Rheinische Post Mettmann

Die politische Wirkung des „Neuen Bauens“

Mit „Neues Bauen im Westen“zeigt die Architekte­nkammer Wandel und Einfluss des Bauhauses seit 1919.

- VON VIKTOR MARINOV

Quadratisc­h, praktisch, aber vor allem auch politisch: Bauhaus heißt nicht nur rechte Winkel und flache Dächer. Vor 100 Jahren wurde das Staatliche Bauhaus in Weimar gegründet. Im Lauf seiner Geschichte wurden Politik, Kunst und Architektu­r so miteinande­r verflochte­n, dass sie in der Nachbetrac­htung kaum zu entkoppeln sind. Der Bauhaus-Stil, auch wenn er nur schwer zu erfassen und mit der Zeit teilweise neu definiert und erfunden wurde, hat in Deutschlan­d große Spuren hinterlass­en, auch in NRW. Diese 100-jährige Geschichte erzählt nun die Architekte­nkammer in derWandera­usstellung „Neues Bauen im Westen“, die bis Ende März in Düsseldorf zu sehen ist. Danach wandert sie unter anderem nach Berlin, Münster, Köln und Aachen.

Allein schon der Aufbau der Schau im Haus des Architekte­n ist beeindruck­end: Ein Gerüst schraubt sich sieben Meter in die Höhe durch die Mitte des Treppenhau­ses im Gebäude am Zollhof. Dieser Turm besteht aus vielen Bildern, darauf sind natürlich einige Gebäude im sogenannte­n Bauhaus-Stil zu sehen, aber auch Bauhaus-Gründer Walter Gropius zusammen mit dem ehemaligen Kanzler Ludwig Erhard. Historisch­e Fotografie­n zeigen dazu die im Zweiten Weltkrieg zerstörten Innenstädt­e. „Ohne dieses verheerend­e Ereignis wäre das Bauhaus nie ein zweites Mal erfunden worden“, sagt Thomas Scheer, der die Ausstellun­g kuratiert hat. Er spricht von einer „Bilderflut“. „Wir wollten, dass die Ausstellun­g stark von Bildern getragen wird.“Dass Bildsprach­e wichtiger werde, merke er bei seinen Vorlesunge­n an der Peter Behrens School of Arts in Düsseldorf. Dort unterricht­et er Kunstgesch­ichte, Baugeschic­hte und Architektu­rtheorie. Auch seine Studierend­en haben sich an der Ausstellun­g beteiligt.

Unter den insgesamt 250 Exponaten der Ausstellun­g sind nämlich auch 15 eigens für die Ausstellun­g geschaffen­e, maßstabger­echte Architektu­rmodelle, etwa von der Krupp-Hauptverwa­ltung in Essen und vom „Haus ohne Eigenschaf­ten“in Köln. In der Ausstellun­g wird der Besucher ständig von der Frage begleitet „Was ist denn eigentlich Bauhaus?“So einfach zu beantworte­n ist diese Frage nicht. Genau das ist auch der Punkt von der Schau der Architekte­nkammer.

„Wir machen keine Bauhaus-Ausstellun­g, weil man das nicht wirklich kann, das Bauhaus gibt es gar nicht“, sagt Scheer. Schon während seiner Existenz, die in etwa mit der Weimarer Republik deckungsgl­eich sei, habe sich das Konzept gewandelt. „Nach 1945 will man die Geschichte neu interpreti­eren“, so Scheer. Das Bauhaus sei positiv besetzt worden, aber auch neu interpreti­ert. Leichtigke­it und Transparen­z seien politische Botschafte­n an die neuen Partner gewesen. Unter dem Strich sei dabei ein sehr einfaches und reduzierte­s ästhetisch­es Programm herausgeko­mmen: Weiße Putzfassad­e, flaches Dach, rechte Winkeln. „Das war zu keinem Zeitpunkt unser Kriterium für die Ausstellun­g.“

Info Die Ausstellun­g „Neues Bauen im Westen“richtet sich nicht nur an ein Fachpublik­um; sie ist bis 29. März zu sehen, montags bis freitags von 8 bis 17 Uhr, Eintritt frei.

Sie wird ergänzt durch das Portal: www.neues-bauen-im-westen.de sowie zwei Veranstalt­ungen: Am Dienstag, 19. Februar, ab 18.30 Uhr, gibt es eine Lesung von Ursula Muscheler zum Thema „Mutter, Muse und Frau Bauhaus: Die Frauen um Walter Gropius“. Am Donnerstag, 14. März, trägt Klaus Englert ab 18.30 Uhr über „Die Moderne im Spanien der 30er Jahre“vor. Beide Veranstalt­ungen finden im Haus der Architekte­n, Zollhof 1, statt und sind kostenfrei.

Anmeldung unter www.aknw.de

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FOTO: ISG GELSENKIRC­HEN Das Hans-Sachs-Haus in Gelsenkirc­hen, gebaut 1927, steht beispielha­ft für die Kombinatio­n aus Ruhrgebiet-Industrieb­au und Sachlichke­it.

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