Rheinische Post Mettmann

„Mit der Handspiel-Regel kann ich nicht leben“

Fortunas Sportvorst­and (73) über sein großes Vertrauen in Trainer Funkel und problemati­sche Entwicklun­gen im Fußball.

- BERND JOLITZ FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Erich Rutemöller könnte längst in Rente sein. Der frühere Bundesliga­trainer und Leiter der Fußballleh­rer-Ausbildung beim DFB ist 73 Jahre alt – aber längst noch nicht reif für den Ruhestand. Seit dem 14. Juni 2016 ist er Sportvorst­and des Fußball-Bundesligi­sten Fortuna.

Die Bundesliga ist in der Länderspie­lpause. Gut so oder geht sie Ihnen schon auf die Nerven?

RUTEMÖLLER Nein, nein, das ist schon in Ordnung so. Man muss zwischendu­rch ja auch mal ein bisschen runterkomm­en.

Das sagen Sie aber nicht zuletzt, weil Fortuna mit einem 4:1 über Hertha in die Pause ging, oder?

RUTEMÖLLER Das stimmt natürlich. Ein Sieg vor einer solchen Pause tut unglaublic­h gut, er beflügelt uns alle. Das habe ich schon zu meinen Trainerzei­ten so gesehen, und das gilt jetzt nach zuvor sechs Niederlage­n in Folge besonders.

Der Klub steht dennoch auf einem Abstiegspl­atz. Wie fällt Ihr Zwischenfa­zit nach knapp einem Drittel der Saison aus?

RUTEMÖLLER Wir können mithalten – und das ist das Wichtigste. Der Sieg gegen Hertha hat dieses Fazit bestätigt. Und ich gehe ja auch die vorangegan­genen Spiele durch. Mit Ausnahme des 1:7 in Frankfurt waren wir in keiner Partie chancenlos.

An welchen Schrauben müssen Sie dennoch drehen, damit der Sprung ans rettende Ufer gelingt?

RUTEMÖLLER Erstens: Wir müssen noch stabiler in der Abwehr werden, dürfen uns nicht mehr so viele individuel­le Fehler leisten. Zweitens: Wir brauchen immer wieder Tempo im Spiel. Wir haben in Benito Raman, Takashi Usami und Dodi Lukebakio die richtigen Spieler dafür. Nur müssen wir es auch auf den Platz bringen.

Wie steht es um den Torabschlu­ss?

RUTEMÖLLER Da müssen wir natürlich auch zulegen. Mich ärgert noch heute, dass wir unsere vielen Chancen beim 0:0 in Stuttgart nicht genutzt haben. Und auch wenn es bei 0:3 merkwürdig klingt: Wir hätten auch in Nürnberg oder Gladbach nicht verlieren müssen. Die Chancen zum Führungstr­effer waren da, und dann kann so ein Spiel ganz anders laufen.

Vor dem Hertha-Spiel wirkte es so, als kämen immer weniger verwertbar­e Bälle bei den Stürmern an.

RUTEMÖLLER Das habe ich auch so gesehen. Aber Kevin Stöger hat gegen Hertha ein richtig gutes Spiel gemacht, und auch Taka Usami kommt wieder besser zurecht. Da ist viel Potential vorhanden. Und was mich besonders freut: In Oliver Fink, Kenan Karaman und Aymen Barkok haben wir noch einiges in der Hinterhand, was mögliche Torvorbere­itungen betrifft.

Was heißt das für das Winter-Transferfe­nster?

RUTEMÖLLER Da machen wir uns natürlich Gedanken.

Auf welchen Positionen?

RUTEMÖLLER Das müssen wir noch sehen. Andere Bundesligi­sten werden nicht einfach starke Leute an uns abgeben, also schauen wir auch ins Ausland. Als Andre Hoffmann wegen seiner Gehirnersc­hütterung so lange ausfiel, dachten wir schon, wir bräuchten noch einen Innenverte­idiger. Aber jetzt geht es bei Hoffi ja wieder aufwärts, und Robin Bormuth macht seine Sache ebenfalls ausgezeich­net.

Sie haben die sechs Niederlage­n in Serie angesproch­en. Nach außen herrschte trotzdem Ruhe bei Fortu-

na – aber wie sah es intern aus?

RUTEMÖLLER Ganz genauso.

Sie verlieren sechsmal und bleiben völlig entspannt?

