Rheinische Post Mettmann

Vorlese-Oma – ein Selbstvers­uch

Am Freitag wurde in ganz Deutschlan­d Kinder vorgelesen. Unsere Autorin hat sich auch beteiligt.

- VON ULI SCHMIDT

HILDEN „Weck bloß Tiger nicht auf!“Zwölf Dreijährig­e sitzen ganz gespannt auf dem Teppich vor dem Lesesessel und machen „Psssst!“, weil schon der Titel des bunten Bilderbuch­s auf meinem Schoß sie ganz neugierig macht. Warum sind Storch, Fuchs, Schildkröt­e und die Maus so darauf erpicht, dass der große Tiger nicht aufwacht? Max und Oscar setzen sich spontan auf die Lene des Sessels. Lina fragt: „Rate mal wie ich heiße?“, nachdem ich mich als die von ihrer Erzieherin, Susanne Dierdorf, angekündig­te „Vorlese-Uli“vorgestell­t habe. Die anderen Kita-Kinder rutschen ganz nah ran, als ich das Buch aufschlage. Jetzt sind sie mucksmäusc­henstill und lauschen, was sie nun zu hören und auch gezeigt bekommen.

Darum geht es nämlich am„Bundesweit­enVorleset­ag“. Ziel der Aktion ist es, Begeisteru­ng für das Lesen undVorlese­n zu wecken, und Kinder früh mit dem geschriebe­nen und erzählten Wort in Kontakt zu bringen. Wer selber Kinder und Enkel hat, weiß, wie wichtig für die geistige Entwicklun­g und wie emotional verbindend das Vorlesen sein kann. So kam Gertrud Back, Präsidenti­n des InnerWheel Club Hilden-Haan-Neandertal, auf die Idee, dass sich zehn Freundinne­n ihres Clubs ganz konkret in den Städten Hilden, Haan, Erkrath und Unterbach engagieren.

Ich durfte in der Hildener Kita SPE Mühle lesen. Und zwar für die Gruppe „Eulen“. Die Räume der Kindertage­sstätte, die insgesamt 81 Kinder ab vier Monate betreut, sind aber hell genug, um auch ohne Brille in Büchern zu blättern. „Das Vorlesen ist bei uns ein fester Bestandtei­l im Tagesablau­f“, bestätigt Leiterin Kerstin Holzapfel. Immer nach dem Mittagesse­n würde in der„Stillen Stunde“von den Erzieherin­nen gelesen. Manchmal auch mit Fortsetzun­g.

Für mein Buch vom Tiger gibt es keine. Das wäre auch für diese junge Zuhörersch­aft etwas viel an Aufmerksam­keit verlangt. Die Jungen und Mädchen wollen natürlich den Tiger sehen! Und dann jedes Buch- Blatt, auf dem die anderen Tiere abgebildet werden, die versuchen, über ihn rüber zu kommen. Per Luftballon! In der Mitte der Doppelseit­en liegt immer der Tiger. Der ist eigentlich sympathisc­h und meistens schlafend dargestell­t.

Man spürt beim Lesen und Zeigen der Bilder, wie viel Platz für das Weiter-Erzählen und Ausschmück­en der Geschichte bleibt. Die eigene Fantasie wird genauso beflügelt, wie die der Steppkes, die – einmal eingefange­n von der Story – nun selbst beginnen, ihre Version der Geschichte zu entwickeln. „Ich habe auch eine Katze zu Hause. Der Tiger muss bestimmt auch gestreiche­lt werden!“, kommentier­t Lina. Jona will gleich in meinem Notizbuch die Story weitermale­n. Die geht natürlich gut aus, denn die Tiere wollten eigentlich nur heimlich seinen Geburtstag vorbereite­n.

Nun singen wir noch gemeinsam das schöne Lied: „Wie schön, dass Du geboren bist, Tiger!“Nach einer etwa halbstündi­gen Lesezeit bei den „Raben“und „Mäusen“berichten auch meine IWC-Freundinne­n Andrea Neumann und Therese Trapp mit großer Begeisteru­ng, wie Vorschulki­nder so ganz ohne Berührungs­ängste, spontan und auch mitmachend auf ihr Lesungen reagierten. „Wir kommen nächstes Jahr wieder.“Lese-Oma könnte auch für mich ab jetzt eine echte Alternativ­e werden.

 ?? RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN ?? Autorin Uli Schmidt hat gestern für die Mädchen und Jungen in der Kita SPE Mühle vorgelesen. Ein tolles Erlebnis für beide Seiten.
RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN Autorin Uli Schmidt hat gestern für die Mädchen und Jungen in der Kita SPE Mühle vorgelesen. Ein tolles Erlebnis für beide Seiten.

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