Wird dem Drahtzieher nicht der Prozess gemacht?
Es könnte sein, dass gegen den Haupttäter beim brutalen Raub am Hermann-Löns-Weg gar nicht verhandelt wird.
HAAN Die Anklage war längst verlesen worden, die Kammer hatte die Beweisaufnahme zügig vorangetrieben und dann der Paukenschlag: Beim Überfall auf den Pensionär in dessen Haus im Hermann-LönsWeg im Frühjahr 2017 soll es noch einen weiteren Mittäter gegeben haben. Glaubt man der Aussage eines der Angeklagten, dann soll es sich dabei um ein Mitglied einer libanesischen Großfamilie handeln.
Der geständige Angeklagte will den vermeintlichen Komplizen aus der Spielhalle kennen, in der auch der Tatplan verabredet worden sein soll. Der bis dahin unbekannte Mittäter soll als dritter Mann mit im Haus gewesen sein, während drei weitere Angeklagte – ausgestattet mit unterschiedlichen Aufträgen – im Umfeld des Hauses gewartet haben sollen. Er soll dort sogar das Kommando gehabt und den beiden Komplizen im Gebäude gesagt haben, was sie dort tun und lassen sollen.
Die überraschende Aussage hatte damals eine erstaunte Kammer und einen aufhorchenden Staatsanwalt zurückgelassen, der nun wohl die Ermittlungen einleiten wird. Aber wie wahrscheinlich ist es überhaupt, jemandem nach so langer Zeit zweifelsfrei die Mittäterschaft nachweisen zu können?
Dazu sagt der Pressesprecher der Wuppertaler Staatsanwaltschaft, Wolf-Tilman Baumert: „Möglicherweise wurden am Tatort Fingerabdrücke oder andere Spuren gesichert, die bislang noch nicht zugeordnet werden konnten. Aber es ist dennoch schwierig.“Man werde den Beschuldigten nun erst mal ausfindig machen und vernehmen. „Vielleicht kann auch das Opfer bei der Aufklärung mithelfen“, so Baumert.
Sollten sich die Vorwürfe gegen den Mann durch die Ermittlungen erhärten lassen, wird Anklage erhoben. In dem bereits laufenden Verfahren mal eben mitverhandeln könne man die Sache allerdings nicht. Es müsse dann einen neuen Prozess geben, in dem alles erneut aufgerollt werden würde.
Und der Drahtzieher des Überfalls, dessen Verfahren schon vor Verhandlungsbeginn abgetrennt wurde? Sitzt noch immer in Hagen wegen versuchten Mordes und besonders schweren Raubes auf der Anklagebank. Gerade wurde dort bekanntgegeben, dass der im Frühjahr gestartete Prozess bis in den Januar hinein dauern wird. Über 20 Jahre hinweg soll der Mann, der beim Haaner Tiefbauamt gearbei- tet hatte, gemeinsam mit fünf Mittätern diverse Geldtransporter – unter anderem in Langenfeld – überfallen und dabei mehrere Millionen Euro erbeutet haben. Vorgeworfen wird ihm die Beteiligung an 13 Überfällen, es dürfte am Ende auf eine hohe Freiheitsstrafe hinauslaufen.
Noch wird in Hagen von den Juristen auch geprüft, ob für den Angeklagten nachVerbüßung der Haftstrafe die Sicherungsverwahrung in Betracht kommen könnte. „Bei der Beurteilung dieser Frage wird durchaus auch auf den Fall in Haan geschaut“, so Inga Papajewski vom Hagener Landgericht.
Kommt es dann in Wuppertal überhaupt zu einem Prozess wegen des Überfalls auf den Pensionär im Hermann-Löns-Weg, bei dem der in Hagen angeklagte Haaner als Drahtzieher gilt? Dazu sagt Arnim Kolat vomWuppertaler Land- gericht, wo bereits Anklage erhoben wurde: „Sollte die hier zu erwartende Strafe nicht mehr wesentlich ins Gewicht fallen, kann das Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft eingestellt werden.“Dann also würde dort gegen den Drahtzieher nicht mehr verhandelt werden müssen.
Übrigens: Da man vor Prozessbeginn nicht hatte feststellen können, wer von den derzeit inWuppertal angeklagten Männern im Haus im Hermann-Löns-Weg gewesen ist, um es anzuzünden und das wehrlose Opfer zuvor über Stunden hinweg zu traktieren, lautete die Anklage bislang für alle jenseits des Drahtziehers nur auf Beihilfe. Das dürfte sich nun nach den Geständnissen geändert haben. „Erfolgt in der Verhandlung ein entsprechender rechtlicher Hinweis, können sie als auch Täter verurteilt werden“, so Pressesprecher Arnim Kolat.