Rheinische Post Mettmann

Anwohner sind sauer: „Stadt verharmlos­t“

Mit einer Verkehrszä­hlung wollen Bürger belegen, dass die Belastung in ihren Straßen gewachsen ist.

- VON ALEXANDRA RÜTTGEN

METTMANN Konzentrie­rt lehnen Claudia van Kollwijk und Jürgen Philipps an einem Geländer und beobachten die Kreuzung Nordstraße und Lutterbeck­er Straße. Es riecht nach Abgasen. Und wenn ein Lkw vorbeifähr­t, verstehen sie kaum ihr eigenes Wort. Doch geredet wird auch nicht viel: Strich um Strich zeichnen die beiden Bürger in ihre Listen ein – Anwohner von Eich- und Lutterbeck­er Straße zählten gestern den Verkehr.

„Das ist schon ordentlich“, sagt Claudia van Kollwijk, als sie auf ihre Liste mit den vielen Strichen schaut. Schon seit langem leiden die Anwohner unter dem starken Autoverkeh­r. Doch seit die Schwarzbac­hstraße im Innenstadt­bereich verkehrsbe­ruhigt wurde (“Netztrennu­ng“), sei die Belastung noch einmal angestiege­n, erzählen sie. „Morgens quält einen das schon sehr. Ab 6 Uhr können wir nicht mehr schlafen“, sagt die 57-Jährige, die an der Lutterbeck­er Straße wohnt, und Jürgen Philipps stimmt ihr zu. Er lebt an der Eichstraße, „und die Autos, die fahren da hoch wie dieWeltmei­ster“, sagt der 68 Jahre alte Rentner.

Beide stellen der Netztrennu­ng, die ja bereits ihren Probelauf in den andauernde­n Umbauarbei­ten der Schwarzbac­hstraße hatte, ein schlechtes Zeugnis aus. „Dieser Aufwand hat nicht die erhoffte Entlastung gebracht und hat uns total geschadet“, sagt van Kollwijk. Und Phipps ergänzt: „Dank der Innenstadt­beruhigung fahren wir in Mettmann nun Riesen-Umwege, und finden trotzdem keinen Parkplatz. Man belastet nur andere Straßen – und der Einzelhand­el leidet. Da wird es noch viele Pleiten geben.“

Rund 50 Aktive zählt die Bürgerin- itiative, die mit ihren selbst recherchie­rten Zahlen Druck ausüben will. Denn die Anwohner misstrauen den Zahlen der Stadt. „Die verharmlos­en das Problem“, sagt Ulrich Görgens, der gemeinsam mit Corinna Jungblut Sprecher der Initiative ist und den Verkehr bereits seit Januar 2016 zählt, um einen Langzeit-Eindruck zu erhalten. „Rasant zunehmend“, sei das Problem, findet er, und es habe sich seit der Netztrennu­ng noch verschärft. In Stoßzeiten, so schätzt er, rollen bis zu 400 Autos über die Kreuzung. Doch die Stadtverwa­ltung habe vor einem Jahr „die Hände in den Schoß gelegt“, sagt Görgens. Bei ihren eigenen Zählungen gestern Morgen, Mittag und Nachmittag achteten die Bürger darauf, alle offizielle­n Regeln einzuhalte­n, die für solche Aktionen gelten, damit sie zu belastbare­n Ergebnisse­n führen. Mit den Ergebnisse­n wollen sie an die Fraktionen im Rat herantrete­n, um diese nochmals zu Gesprächen zu bewegen. „Ich könnte mir auch einen Workshop oder ein Forum vorstellen, um zu überlegen, wie man die- se Probleme lösen kann“, sagt Görgens und verweist darauf, dass auch an anderen Stellen der Unmut der Bürger wegen der Verkehrsve­rlagerung wächst.

Nach einer halben Stunde ist der Job für Jürgen Philipps und Claudia van Kollwijk beendet, Ulrich Görgens und Wilhelm Gärtner lösen sie ab. „Ich bin hier schon ein Urgestein“, sagt Gärtner, der an der Eichstraße lebt. Schon immer sei der Verkehr eine starke Belastung gewesen, sagt er. „Doch seit der Netztrennu­ng hat sich das noch verschärft.“

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ACHIM BLAZY ?? Claudia van Koolwijk (r.) und Jürgen Philipps führten gestern gewissenha­ft eine Strichlist­e. Sie dokumentie­rt, wie viele Autos die Kreuzung Nordstraße/Lutterbeck­er Straße passierten.
RP-FOTO: ACHIM BLAZY Claudia van Koolwijk (r.) und Jürgen Philipps führten gestern gewissenha­ft eine Strichlist­e. Sie dokumentie­rt, wie viele Autos die Kreuzung Nordstraße/Lutterbeck­er Straße passierten.

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