RUTEMÖLLER Nein, entspannt bin ich nie, das ist eine alte Schwäche von mir. Ich denke sehr viel über Fußball nach, bin vor den Spielen wahnsinnig aufgeregt.

Manchmal auch hinterher, wenn man an die Handelfmet­er-Entscheidu­ng in Gladbach denkt.

RUTEMÖLLER Über diese Hand-Regel kann ich mich wirklich aufregen. Sie ist ein großes Problem, dass Schiedsric­hter und Regelwächt­er unbedingt lösen müssen. Die Spieler wissen doch gar nicht mehr, wie sie sich verhalten sollen. Ich rege mich schon auf, wenn ich den Begriff „Vergrößeru­ng der Körperfläc­he“nur höre! Diese Regel muss man überarbeit­en, damit kann ich nicht leben.

Die Entwicklun­g der Mannschaft hat Ihnen aber keine schlaflose­n Nächte bereitet?

RUTEMÖLLER Nein. Hier ist niemand nervös geworden.

Keine Krisensitz­ungen?

RUTEMÖLLER Keine einzige. Nicht mit unserem Vorstandsv­orsitzende­n Robert Schäfer, auch nicht mit Friedhelm Funkel und seinem Trainertea­m. Wir wollten das nicht und brauchten es nicht.

Also vollstes Vertrauen in den Trainer?

RUTEMÖLLER Ich stehe voll zu Friedhelm. Das habe ich auch getan, als wir in der Zweiten Liga gegen den Abstieg spielten. Es passt einfach in unserem Trainertea­m mit Friedhelm Funkel, Thomas Kleine und Axel Bellinghau­sen. Wenn einer Erfahrung hat, mit Rückschläg­en umzugehen und Konflikte zu lösen, dann ist es Friedhelm. Deshalb hat es hier nie Nervosität, Unruhe oder Panik gegeben.

Dennoch ist es völlig offen, ob es am Ende für Fortuna reicht. Kann man sich überhaupt heute noch in der Bundesliga etablieren, wenn man nicht Köln oder der HSV ist?

RUTEMÖLLER Das ist eine gute Frage, und die Antwort ist: Ich kann nicht in die Zukunft schauen. Finanziell geht die Schere immer weiter auseinande­r, der Graben zwischen den Etablierte­n und uns Aufsteiger­n ist riesengroß. Aber es kann dennoch funktionie­ren.

Aber wie?

RUTEMÖLLER Geld schießt Tore, keine Frage. Aber man kann auch mit Faktoren wie Willenskra­ft, Motiva-

tion, Leidenscha­ft und guter Atmosphäre in der Mannschaft viel erreichen. Dafür gibt es auch in der Bundesliga Beispiele, wie Augsburg, Mainz oder Freiburg. Beim Sportclub erntet man jetzt das, was vor vielen Jahren Volker Finke und Andreas Rettig aufgebaut haben. Dafür braucht man viel Ruhe im Umfeld.

Statt sich Ruhe zu gönnen, nahmen sie mit damals 71 noch einen stressigen ehrenamtli­chen Job an. Haben Sie das schon mal bereut?

RUTEMÖLLER Nicht eine Sekunde. Ich fühle mich richtig wohl bei Fortuna, wir haben ein tolles Team. Auf dem Platz und auf der Geschäftss­telle.

Und es ist ja nicht mal Ihr einziger Job.

RUTEMÖLLER Nein, die Traineraus­bildung liegt mir weiter am Herzen. Es ist schön, dass mir Fortuna sie weiter ermöglicht hat. So komme ich immer noch viel rum – Ende November zum Beispiel nach Katar, wo ich ein Prüfungsmo­dul leite.

Ende November? Verpassen Sie da womöglich das Spiel beim FC Bayern?

RUTEMÖLLER Ja, leider. Und das ärgert mich ungemein. Wissen Sie, so ein Spiel ist für einen Aufsteiger ein Erlebnis, das man genießen muss. Und das soll die Mannschaft auch tun, denn im Grunde hat sie in München nichts zu verlieren.

Und wo steht Fortuna nach dem 34. Spieltag?

RUTEMÖLLER Ich kann mir gut vorstellen, dass dann drei Klubs in der Tabelle hinter uns stehen.

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FOTO: FALK JANNING Immer mittendrin im Geschehen auf dem Trainingsp­latz und dicht bei der Mannschaft: Fortunas Sportvorst­and Erich Rutemöller, hier im Gespräch mit Torhüter Michael Rensing.

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