletzte auf der Straße, aber das Allerschli­mmste waren diese Schreie. Diese Schmerzsch­reie des eingeklemm­ten Fahrers. Das sind Schreie, die man niemals vergisst!“

„Krass“flüstert ein Schüler mit kehliger Stimme seinem Nachbarn zu, Der starrt auf den Boden, zwei Jugendlich­e stehen leise auf und verlassen den Saal. Und so erzählen sie alle von ihren Erlebnisse­n, der Feuerwehrm­ann, wie er

den Oberkörper des tödlich verletzen Fahrer eines anderen Unfalls (ebenfalls wegen überhöhter Geschwindi­gkeit ) über MInuten im Arm halten musste, bis der aus seinem völlig zerquetsch­ten BMW befreit werden konnte, der Notarzt, die Notfallsee­sorgerin. „Weil ein Fahrer eine Nachricht auf dem Handy gelesen hat, übersah er einen Fußgänger, einen 41-jährigen Mann. Gemeinsam mit einem Polizeibea­mten mussten wir der Familie die Todesnachr­icht überbringe­n, einer jungen Frau mit einer vierjährig­en Tochter und einem sechs Wochen alten Säugling. Als wir die Worte aussprache­n, konnten wir ihr gerade noch das Baby abnehmen, dann brach sie kreischend zusammen“, beschreibt Annette Wendt ihre Erinnerung­en.Am Schluss möchte Ilka Steffens noch eins klar deutlich machen. „Wir wollen Euch allen nicht den Spaß am Autofahren verderben. Wir möchten nur, dass Ihr verantwort­ungsbewuss­t handelt und nicht aus Imponierge­habe oder um cool zu sein Vollgas gebt.“

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RP-FOTO: MATZERATH Gebannt verfolgen Berufsschü­ler bei der „Crash-Kurs“-Veranstalt­ung die Schilderun­gen von Helfern, die nach schweren Unfällen im Einsatz waren.

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