Boxtrainerin Anna Slotala zerstreut alte Klischees
Die frühere Turniertänzerin sieht ihre Hauptaufgaben beim TuS Gerresheim „in der Förderung der mentalen Intelligenz“.
Die Turnhalle an der Heyestraße in Gerresheim ist fast schon zu klein für die fast 40 jungen Boxer, die sich dort am späten Nachmittag zum Training eingefunden haben. Auch wenn es eng ist auf dem Hallenboden, so finden die zehn- bis 19-jährigen Box-Begeisterten dennoch auf dem Hallenboden Platz, um ihre Fitness in Seilspringen, Dehnübungen, Liegestützen und anderen schweißtreibenden Disziplinen zu verbessern.
Ein Boxring in der Mitte der Halle bildet das Zentrum des Trainingsplatzes. Der Boxring ist unterteilt, um möglichst vielen Boxtalenten des TuS Gerresheim Gelegenheit zu geben, das ABC des Faustsports zu erlernen. Pärchenweise werden Nahkampf, Beinarbeit, das Ausweichen von gegnerischen Angriffen und Schlagkombinationen geübt. Manches wird nur angedeutet, wobei auch der obligatorische Kopfschutz nicht fehlen darf, um Verletzungen zu vermeiden. Über alles wacht Cheftrainer Stef- fen Müller. Seit 2012 hat der ehemalige Deutsche Juniorenmeister und mehrfache Vizemeister bei den Senioren-Boxern die Schulung des Nachwuchses beim TuS übernommen. Seine Erfahrung lehrt ihn, die richtige Dosierung beim Training zu finden. Wird das Schnaufen seiner Schützlinge zu groß, erlaubt er ihnen sofort eine Pause zur Erholung.
Ein absoluter Fixpunkt im Trainingsgetümmel der Halle an der Heyestraße ist Anna Slotala. Die junge Dame, die seit ihrem ersten Lebensjahr in Deutschland lebt, unterstützt Müller bei seinen Aufgaben in vielen Belangen. Ihr Weg zum Boxen hatte unglücklich begonnen. Eine Knieverletzung hatte die ehemalige Leistungssportlerin im Turniertanz gezwungen, ihre Karriere beim Boston-Club zu beenden. „In der Reha nach meiner Knieoperation hörte ich viel vom Boxen in Gerresheim, und so wurde ich neugierig“, sagt die gelernte Steuerberaterin und studierte Wirtschafts-Managerin.
Ihre folgenden Besuche an der Heyestraße weckten schnell ihre Begeisterung für diesen Sport. Sie begann mit dem Training und absolvierte später zusätzlich die Trainerausbildung. Ihre Hauptaufgaben bei der Ausbildung der Talente, sieht sie „in der Förderung der mentalen Intelligenz der jungen Boxer“. Boxen ist für sie ein kopfgesteuerter Sport, „bei dem man die Wut-Kontrolle nicht verlieren darf“.
Vermutungen, dass gerade im Boxen, das als typisch männlich bekannt ist, eine Frau es als Trainer und Mentalcoach besonders schwer hat, zerstreut Slotala überzeugend. „Die jungen Leute sehen mich als jemand von ihnen, spüren aber auch meine Kompetenz und saugen meine Informationen auf, ganz gleich ob in derWettkampfvor- bereitung oder während der Pausen der Kämpfe in der Ringecke.“Dass dem wirklich so ist, bestätigt einer der derzeit erfolgreichsten Kämpfer des TuS, Imad El Mahi. Der 18-jährige Leichtgewichtler ist zweimaliger Niederrheinmeister und Teilnehmer der Deutschen Meisterschaft 2018 und seit einigen Wochen Mitglied der Oberliga-Boxstaffel des BC Velbert. Der Abiturient an der Dieter-Forte-Gesamtschule fasst den positiven Einfluss der Arbeit mit Mental-Coach Slotala so zusammen:„Ich nehme Anna und das, was sie mir zum Kampf gesagt hat, mit in den Ring. Wenn es nicht so gut läuft, denke ich an ihre Worte und bekomme so neue Kräfte. Durch sie habe ich gelernt, dass jeder hinfallen kann, jeder aber auch wieder aufstehen kann.“
Kein Wunder, dass seine Trainerin, die als Boxerin noch keinen Kampf verloren hat, sich über diese Worte freut. Aber nur kurz, denn dann kommt schon ein weiterer ihrer Schützlinge zu ihr und fragt: „Anna, kannst Du uns mal bitte kurz helfen?“