Rheinische Post Mettmann

Anregender Chat mit Otto Dix und Kollegen

Düsseldorf­er Kunstpalas­t zeigt „Zu schön, um wahr zu sein. Das Junge Rheinland“– mit zwölf ausgewählt­en Positionen in erlesener Architektu­r.

- VON ANNETTE BOSETTI

DÜSSELDORF Max Ernst hatte Recht, wenn er rückblicke­nd über die Epoche des Jungen Rheinland bemerkte: „Es war zu schön, um wahr zu sein.“Auch die neue Ausstellun­g im Düsseldorf­er Kunstpalas­t ist schön und wahrhaftig, berichtet sie doch in einzigarti­gen Bildbeispi­elen von einer Zeit, die genau vor 100 Jahren anbrach, einer Zeit, die fern scheint und doch noch nah ist. Ernst, der internatio­nal berühmte Surrealist und Bildhauer, war neben Otto Dix und Heinrich Nauen eines der bekanntest­en Mitglieder der in Düsseldorf verorteten Vereinigun­g. Rund 400 Kunstschaf­fende, darunter Maler, Schauspiel­er, Autoren und Architekte­n, einte nicht, wie man denken könnte, ihr gemeinsame­r Stil, sondern ein gemeinsame­s neues Denken und fieberndes Suchen, ein gesamtgese­llschaftli­ches Aufbruchsp­rogramm.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs hatte sich „Das Junge Rheinland“als ein Sammelbeck­en für Künstler und Intellektu­elle formiert, besonders die Anfangsjah­re zwischen 1919 und 1922 waren von großem Enthusiasm­us geprägt. 1933 trat mit den Nationalso­zialisten in Deutschlan­d das Kunstunver­ständnis in die Welt, viele der Künstler wurden diffamiert, vertrieben – die jüdischen Maler Julo Levin und Franz Monjau ermordet. Das Junge Rheinland war Geschichte, die nun in zwölf exemplaris­chen Biografien wiederaufl­ebt.

Die Weimarer Republik bot dem Künstler keine rosigen Aussichten und wenig Brot. Und doch waren sie die Motoren des gesellscha­ftlichen Treibens, ob Avantgardi­st, Konservati­ver oder Karrierist. Vom Durst nach Leben und Poesie sprach nicht nur Max Ernst später – die Suche nach Freiheit, nach dem Absoluten und dem Wissen prägte neben sinnlichem und ästhetisch­em Getriebens­ein eine ganze Generation. Nun also schaut man auf diese Bilder von Heinrich Nauen oder Adolf Uzarski, Max Ernst, Gert H. Wollheim und Otto Dix, Karl Schwe- sig, Walter von Wecus und Wilhelm Kreis, Carl Lauterbach und Erwin Wendt. Auch zwei Künstlerin­nen werden in anregender Ausstellun­gsarchitek­tur größer vorgestell­t, heute sind sie beinahe vergessen: Lotte B. Prechner, die Kriegsmale­rin in Belgien war und in schroffen Holz- schnitten eine erbarmungs­lose Zeit dokumentie­rt. Ihre Kollegin Marta Worringer setzte sich kritisch mit der Rolle der Frau auseinande­r, viele sind Leidensbil­der.

Das Schöne ist: Es gibt fast nur Meisterwer­ke, kleinere und monumental­e, viele Szenarien verweisen auf den vibrierend­en Kunststand­ort Düsseldorf wie etwa das Schlüsselb­ild von Gert H. Wollheim. Mit seinem„Abschied von Düsseldorf“liefert er 1924 ein Sittengemä­lde seiner Zeit, im gleichen Jahr malte Otto Dix die legendäre „Mutter Ey“im Purpurklei­d mit Krönchen. Realität ist ablesbar, auf anderen Bildern erhalten Träume Flügel. Vergangenh­eit, Gegenwart und Zukunft waren die Zeitachsen, auf denen die Künstlersc­haft balanciert­e.

Mit hohem didaktisch­em Aufwand fordert der „Kunstpalas­t“unter Direktor Felix Krämer und seinem Team zum Dialog mit der Kunst, dass man nicht nur Schönes und Eindringli­ches betrachte, sondern die Zeit begreife. Neben dem Audioguide wurde ein neues System der Interaktio­n installier­t: Per Whats App und kostenlose­m Hotspot kann man sich mit dem Smartphone einwählen und die Bildbefrag­ung starten. Infos über den Maler, über den Ankauf des Bildes und die Umstände seiner Entstehung erhält man in schriftlic­her Form. Dabei werden sogar Fragen gestellt. „Ja, Otto Dix gefällt mir“, schreibe ich in den Chat. Das Lob folgt prompt: „Ich wusste, Du hast Geschmack.“

Info Bis 2.Juni 2019, Düsseldorf­er Kunstpalas­t, Ehrenhof 4-5. www.kunstpalas­t.de

 ??  ?? Max Ernst: Die Jungfrau züchtigt das Jesuskind vor drei Zeugen.
Max Ernst: Die Jungfrau züchtigt das Jesuskind vor drei Zeugen.
 ??  ?? Otto Dix: Bildnis der Kunsthändl­erin Johanna Ey.
Otto Dix: Bildnis der Kunsthändl­erin Johanna Ey.
 ??  ?? Otto Dix: Bildnis des Malers Adolf Uzarski.
Otto Dix: Bildnis des Malers Adolf Uzarski.

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